"Rückwärtsrolle bei der Agenda 2010"
Die wirtschaftspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Dagmar Wöhrl, hat Verlängerung der Zahlung von Arbeitslosengeld I an ältere Arbeitslose als Wahlkampfmanöver der Bundesregierung kritisiert. Die Änderung markiere eine Rückwärtsrolle bei der Agenda 2010, sagte Wöhrl.
Sagenschneider: Das gerade im Entstehen begriffene Linksbündnis aus PDS und WASG wird schon dafür sorgen, dass Hartz IV ein zentrales Wahlkampfthema wird. Das weiß natürlich auch die SPD und versucht vorzubeugen mit Änderungen an der Arbeitsmarktreform, die erst seit einem halben Jahr in Kraft ist. Die Grünen machen tapfer mit und so hat die Koalition in rasantem Tempo eine Novelle in den Bundestag eingebracht und will heute beschließen, die Regelung zur Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I, das sich ja am letzten Einkommen orientiert, zu verlängern. Zurzeit können ältere Arbeitslose bis zu 32 Monate lang Arbeitslosengeld I beziehen, bevor die dann auf das Niveau des Arbeitslosengeldes II abrutschen. Ab 2006 soll sich das ändern, dann würde sich die Bezugsdauer für Arbeitslosengeld I für über 55-Jährige auf 18 Monate reduzieren. Nun will die rot-grüne Koalition die aktuelle Regelung bis 2008 erhalten. Der Zustimmung der Opposition bedarf das nicht, aber die kann mit Verfahrenstricks das Gesetz im Bundesrat blockieren. Dagmar Wöhrl gehört der Opposition an, genauer gesagt der CSU, und sie ist wirtschaftspolitische Sprecherin der Unionsfraktion im Bundestag, guten Morgen.
Wöhrl: Guten Morgen.
Sagenschneider: Sie werden es wohl auch blockieren, oder?
Wöhrl: Ja gut, das werden wir sehen, aber man muss sich das Gesetz genau anschauen und auch sehen, was ist eigentlich mit dem Gesetz angedacht und in unseren Augen ist es ein reines Wahlkampfmanöver, was hier gemacht wird, es wird eine vollständige Rückwärtsrolle der Agenda 2010 auf den Weg gebracht, also man beschließt das totale Gegenteil von dem, was man erst einige Wochen vorher beschlossen hat, also ein reines Wahlkampfmanöver, ein Zugeständnis an die Linken, das immens viel Geld kostet.
Sagenschneider: Nun hat die Union auf der anderen Seite doch selbst gesagt, was die älteren Arbeitslosen anbelangt, müsse man doch noch mal etwas tun und neu nachdenken.
Wöhrl: Das sind die alten Gedanken, die man früher gehabt hat mit der Frühverrentung. Das wurde ja zu unser Zeit noch eingeführt, das muss man ganz offen und ehrlich sagen, zu Blüm-Zeiten, aber man hat die Erfahrung gemacht in der Praxis, dass sich vor allem die Großunternehmen hier vollständig freikaufen zulasten der kleineren, mittleren Betriebe, der Beitragszahler und hier jetzt wieder zu dem alten System, es ist ja sozusagen eine Rückkehr zur Frühverrentung, ist der falsche Weg. Wir müssen schauen, dass wir die älteren Arbeitnehmer versuchen, in den Betrieben zu halten. Das ist ein unwahrscheinliches Potential, was wir haben, und wir werden sie in den nächsten Jahren dringend nötig brauchen, vor allem auch auf unsere Geburtenwelle, die wir haben. Sie jetzt so aufs Abstellgleis zu schieben, ist der vollständig falsche Weg.
Sagenschneider: Was ich nicht ganz verstehe: Es gibt doch einen Vorschlag Ihres CDU-Kollegen, der sagt, man sollte die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I davon abhängig machen, wie lange jemand in die Sozialversicherung einbezahlt hat, was ja im Prinzip auf ähnliches hinauslaufen würde.
Wöhrl: Nein, es ist ein ganz großer Unterschied, weil man hier diskutiert: wenn jemand 40 Jahre lang seine Beiträge bezahlt hat in die Arbeitslosenversicherung, dass es ein Unterschied ist, wenn jemand ein Jahr einbezahlt hat und dass man hier auch differenzieren sollte, während Rot-Grün ja nur ans Alter angrenzt, sozusagen man bekommt hier sein Arbeitslosengeld I und geht dann in die Frühverrentung über. Man steht dann also überhaupt nicht mehr im Arbeitsmarkt drin.
Sagenschneider: Wer aber 40 Jahre eingezahlt hat, sammelt eine Menge an. Von welchen Zeiträumen reden wir denn da, wir reden ja auch von älteren Arbeitnehmern dann, mit 20 kann man das nicht angehäuft haben.
Wöhrl: Auch wir müssen das erstmal durchrechnen. Man kann nicht jetzt einfach so Wahlgeschenke verteilen, wie es Rot-Grün macht. Man verspricht jetzt alle möglichen Wohltaten, das lässt sich natürlich leicht versprechen, wenn abzusehen ist, dass man sie vielleicht auch nicht mehr bezahlen muss. Das ist nicht der richtige Weg und diese Ehrlichkeit, die wir uns eigentlich vorstellen.
Sagenschneider: Es gibt nicht noch ein zweites Versprechen, aber zumindest wird darüber nachgedacht auf Seiten der SPD, das Arbeitslosengeld II in den neuen Ländern auf Westniveau anzuheben, noch gibt es einen Unterschied von 14 Euro, 331 Euro pro Monat im Osten, 345 im Westen. Könnten Sie dich denn damit anfreunden?
Wöhrl: In der momentanen Situation nicht, man soll es so lassen, wie es ist. Es waren alles gute Gedanken, warum man es so entscheiden hat. Auf lange Sicht muss natürlich eine Angleichung kommen, das ist überhaupt kein Thema.
Sagenschneider: Der Hartz-IV-Ombudsrat plädiert natürlich für die Angleichung, weil er weiß, dieser Unterschied schafft ordentlich Verdruss, viele fragen nicht zu Unrecht, sind wir hier im Osten weniger wert als im Westen?
Wöhrl: Sicher haben sie Recht, aber man muss die ganze finanzielle Situation sehen, es gibt halt immer noch die Unterschiede hier, aber wie gesagt, wir streben hier die Angleichung an. Aber alles zu seiner Zeit.
Sagenschneider: Wie schätzen Sie denn jetzt nach einem halben Jahr überhaupt die Wirkung von Hartz IV ein?
Wöhrl: Es ist leider verpufft, muss man ehrlich sagen. Wir erinnern uns alle noch, 2002 die großen Proklamationen, Hartz IV der Retter der Beschäftigung und heute muss man sagen, es hat leider nicht erfüllt, was es versprochen hat. Wir müssen hier eine Effizienzkontrolle machen der aktiven Arbeitsmarktpolitik, vor allem die Bundesagentur muss schauen, dass sie wieder auf das Kernthema zurückgeführt wird, was sie eigentlich tun sollte, nämlich Vermittlung, wir müssen hier wirklich auch zu einer Neuordnung auch der Arbeitslosenversicherung kommen. Die Agentur muss sich endlich wieder auf ihre Kernaufgaben hier zukünftig konzentrieren, sie ist ja für alles Mögliche zuständig gemacht worden, deshalb wird sie immer weniger kompetent und effektiv. Sie ist inzwischen zuständig für Schule, Nachholen des Hochschulabschlusses, Suchtberatung, Familienkassen, sozialpädagogische Beratung und jetzt auch noch durch die Agenda 2010 zuständig für viele Sozialhilfeempfänger und das ist nicht mehr zu bewältigen. Sie ist größer als je zuvor. Wenn Sie hier noch die Mitarbeiter der Arbeitsgemeinschaft dazuzählen, ist es inzwischen ein Koloss von 106.000 Mitarbeitern. Wie will man sich da auf seine Kernaufgaben konzentrieren, nämlich der Vermittlung von Menschen?
Wöhrl: Guten Morgen.
Sagenschneider: Sie werden es wohl auch blockieren, oder?
Wöhrl: Ja gut, das werden wir sehen, aber man muss sich das Gesetz genau anschauen und auch sehen, was ist eigentlich mit dem Gesetz angedacht und in unseren Augen ist es ein reines Wahlkampfmanöver, was hier gemacht wird, es wird eine vollständige Rückwärtsrolle der Agenda 2010 auf den Weg gebracht, also man beschließt das totale Gegenteil von dem, was man erst einige Wochen vorher beschlossen hat, also ein reines Wahlkampfmanöver, ein Zugeständnis an die Linken, das immens viel Geld kostet.
Sagenschneider: Nun hat die Union auf der anderen Seite doch selbst gesagt, was die älteren Arbeitslosen anbelangt, müsse man doch noch mal etwas tun und neu nachdenken.
Wöhrl: Das sind die alten Gedanken, die man früher gehabt hat mit der Frühverrentung. Das wurde ja zu unser Zeit noch eingeführt, das muss man ganz offen und ehrlich sagen, zu Blüm-Zeiten, aber man hat die Erfahrung gemacht in der Praxis, dass sich vor allem die Großunternehmen hier vollständig freikaufen zulasten der kleineren, mittleren Betriebe, der Beitragszahler und hier jetzt wieder zu dem alten System, es ist ja sozusagen eine Rückkehr zur Frühverrentung, ist der falsche Weg. Wir müssen schauen, dass wir die älteren Arbeitnehmer versuchen, in den Betrieben zu halten. Das ist ein unwahrscheinliches Potential, was wir haben, und wir werden sie in den nächsten Jahren dringend nötig brauchen, vor allem auch auf unsere Geburtenwelle, die wir haben. Sie jetzt so aufs Abstellgleis zu schieben, ist der vollständig falsche Weg.
Sagenschneider: Was ich nicht ganz verstehe: Es gibt doch einen Vorschlag Ihres CDU-Kollegen, der sagt, man sollte die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I davon abhängig machen, wie lange jemand in die Sozialversicherung einbezahlt hat, was ja im Prinzip auf ähnliches hinauslaufen würde.
Wöhrl: Nein, es ist ein ganz großer Unterschied, weil man hier diskutiert: wenn jemand 40 Jahre lang seine Beiträge bezahlt hat in die Arbeitslosenversicherung, dass es ein Unterschied ist, wenn jemand ein Jahr einbezahlt hat und dass man hier auch differenzieren sollte, während Rot-Grün ja nur ans Alter angrenzt, sozusagen man bekommt hier sein Arbeitslosengeld I und geht dann in die Frühverrentung über. Man steht dann also überhaupt nicht mehr im Arbeitsmarkt drin.
Sagenschneider: Wer aber 40 Jahre eingezahlt hat, sammelt eine Menge an. Von welchen Zeiträumen reden wir denn da, wir reden ja auch von älteren Arbeitnehmern dann, mit 20 kann man das nicht angehäuft haben.
Wöhrl: Auch wir müssen das erstmal durchrechnen. Man kann nicht jetzt einfach so Wahlgeschenke verteilen, wie es Rot-Grün macht. Man verspricht jetzt alle möglichen Wohltaten, das lässt sich natürlich leicht versprechen, wenn abzusehen ist, dass man sie vielleicht auch nicht mehr bezahlen muss. Das ist nicht der richtige Weg und diese Ehrlichkeit, die wir uns eigentlich vorstellen.
Sagenschneider: Es gibt nicht noch ein zweites Versprechen, aber zumindest wird darüber nachgedacht auf Seiten der SPD, das Arbeitslosengeld II in den neuen Ländern auf Westniveau anzuheben, noch gibt es einen Unterschied von 14 Euro, 331 Euro pro Monat im Osten, 345 im Westen. Könnten Sie dich denn damit anfreunden?
Wöhrl: In der momentanen Situation nicht, man soll es so lassen, wie es ist. Es waren alles gute Gedanken, warum man es so entscheiden hat. Auf lange Sicht muss natürlich eine Angleichung kommen, das ist überhaupt kein Thema.
Sagenschneider: Der Hartz-IV-Ombudsrat plädiert natürlich für die Angleichung, weil er weiß, dieser Unterschied schafft ordentlich Verdruss, viele fragen nicht zu Unrecht, sind wir hier im Osten weniger wert als im Westen?
Wöhrl: Sicher haben sie Recht, aber man muss die ganze finanzielle Situation sehen, es gibt halt immer noch die Unterschiede hier, aber wie gesagt, wir streben hier die Angleichung an. Aber alles zu seiner Zeit.
Sagenschneider: Wie schätzen Sie denn jetzt nach einem halben Jahr überhaupt die Wirkung von Hartz IV ein?
Wöhrl: Es ist leider verpufft, muss man ehrlich sagen. Wir erinnern uns alle noch, 2002 die großen Proklamationen, Hartz IV der Retter der Beschäftigung und heute muss man sagen, es hat leider nicht erfüllt, was es versprochen hat. Wir müssen hier eine Effizienzkontrolle machen der aktiven Arbeitsmarktpolitik, vor allem die Bundesagentur muss schauen, dass sie wieder auf das Kernthema zurückgeführt wird, was sie eigentlich tun sollte, nämlich Vermittlung, wir müssen hier wirklich auch zu einer Neuordnung auch der Arbeitslosenversicherung kommen. Die Agentur muss sich endlich wieder auf ihre Kernaufgaben hier zukünftig konzentrieren, sie ist ja für alles Mögliche zuständig gemacht worden, deshalb wird sie immer weniger kompetent und effektiv. Sie ist inzwischen zuständig für Schule, Nachholen des Hochschulabschlusses, Suchtberatung, Familienkassen, sozialpädagogische Beratung und jetzt auch noch durch die Agenda 2010 zuständig für viele Sozialhilfeempfänger und das ist nicht mehr zu bewältigen. Sie ist größer als je zuvor. Wenn Sie hier noch die Mitarbeiter der Arbeitsgemeinschaft dazuzählen, ist es inzwischen ein Koloss von 106.000 Mitarbeitern. Wie will man sich da auf seine Kernaufgaben konzentrieren, nämlich der Vermittlung von Menschen?