Rundfunk und Kunstmarkt

Gewinnspiele für den WDR

Von Paul Stänner · 18.11.2013
Der neue WDR-Intendant Tom Buhrow beweist in den Augen einiger Feuilletonisten keine glückliche Hand bei der Personalplanung, weil er die derzeitige Programmchefin des Privatradios Antenne Bayern zu seiner Radiochefin machen will. Ansonsten schlägt der Fall Gurlitt immer noch Wellen.
Vermeintlich geschickt hat Tom Buhrow, seit 150 Tagen WDR-Intendant, seine neue Hörfunkdirektorin genau in der Woche vorgestellt, in der sich die gesamte ARD dem Thema "Glück" verschrieben hat. Was seinen Sender betrifft, kann er die Woche für beendet erklären. Seine Wahl fiel – für viele WDR-Mitarbeiter unglücklich - auf Valerie Weber, die derzeitige Programmchefin des Privatradios Antenne Bayern. Die WELT weiß von einem Protestbrief, den 75 Redakteure unterschrieben haben und wie zur Erklärung schreibt Ekkehard Kern über Antenne Bayern:
"Der Branchenprimus hat in knapp zehn Jahren unter ihrer Ägide den Begriff Dudelfunk maßgeblich mitgeprägt ..."
Der Berliner TAGESSPIEGEL erinnert daran, dass Valerie Weber für einen Stuttgarter Privatsender Duftstoffe aus einem Flugzeug abwerfen ließ und schreibt:
"Bei einer öffentlichen Veranstaltung verteidigte sie 2006 Gewinnspiele im Radio mit den Worten: 'Es ist enorm wichtig, dass wir die Menschen zum Spielen bringen, denn das erlaubt ihnen das Abtauchen in eine Scheinwelt, um den Problemen des Alltags zu entfliehen'."
Angesichts der massiven Empörung unter WDR-Mitarbeitern fragt sich Markus Ehrenberg im TAGESSPIEGEL, ob sich Valerie Weber"diese Nominierung angesichts der vielen Missfallenskundgebungen aus Köln überhaupt antun wird."
Was Edward Snowden für das Internet, ist Cornelius Gurlitt für den Kunstmarkt – jetzt wird der ganze trübe Bodensatz aufgerührt. Alle sind alarmiert, sogar das niederländische Königshaus überprüft seine Sammlung, meldet die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG. Dort setzt sich Catrin Lorch mit den Lebenslügen des Kunsthandels auseinander und vor allem mit jenen Händlern, die wie Vater Hildebrand Gurlitt angeblich Kunstwerke vor der Vernichtung bewahrt haben. Lorch schreibt über den Mythos vom Keller:
"Im 'Keller' rettete man die Kunst zunächst vor den Bomben. Dass man sie dann aber in den gleichen Verstecken ließ, um sie vor treffsicheren Fragen der Alliierten zu verbergen, macht aus dem gleichen 'Keller' den Ort des Betrugs ..."
Lorch urteilt über mehr oder weniger die ganze Branche:
"Geschichtsvergessen, der eine wie die anderen."
Der TAGESSPIEGEL bemüht sich um die ausländische Perspektive. Matthias Thibaut hat in London Anne Webber vom Zentralregister für Raub- und Beutekunst befragt.
"Die Menschen fragen sich, warum diese Werke nicht zurückgegeben wurden, warum so viele Werke nicht erforscht wurden, obwohl sich Deutschland vor 15 Jahren dazu verpflichtet hat."
Diese Frage stellt sich auch die BERLINER ZEITUNG, denn sie titelt hämisch: Fall Gurlitt: Bundesregierung gibt sich tatkräftig, und zitiert Regierungssprecher Steffen Seibert:
"Wir bemühen uns, dieser Verantwortung gerecht zu werden.
Gott ja, wir bemühen uns.
Es gibt noch andere Versager. Die WELT macht zum Thema, dass die USA zwar – wie sie sagen – an die UNESCO glauben, aber ihre Beiträge nicht zahlen wollen. Weil Palästina in der UNESCO vertreten ist und die USA sich vor langer Zeit verpflichtet haben, keine Organisation zu unterstützen, welche Palästina aufnimmt. So haben sie sich selbst aus der wichtigsten Weltkulturorganisation herauskatapultiert. Da der UNESCO das Geld ausgeht, springen Saudi-Arabien und Katar ein, aber – so Werner Bloch:
"Hier gilt die alte Regel: Wer zahlt, bestimmt die Musik."
Bloch fürchtet den Untergang einer sehr wichtigen Institution:
"Sie war gedacht als soziales und kulturelles Korrektiv in einer immer mehr ökonomisierten Welt. Ob sie das bleiben kann, ist angesichts der jüngsten Planung höchst fragwürdig."
Womit wir fast wieder bei Tom Buhrow und seiner Personalpolitik wären – auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk sollte ein Korrektiv sein zu einer durchökonomisierten Gesellschaft. Wir orientieren uns an der WELT und denken: Ob er das bleiben kann, ist angesichts der jüngsten Planung des noch jungen Intendanten höchst fragwürdig.