Ruhmsucht - notwendiges Laster der Republik

Von Claus Koch |
Ruhmsucht ist in der Republik ein notwendiges Laster. Ruhm kann nur der Täter erwerben, der ein hohes Risiko eingeht, der für seine Person aufs Ganze geht. Dazu muss er Macht gewinnen, die er anderen abnimmt. Seine Tat und ihr Risiko sind für die Republik unentbehrlich. Denn sie kann nicht stillstehen, muss expandieren. Fürsten und Funktionäre können heute schwerlich nach Ruhm streben, sie verdanken ihre Macht als Amtsmacht anderen Instanzen.
Sie können nicht anderen die Macht entwinden - wie der Täter, der um des Ruhmes willen die eigene Haut riskiert. Ruhm erhält nur der, der ihn ungeteilt dem eigenen Wagemut verdanken will, was selten ohne Gewalttätigkeit abgeht. Der von Ruhm Gekrönte wird am Ende untergehen, das kann er voraussehen. Die Zwerge werden ihn zu Fall bringen. Der bloß Tüchtige, der Hervorragendes leistet, mag angesehen sein, den Siegerkranz des Ruhmes wird er nicht erhalten. Er kann nicht tief genug fallen.

Kanzler Schröder, der ein Ruhmsüchtiger ist und dieses auch bekennt, zieht sich deswegen keine Vorwürfe vom Volk zu. Er braucht Ruhm und Macht, sie sind das Zentrum seiner Leidenschaft. In einer Demokratie, deren Bewohner in allen Dingen kaufmännisch denken, muss er freilich Nachweisbares bringen. Gelingt ihm dies, so kann ihm niemand seinen Ruhm neiden, weil kein anderer gleich ihm seine kleine Macht aufs Spiel setzen würde. Das macht den Kanzler bei den Funktionären und beim politischen Mehrheitsmittelmass unbeliebt. Einen brennenden Ehrgeiz, zum Ruhm zu gelangen und die eigene Person dafür einzusetzen, zeigt heute keiner seiner politischen Gegner. Deswegen wird der Kanzler noch in seinem Fall der Überlegene bleiben. Bismarck, der Pilot, der von Bord geht, ist sein Held.

Schröders früherer Vorgänger, Konrad Adenauer, war nicht ruhmsüchtig, er war nur machtgierig. Weil er die Macht in der Hand behalten und mit ihr nicht spielen wollte, konnte er auf den Ruhm, der immer anfällig macht, gerne verzichten. Er war freilich, als er zur höchsten Macht kam, schon ein sehr alter Mann, der das laute Lob der Massen und der Höflinge leicht entbehren konnte. Er verachtete die Medien, und das bekam ihm gut. Dafür konnte er still die Wege der Macht und das Scheitern der nur Ehrgeizigen genießen. Auf die Beliebtheit beim Volk kam es ihm nicht an. Prominenz war ihm verächtlich.

Eine Figur wie Adenauer ist für die heutigen Zeitgenossen, die den Weg nach oben durch die Prominenz, also durch die Mediengunst machen müssen, ganz unverständlich. Sie können sich die Leidenschaft zum Ruhm nicht leisten. Dazu müssten sie sich auf Distanz zu den Medien halten. Die Medien wollen nur die Person und ihr Bild, ihre Verhaltensweisen. Und sie wollen vor allem eines nicht: Eine eigene Sprache. Die Prominenten, die sich von den Medien prominent machen lassen, sprechen daher so ausgewaschen wie die Journalisten. Und die können heute für die eigene Person nicht auf Ruhm zielen, sie möchten höchstens ein wenig prominent sein. Aber nicht allzu viel, um in der Talkshow die Teilnehmer nicht durch Brillanz zu irritieren.

Die Begriffe, in denen hier von der Ruhmsucht in der Politik gesprochen wird, haben nur noch einen schwachen Klang: Laster, Leidenschaft, Tugend, Untergang, Siegerkranz - dafür haben die Wirtschaftsbürger in der beruhigten, etwas apathischen Demokratie kein Gehör mehr. Gerade in Deutschland ist für Ruhmsucht wenig Raum, auch kein Schallraum. Nicht nur in den Aufbaujahrzehnten der grenzenlosen Anpassungsbereitschaft war es nicht gut, sich Ehrgeiz oder gar politische Leidenschaft zuschreiben zu lassen. Ehrgeiz, das klingt auch heute noch bei vielen nach krummen Wegen, Intrige, Wegstoßen. Bei den Deutschen sind Leute die besonders Nützliches hervorbringen, sehr geschätzt. Aber die Leute sehen es schnell mit Missgunst, wenn der gute Macher Ehrgeiz demonstriert. Er will sich über sie erheben, das macht ihn verdächtig. Das Wort, gar das Lob des Ruhmes, kommt in der Alltagssprache der Deutschen nicht vor. Den meisten fehlen die Worte zum Rühmen, schon beim ganz einfachen Loben fühlen sie sich nicht wohl. Der Ruhmvolle, der angemessene Würdigung verlangt, ist zu anstrengend. Zum Feiern des Sporthelden, der zur Prominenz und ihrer Vergänglichkeit gehört, braucht es keine Ruhmesworte. Man drängelt sich nur um ihn.

Der Ruhm aber fordert Respekt ab. Und das heißt auch, dass man sich dem Gerühmten verpflichtet fühlen müsste. Wer Ruhm genießt, lehrt die vielen, die niemals so weit kommen, immer auch ein wenig das Fürchten. Das ist richtig so. Wer den Ruhm trägt, kann kaum der Träger der Versöhnung sein. Ja, er muss sogar die alten Solidaritäten aufschrecken, muss stören. Der politischen Demokratie kann es nicht gut tun, wenn sich niemand meldet, den es zum Ruhm drängt, der um des Ruhmes willen die Langsamen und die Trägen umrennen kann. Da ist etwas faul in Deutschland.

Claus Koch, in München geboren, studierte Philosophie, Ökonomie und Geisteswissenschaften und war zunächst in einem Wirtschaftsverlag tätig. Seit 1959 arbeitet er als freier Journalist für Presse und Rundfunk, seit 2003 gestaltet er den Mediendienst "Der neue Phosphorus". In den sechziger Jahren redigierte Koch die Monatszeitschrift "atomzeitalter", später war er Mitherausgeber und Redakteur der Zeitschrift für Sozialwissenschaft "Leviathan" und Mitarbeiter mehrerer sozialwissenschaftlichen Forschungsprojekte. Zu seinen Buchveröffentlichungen zählen "Ende der Natürlichkeit - Streitschrift zur Biotechnik und Biomoral", "Die Gier des Marktes - Die Ohnmacht des Staates im Kampf der Weltwirtschaft" und "Das Ende des Selbstbetrugs - Europa braucht eine Verfassung".