Rücktritte in der Demokratie

"Politische Positionen sind immer nur Positionen auf Zeit"

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hält zu Beginn der Sitzung des Bundeskabinetts im Bundeskanzleramt einen Blumenstrauß in der Hand. Der Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, Scheuer, bekam die Blumen zum Geburtstag.
Hat Angela Merkel den richtigen Zeitpunkt für den Abgang als Bundeskanzlerin verpasst? © picture alliance/dpa
Nils Diederich im Gespräch mit Liane von Billerbeck · 27.09.2018
Menschen in Machtpositionen falle es schwer, selbst zu bestimmen, wann sie ihr Amt loslassen sollten, sagt der Berliner Soziologe Nils Diederich. Wer aber geleistet habe, "was er leisten kann", sollte die Dinge geordnet hinterlassen.
Wann ist in einer Demokratie für einen Politiker die Zeit zum Rücktritt? Angesichts einer deutschen Kanzlerin, die seit knapp 13 Jahren - kontinuierlich und demokratisch gewählt - im Amt ist, kocht diese Frage immer wieder hoch. Seit Merkels Vertrauter Volker Kauder in dieser Woche nach 13 Jahren als Fraktionschef im Bundestag von der Unionsfraktion abgewählt wurde und ihm Ralph Brinkhaus nachfolgte, wird die "Kanzlerinnendämmerung" - mal wieder - auch von den Medien intensiv diskutiert.

Zeitpunkt selber bestimmen

Ideal für einen Rücktritt wäre der Punkt, an dem ein Politiker "den Zenit seiner Tätigkeit überschritten hat", meint der Berliner Soziologe Nils Diederich - wenn er "alles geleistet hat, was er leisten kann" und wenn der dann sein Amt niederlege und die Dinge geordnet hinterlasse, indem er einen Amtsnachfolger einführe. Diesen Rat gibt Diederich auch der Kanzlerin - auch wenn sie den besten Zeitpunkt für einen Rücktritt vielleicht schon verpasst habe.
Politiker zögen viel Befriedigung daraus, Dinge bewirken zu können. "Man hat Angst, man verliert den Einfluss", meint Diederichs:
"Ich kenne Politiker, die gesagt haben 'Ich habe noch so viel zu erledigen, ich habe noch dies und das zu bewirken', obwohl sie eigentlich das, was sie haben bewirken können, schon hinter sich hatten."
Dass sich Menschen an das Hergebrachte klammerten, sei sehr menschlich. Besser sei es aber zu lernen, "dass politische Positionen immer nur Positionen auf Zeit sind, und dass man den Zeitpunkt, wann man selber bestimmt, wann's zuende ist, sehr schnell verpassen kann." (huc)
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