Josef Špacek, Violine
Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin
Leitung: Jakub Hrůša
Märchen auf Tschechisch
Mit einem Sommermärchen kann Josef Suk seine Trauerarbeit beschließen. Den Verlust über seine Frau verarbeitet er in impressionistischen Tönen, die doch zutiefst im böhmischen Idiom haften. Dazu erklingt das Violinkonzert seines Schwiegervaters Antonín Dvořák.
Musikstücke von Antonín Dvořák und Josef Suk sind an diesem Abend zusammengespannt - zwei Komponisten, die auch verwandtschaftlich verbunden waren. Suk hatte als Schüler und enger Vertrauter Dvořáks seine Tochter Ottilie kennen gelernt. Sie wurden ein Paar und heirateten. Antonin Dvořák war also der Schwiegervater von Josef Suk.
Guter Geiger gesucht
Antonín Dvořák hat jeweils ein Solokonzert komponiert, das für das Cello ist sein bekanntestes, darüber hinaus gibt es eines für die Violine und eines für Klavier. Das Violinkonzert ist das mittlere der Solokonzerte. Es entstand zwischen 1879 und 1882. Der Verleger Fritz Simrock hatte es regelrecht bestellt bei ihm und auch die Koordinaten gesetzt: "Originell, kantilenenreich und für gute Geiger" sollte es sein. Es lag dann wohl in Dvořáks Natur, diese Vorgabe nicht als verlegerische Herablassung zu empfinden, sondern zugleich nach einem passenden Geiger für sein Werk zu suchen. Schließlich nahm er Kontakt zum "Geigenpapst" der Zeit auf, zu Joseph Joachim.
Brahms im Ohr
Ein großes Vorbild fand er in seinem Mentor Johannes Brahms, der ebenfalls ein Violinkonzert für Joseph Joachim komponiert hatte. Brahms war schließlich auch derjenige, der einst den Kontakt zum Verleger Simrock hergestellt hatte. Auch wenn Brahms als kompositorischer Impulsgeber gelten kann, ist das Violinkonzert doch ein ganz typischer Dvořák.
Eine weitere Frage kommt beim Hören auf: Ist das Werk ein klares Solokonzert oder eher ein Konzert, das zur Sinfonie neigt? Also ist es eher als Sinfonie mit obligater Geige gedacht? Der Geiger Joachim hatte sich in den Schaffensprozess kräftig eingemischt und genau diesen Punkt kritisiert: Zu viel Orchester, zu wenig Spielraum für die Geige.
Dvořák reagierte sofort und schickte eine revidierte Version an den Geiger zurück. Doch Joachim ignorierte das Entgegenkommen und nahm Abstand von der Uraufführung. Er überließ das Werk einem tschechischen Kollegen: František Ondříček. Auch in dieser Aufführung in unserer Zeit liegt das Werk in tschechischen Händen. Es spielt der 1986 in Třebíč geborene Geiger Josef Špacek.
Ein Märchen gegen die Trauer
"Ein Sommermärchen" - wie leicht und heiter dieser Titel klingt! Doch für den im Grunde lebensfrohen Komponisten Josef Suk war es ein gewaltiges Stück Trauerarbeit nach dem Tod seines verehrten Schwiegervaters Antonín Dvořák. Kurz darauf starb auch noch seine geliebten Frau Ottilie. Das alles spiegelt sich in der zutiefst dunklen "Asrael"-Sinfonie, die er gerade schrieb. Die Trauerarbeit setzte er in "Pohádka léta", dem Sommermärchen op. 29, fort. Nur in scheinbar sonnig-entspannterer Klangmalerei. Stimmungsvoll geht es wohl zu, jedoch in einem psychologisch viel anspruchsvolleren Sinne, als es der Titel suggeriert.
Auf dem Weg ins 20. Jahrhundert
Das ca. 45 Minuten dauernde Werk steht auf einer Stufe mit jener Musik des frühen 20. Jahrhunderts, in deren Umfeld es 1907 bis 1909 entstand, komponiert von Mahler, Debussy, Strauss und Skrjabin. Dabei erweist sich Josef Suk einerseits als ein unverkennbar volksverbundener böhmischer Musikant wie Dvořák, andererseits als ein exzellenter Klangvirtuose, dessen impressionistische Zaubereien eine ganz eigene Qualität besitzen, die bisher hierzulande kaum anerkannt wurde.
Aufzeichnung des Konzertes vom 26. Januar 2020 in der Philharmonie Berlin
Antonín Dvořák
Konzert für Violine und Orchester a-Moll op. 53
Konzert für Violine und Orchester a-Moll op. 53
Josef Suk
"Pohádka léta - Ein Sommermärchen"
Sinfonisches Poem für großes Orchester op. 29
"Pohádka léta - Ein Sommermärchen"
Sinfonisches Poem für großes Orchester op. 29