Rückschlag für Sprengel Museum

Von Volkhard App · 03.08.2010
Der dringend benötigte Erweiterungsbau des Sprengel Museums in Hannover könnte erhebliche Probleme bekommen: Das Land Niedersachsen hat einen Teil seiner zugesagten Gelder aus dem nächsten Haushalt genommen.
Das war ein großer Augenblick in der Geschichte des Sprengel Museums. Zur Ausstellung "Marc, Macke und Delaunay” mit hervorragenden internationalen Leihgaben waren vor knapp einem Jahr 270.000 Besucher gekommen - ein Rekord in der Geschichte dieses Hauses. Da ließ es sich der damalige Ministerpräsident Christian Wulff nicht nehmen, höchstpersönlich auf der abschließenden Pressekonferenz zu erscheinen. Sichtlich angetan von der Publikums-Resonanz und der Qualität dieser Schau bestand für ihn kein Zweifel daran, dass der "kulturelle Leuchtturm” Sprengel Museum besonders zu fördern und weiterzuentwickeln sei:

"Wir haben so unendlich viele positive Rückmeldungen von Gästen aus dem In- und Ausland, dass es einfach gelingen muss, mit der Landeshauptstadt Hannover gemeinsam sowohl das Museum zu sanieren als auch den Erweiterungsbau zu finanzieren. Wir haben für die Sanierung die Hälfte der Kosten im Haushalt - 2,8 Millionen Euro - und für den Erweiterungsbau fünf Millionen in der mittelfristigen Finanzplanung vorgesehen, und dann sollen europäische Mittel hinzukommen. Und damit müsste es eigentlich gelingen, den Erweiterungsbau und die Sanierung zu finanzieren und im Laufe dieser Landtagsperiode abzuschließen."

Eine gute Botschaft aus den Höhen der Politik: nach jahrelanger Diskussion und mancher Verzögerung durch Haushaltsbedenken schien der dringend benötigte Erweiterungsbau unter Dach und Fach zu sein. Von Stadt und Land sollten zusammen zehn Millionen Euro kommen, zehn Millionen aus einem europäischem Topf und weitere fünf aus zusätzlichen Quellen - das finanzielle Fundament war solide gezimmert, so jedenfalls glaubte man damals.

Und mit dem Entwurf des Zürcher Architekten Marcel Meili war dann auch eine Lösung jenseits der bei Museen zuweilen üblichen Spektakel-Ästhetik gefunden - ein eher ruhig wirkender, funktionaler Bau, ein Quader mit viel Glas, der die bisherige Gebäudefront verlängert und innen Treffpunkte und Magazine bietet und vor allem der wunderbaren Sammlung eine schöne Raumfolge bei bestem Licht.

Denn große Teile dieser Kollektion fristen in dem 1979 eingeweihten und zuletzt 1992 erweiterten Haus am Maschsee ein eher ungünstiges Dasein bei künstlichem Licht, gerade in den recht engen Räumen des verwinkelten Untergeschosses. Der Bildhauer Ulrich Rückriem hat mal spöttisch von einer "Gruft” gesprochen.

Der Anbau war und ist dringlich, auch weil die Sammlung des Hauses unter der Ägide des Direktors Ulrich Krempel mächtig gewachsen ist. Die zahlreichen Kurt- Schwitters-Werke, Niki de Saint-Phalles umfangreiche Schenkung, all die Fotos, Installationen, grafischen Blätter und in die Depots verbannten Gemälde und Skulpturen verlangen nach einer angemessenen Präsentation.

Viele in Stadt und Land wussten oder ahnten es, dass unter den derzeitigen räumlichen Bedingungen das immense Kunstpotenzial des Museums nicht annähernd ausgeschöpft wird. Welche Korrespondenzen zwischen Bildern, Skulpturen und Installationen wären hier möglich, wie viel an alltäglicher Kunstbegegnung und wie viel Ausstrahlung nach außen - wofür sich besonders Politiker interessieren, die immer gern vom "Standortfaktor” sprechen. Mehr Raum also für Picasso und Beckmann, für Paul Klee und Max Ernst, so konnte man es überall hören.

Und dann kam am Wochenende die Sparklausur. Eine "Herkulesaufgabe" habe das Kabinett um den Ministerpräsidenten McAllister geschultert, ließ die Staatskanzlei verlauten. Aber man hat sich wohl vor allem einer gewissen Bürde entledigt. Einschnitte im sozialen und bildungspolitischen Bereich sind die Folge, und eben die vorübergehende Streichung von zwei Millionen Euro für den Anbau aus dem Haushalt - ohne dass man sich von dem Projekt verabschiedet hätte.

Die Stadt Hannover setzt nach wie vor darauf, dass das Land bei seinem zugesagten Gesamtvolumen von fünf Millionen bleiben wird. Mit der zeitlichen Streckung der demnächst anstehenden Zahlung habe man keine Probleme, auch sei man nach wie vor im Plan. Aber das klingt ein wenig wie das Pfeifen im Wald. Denn wer weiß schon, ob bei steigenden Kosten und unter anhaltenden Engpässen der Baubeginn letztlich nicht doch auf den St. Nimmerleinstag rückt? Zumal auch die europäischen Zuwendungen nicht unbegrenzt lange abrufbar sind.

Nach dem Architektenwettbewerb, einer großzügigen Ausstellung der Entwürfe und einem Symposium zum Museumsbau in unserer Zeit ist die Zurückhaltung des Landes erst einmal ein herber Rückschlag. Und womöglich auch ein gefährliches Signal an andere Kulturträger, falls der von Christian Wulff beschworene Leuchtturm von seinem Nachfolger McAllister tatsächlich um seine mögliche Strahlkraft gebracht wird.

Hinter den Kulissen wurde heute viel debattiert, auch zwischen Stadt und Land. Nach außen übte man sich in einem "Schweigegelübde", verzichtete also auf öffentliche Stellungnahmen und will sich erst von Mittwoch an wieder äußern - dann auch möchte sich Kulturministerin Johanna Wanka erneut zu Wort melden.

Gut wäre es, wenn Politiker und Haushaltsstrategen in den nächsten Tagen nicht nur an einem günstigeren eigenen Erscheinungsbild arbeiten, sondern dem Sprengel Museum eine verlässliche Perspektive aufzeigen würden.

Als poetisches Moment im Leben einer Stadt hat einmal der Architekt Alessandro Mendini die Ausstrahlung außergewöhnlicher Museen bezeichnet. Eine solche Chance darf man Hannover ruhig gönnen. Deshalb mehr Poesie, mehr Spielraum für die Kunst - so wie es hier geplant war!