Rundfunkchor Berlin

Neuer Raum, neuer Klang

Klangkunst: „The Unknown". Produktion: Deutschlandradio Kultur / BR / ROC 2015. Aufgenommen: 6. September 2015 in Berlin Kapelle der Versöhnung. Abgebildet: SängerInnen Rundfunkchor Berlin
Die Sängerinnen und Sänger vom Rundfunkchor Berlin können sich über einen neuen Proberaum freuen. © Deutschlandradio / Sandro Most
Von Mascha Drost · 16.02.2016
Der Bau vom Proberäumen ist eine Wissenschaft für sich, mal ist die Akustik zu hallig, mal schwitzen die Musiker oder sind schlicht in ihrer Inspiration gehemmt. Der Rundfunkchor Berlin scheint dagegen ziemlich zufrieden mit der Arbeit der Architekten und Akustiker.
"Also das war schon ein schwerer Fall muss man sagen."
"Die Akustik war einfach sehr stumpf und wir haben uns nicht richtig gehört."
"Der Saal war stark bedämpft und etwas muffig und eben nicht besonders musikalisch."
"Und für die Sänger selbst war es sehr schwierig wenn es um Intonation geht dann muss man einander wirklich schön hören können. Und das ist jetzt so unglaublich viel besser als vorher."
Der neue Probensaal erinnert ein wenig an ein Amphitheater – im Halbrund, auf terrassenförmig erhöhten Sitzreihen, blicken die Sängerinnen und Sänger des Rundfunkchors auf ihren Chef Gijs Leenaars. Geprobt wird Musik von Francis Poulenc, die Kantate "Figure Humaine".
"Poulenc ist natürlich unheimlich schwierig und wenn man sich da nicht hört hat man keine Chance."
Aber man hört sich – jetzt, endlich, nachdem Akustik-Experten den Raum einer akustischen Schönheitsbehandlung unterzogen haben. Ralf Bauer-Diefenbach hat sich auf die Raumakustik von Konzertsälen spezialisiert, den Probensaal des Rundfunkchores hat er zusammen mit Architekten entscheidend umgebaut.

Viel Holz, viel Licht

Licht, freundlich, mit viel Holz und flachen, kreisrunden Lichtern, die von der Decke schweben.
"Die sind schön, sind toll, auch auf Bildern sehen die aus wie kleine wunderbare Monde. Akustik hat auch was mit Wohlfühlen zu tun. Und dieser helle Klang, diese Klarheit, die sich in der Architektur widerspiegelt, diese Architektur sollte sich natürlich auch akustisch wiederfinden."
Spricht man mit den Sängern, dann scheint sich eine ganz neue Arbeitswelt aufgetan zu haben.
"Ich höre mich auch selber und so kann ich mich auch besser einfügen in den Klang und was mit besonders gut gefällt, ist: Man kann die Kollegen sehen und man kommt besser zum gemeinsamen Musizieren."
"Man singt bewußter, das Singen an sich ändert sich ja nicht, nur das Bewußtsein um das Singen. Wir haben so ganz tolle Platten auf denen wir sitzen, der ganze Boden ist mit denen gestaltet, und auf diesen Platten singt man und hört sich selbst und hat eine ganz neue Akustik. Es singt sich viel leichter."
Wieder klanglichen Boden unter den Füßen, Sicherheit was das eigene Singen angeht – das Geheimnis liegt in den unscheinbaren Platten verborgen.
"Man könnte fast sagen wie in einem Weihnachtsstollen ist da etwas eingebacken, letztendlich ist das ein speziell resonierender Bühnenboden, der eine etwas andere Abstrahlcharakteristik hat als ein normaler Holzboden. Er verhält sich ein bißchen wie eine Membran, und diese Membran dieses Nachschwingen das sorgt eben auch für diese spezielle Fokussierung."
"Es gibt da ganz unterschiedliche Bemerkungen von den Kollegen, mancher empfindet das als Stress wenn man sich selber die ganze Zeit hört, mich leitet die Selbstkritik und in diesem Saal kommt man wirklich dazu sich selbst und alle anderen besser zu hören."

"Wir sind die Glückspilze!"

Verschärfte Kritik kommt aber nicht nur von selbst sondern auch von vorn: denn der Chefdirigent Gijs Leenaars bekommt im neuen Saal ein viel differenziertes Klangbild als vorher.
"Ich kann hier sogar relativ viel hören von den einzelnen Stimmen, ich kann da auch individuell korrigieren. Das wird von dem Chor auch geschätzt, wenn man das einfach rein professionell sagt: "Sie sind da ein bisschen zu tief vielleicht", dann ist es auch OK. Und es funktioniert manchmal besser als einfach zu sagen: "Soprane, ihr seid zu tief!" weil vielleicht waren nicht alle zu tief und dann korrigieren alle und dann hat man noch immer ein Problem."
Gijs Leenars verliert während der Probe keine Sekunde – er unterbricht, viel und immer wieder, freundlich aber unerbittlich. Das Stück von Francis Poulenc ist teuflisch schwer, zweichörig, zwölfstimmig, und bald ist Konzert; akribisch wird an Aussprache, Tonfärbung, Stimmführung gefeilt.
"Bei Poulenc gibt es natürlich Tausend verschiedene Farben, man kann die Farbe nur treffen wenn alles richtig und sauber intoniert ist. Am Ende muss es sehr einfach und locker klingen, sehr selbstverständlich."
"Die Musik ist schon expressiv, wenn man da zu viel individuelle Expressivität hinzufügt dann funktioniert es nicht. Und das gelingt hier im Saal sehr gut weil man kann hören was der Klang braucht. Nicht kalt aber wenig Vibrato, ganz präzise, so dass es insgesamt warm klingt."
Über Mangel an peinlich genauer Arbeit können sich die Sängerinnen und Sänger nicht beklagen – aber das geht einher mit neuer Inspiration, neuen Hörerlebnissen und dem Wissen, es ziemlich gut getroffen zu haben.
"Wir haben das Gesamtpaket, neuer Chef, neuer Saal, wir sind die Glückspilze!"