Rüde, ironisch und empfindsam
In Israel ist Alona Kimhi ein Star. Zwar steht sie schon lange nicht mehr als Schauspielerin auf der Bühne, aber man erinnert sich an ihr Gesicht, denn sie hat auch in Fernsehserien gespielt. Ihre Romane "Die weinende Susannah" und "Lilly die Tigerin" wurden Besteller. Sie erhält Preise und schreibt weiter, weil die Literatur, wie sie sagt, Ordnung in ihr Leben bringt. Heute beginnt Alona Kimhi eine Lesreise durch vier deutsche Städte.
Hoch gewachsen ist sie, feingliedrig. Blondiertes, langes Haar, eine Zigarette im Mund. Rein äußerlich ist Alona Kimhi das Gegenteil der Heldin ihres neuesten Romans. Lilly ist 112 Kilo schwer: ein vitaler, selbstbewusster Koloss. Lilly geht auf Männerjagd, wenn sie Sex braucht. Weil sie die allumfassende Liebe, nach der sie im Innersten verlangt, nicht findet, mutiert sie, unterstützt von zwei ungleichen Freundinnen, schließlich zu einer Tigerin. Das Animalische in ihr bleibt die alles verändernde Macht.
"”Das Buch handelt von der sagenhaften Kraft schwesterlichen Verhaltens. Ich wüsste nicht, wie ich ohne meine Freundinnen klar gekommen wäre. Jede Frau findet ihren eigenen Weg, in dieser Welt zu überleben, aber ernsthaft: Ohne Freundinnen gäbe es mich schon nicht mehr.""
Alona Kimhi liebt die Extreme, im Leben wie in der Literatur. Sie schreibt politisch unkorrekt; verspottet das machohafte Auftreten von Männern, die bevormundende Fürsorglichkeit älterer Generationen, das Nutzdenken der Neueinwanderer.
In der Rock- und Popszene der 90er Jahre war sie zuhause. Für ihre Freundin Inad Perlmutter, die die legendäre Frauenrockband Ha-Mechashefot gründete und mit 26 Jahren tödlich verunglückte, hat sie den Song "Soviel Licht, wie Du ertragen kannst" geschrieben. Alona Kimhis Mann, der Gitarrist und Musikproduzent Izhar Ashdot, hat den Text vertont.
Alona Kimhis Freundin war heroinsüchtig. Drogen, erzählt sie, kamen unkontrolliert erst in den 90er Jahren ins Land. Zeitgleich mit der großen Welle sowjetischer Juden. Einige schufen mafiöse Strukturen für den Handel mit Prostituierten und Waisenkindern. Auch auf diese Wunde legt Alona Kimhi den Finger in ihrem Roman "Lilly die Tigerin". Gnadenlos sarkastisch. Sie selbst wanderte 1972, im Alter von sechs Jahren, mit Mutter und Geschwistern aus der Ukraine ein. Ein abgeschlossenes Kapitel. Nie wieder will sie dorthin zurück.
"Meine Mutter fing vor acht oder zehn Jahren an, dorthin zu reisen. Sie besuchte alte Freunde. Jedes Mal sagt sie, dass sie nicht mehr dorthin fahren will, aber sie kann es nicht lassen."
Weil die Emigration aus der Ukraine den größten Bruch in Alona Kimhis Leben markierte, fürchtete sie später nie mehr, neue Wege zu beschreiten, gegebenenfalls auch Karrieren abzubrechen. Sie war Schauspielerin. Gut, aber nicht gut genug, meint sie.
Von einem Tag auf den anderen hat sie Anfang der 90er mit sechsundzwanzig die Bühne verlassen, jahrelang hauptsächlich journalistisch gearbeitet und angefangen, Songs für Rockbands zu texten. Bis sie merkte, dass sie in der Literatur viel weiter gehen und mehr geben kann. Ihren Durchbruch als Erzählerin hatte Kimhi 1999 mit dem Roman "Die weinende Susannah" - die Geschichte einer hochneurotischen Frau. Das Buch wurde in zehn Sprachen übersetzt und erhielt einen der höchsten israelischen Literaturpreise.
"Ich bin ein Wesen, das in seiner Grube sitzt und Leute belauert, mit scharfem Blick nach Anzeichen von Bosheit sucht. Bescheidenheit, Hässlichkeit. (...) Liebe oder Hass. Dinge, die gewichtig sind. Unbändig.. Und wozu brauche ich das alles? Ganz einfach: Weil ich sonst einschlafen würde. Deshalb sitze ich in meiner Grube und spreche Urteil: Dem da sei ein langes süßes Leben bestimmt! Dem da ein qualvoller Tod und der Hohn der Menge! Köpft ihn!"
Alona Kimhi selbst lebt inzwischen ein geordnetes Leben mit Mann und achtjährigem Sohn. Von Zeit zu Zeit aber spürt sie das Bedürfnis, in der Menge abzutauchen. Dann zieht sie nachts allein durch Clubs, spricht Leute an, beobachtet Männer und hört zu.
"Es gibt einen tiefen Frauenhass, der Männern anerzogen wird. Mich fasziniert das. (...) Sie hassen Frauen nicht, weil diese erfolgreich sind. Das sitzt tiefer. Da brechen prähistorische Schichten der menschlichen Psyche auf. Aber Psychologie interessiert mich nicht mehr. (...) Ich will sehen, wo jemand sich für das Gute entscheidet oder für das Böse."
Alona Kimhi schaut auf Taten. Für Melancholie, die sie in ihrer Kindheit aufgesogen hat, ist in ihrer Literatur kein Platz. Die Betriebsamkeit der Stadt Tel Aviv liegt ihr. Mal an einem anderen Ort zu leben, war lange undenkbar. Jetzt gelingt der Sprung aus anderen Gründen nicht.
"Das Gefühl allgemeiner Unsicherheit, das zu unserem Grundgefühl hier gehört, sich aber nach dem letzten Krieg noch verstärkt hat, macht einen entsetzlich müde. Es höhlt einen mental aus. Ich fühle mich so erschöpft, dass ich nicht mal genug Leidenschaft aufbringen kann, für eine Weile ins Ausland zu gehen."
Alona Kimhi ist einen langen Weg gegangen, vom glamourösen Partygirl zur etablierten Schriftstellerin. Nur an den Oberarmen sind noch Spuren ihrs exzessiven Lebens zu sehen.
"”Sie bedeuten gar nichts. Irgendwie mag ich diesen trashigen Touch. Die Tätowierungen sind wie Wunden, wie Kerben, mit denen man zu leben lernt.""
"”Das Buch handelt von der sagenhaften Kraft schwesterlichen Verhaltens. Ich wüsste nicht, wie ich ohne meine Freundinnen klar gekommen wäre. Jede Frau findet ihren eigenen Weg, in dieser Welt zu überleben, aber ernsthaft: Ohne Freundinnen gäbe es mich schon nicht mehr.""
Alona Kimhi liebt die Extreme, im Leben wie in der Literatur. Sie schreibt politisch unkorrekt; verspottet das machohafte Auftreten von Männern, die bevormundende Fürsorglichkeit älterer Generationen, das Nutzdenken der Neueinwanderer.
In der Rock- und Popszene der 90er Jahre war sie zuhause. Für ihre Freundin Inad Perlmutter, die die legendäre Frauenrockband Ha-Mechashefot gründete und mit 26 Jahren tödlich verunglückte, hat sie den Song "Soviel Licht, wie Du ertragen kannst" geschrieben. Alona Kimhis Mann, der Gitarrist und Musikproduzent Izhar Ashdot, hat den Text vertont.
Alona Kimhis Freundin war heroinsüchtig. Drogen, erzählt sie, kamen unkontrolliert erst in den 90er Jahren ins Land. Zeitgleich mit der großen Welle sowjetischer Juden. Einige schufen mafiöse Strukturen für den Handel mit Prostituierten und Waisenkindern. Auch auf diese Wunde legt Alona Kimhi den Finger in ihrem Roman "Lilly die Tigerin". Gnadenlos sarkastisch. Sie selbst wanderte 1972, im Alter von sechs Jahren, mit Mutter und Geschwistern aus der Ukraine ein. Ein abgeschlossenes Kapitel. Nie wieder will sie dorthin zurück.
"Meine Mutter fing vor acht oder zehn Jahren an, dorthin zu reisen. Sie besuchte alte Freunde. Jedes Mal sagt sie, dass sie nicht mehr dorthin fahren will, aber sie kann es nicht lassen."
Weil die Emigration aus der Ukraine den größten Bruch in Alona Kimhis Leben markierte, fürchtete sie später nie mehr, neue Wege zu beschreiten, gegebenenfalls auch Karrieren abzubrechen. Sie war Schauspielerin. Gut, aber nicht gut genug, meint sie.
Von einem Tag auf den anderen hat sie Anfang der 90er mit sechsundzwanzig die Bühne verlassen, jahrelang hauptsächlich journalistisch gearbeitet und angefangen, Songs für Rockbands zu texten. Bis sie merkte, dass sie in der Literatur viel weiter gehen und mehr geben kann. Ihren Durchbruch als Erzählerin hatte Kimhi 1999 mit dem Roman "Die weinende Susannah" - die Geschichte einer hochneurotischen Frau. Das Buch wurde in zehn Sprachen übersetzt und erhielt einen der höchsten israelischen Literaturpreise.
"Ich bin ein Wesen, das in seiner Grube sitzt und Leute belauert, mit scharfem Blick nach Anzeichen von Bosheit sucht. Bescheidenheit, Hässlichkeit. (...) Liebe oder Hass. Dinge, die gewichtig sind. Unbändig.. Und wozu brauche ich das alles? Ganz einfach: Weil ich sonst einschlafen würde. Deshalb sitze ich in meiner Grube und spreche Urteil: Dem da sei ein langes süßes Leben bestimmt! Dem da ein qualvoller Tod und der Hohn der Menge! Köpft ihn!"
Alona Kimhi selbst lebt inzwischen ein geordnetes Leben mit Mann und achtjährigem Sohn. Von Zeit zu Zeit aber spürt sie das Bedürfnis, in der Menge abzutauchen. Dann zieht sie nachts allein durch Clubs, spricht Leute an, beobachtet Männer und hört zu.
"Es gibt einen tiefen Frauenhass, der Männern anerzogen wird. Mich fasziniert das. (...) Sie hassen Frauen nicht, weil diese erfolgreich sind. Das sitzt tiefer. Da brechen prähistorische Schichten der menschlichen Psyche auf. Aber Psychologie interessiert mich nicht mehr. (...) Ich will sehen, wo jemand sich für das Gute entscheidet oder für das Böse."
Alona Kimhi schaut auf Taten. Für Melancholie, die sie in ihrer Kindheit aufgesogen hat, ist in ihrer Literatur kein Platz. Die Betriebsamkeit der Stadt Tel Aviv liegt ihr. Mal an einem anderen Ort zu leben, war lange undenkbar. Jetzt gelingt der Sprung aus anderen Gründen nicht.
"Das Gefühl allgemeiner Unsicherheit, das zu unserem Grundgefühl hier gehört, sich aber nach dem letzten Krieg noch verstärkt hat, macht einen entsetzlich müde. Es höhlt einen mental aus. Ich fühle mich so erschöpft, dass ich nicht mal genug Leidenschaft aufbringen kann, für eine Weile ins Ausland zu gehen."
Alona Kimhi ist einen langen Weg gegangen, vom glamourösen Partygirl zur etablierten Schriftstellerin. Nur an den Oberarmen sind noch Spuren ihrs exzessiven Lebens zu sehen.
"”Sie bedeuten gar nichts. Irgendwie mag ich diesen trashigen Touch. Die Tätowierungen sind wie Wunden, wie Kerben, mit denen man zu leben lernt.""