Rückkauf des Hamburger Bahnhofs

Ein vermeidbares Fiasko

06:29 Minuten
Das Gebäude des Museums Hamburger Bahnhof in Berlin.
Erst verkaufte der Bund den Hamburger Bahnhof, nun will er ihn wieder haben - weil der Eigentümer plant, das Museum einfach abzureißen. © dpa / Jens Kalaene
Von Nikolaus Bernau · 29.06.2020
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Der Eigentümer des Areals in Berlin, auf dem sich das Museum Hamburger Bahnhof und die Rieck-Hallen befinden, will die Gebäude abreißen, der Bund sie mit einem Rückkauf retten. Für den Architekturexperten Nikolaus Bernau ein "umfassendes Desaster".
Als vor einigen Wochen die Meldung kam, dass Friedrich Christian Flick seine erstklassige Sammlung von Nachkriegskunst aus Europa und Amerika aus dem Berliner Hamburger Bahnhof abziehen wird, wurde das als Signal für den Niedergang der Sammler- und Museumsszene moderner Kunst in Berlin interpretiert.

Nicht im Besitz des Staates

Nun wurde bekannt, dass nicht nur der als Rieck-Hallen bezeichnete seitliche Gebäudeteil, in dem Flicks Sammlung gezeigt wurde, nicht im Besitz des Staates oder der Stiftung Preußischer Kulturbesitz ist, sondern auch der Hauptbau des Hamburger Bahnhofs selbst der CA Immo aus Österreich gehört. Kulturstaatministerin Monika Grütters verhandle über einen Ankauf des 1906 als Museum für Bau- und Verkehrswesen weitgehend neu errichteten Hamburger Bahnhofs, ein Grundstückstausch sei allerdings ausgeschlossen.
Es wurde auch gemeldet, das Gebäude sei stark sanierungsbedürftig. Die Pressestelle der Stiftung Preußischer Kulturbesitz allerdings teilte mit, dass zwar irgendwann in den 2020er-Jahren eine Sanierung stattfinden solle, doch bisher seien weder Schäden noch der Umfang der Arbeiten oder gar eine Kostenkalkulation bekannt.
Eine Umnutzung des genuin als Museumsbau gedachten Hauses ist kaum denkbar, zudem benötigt die Nationalgalerie dringend die Ausstellungsflächen. Schon die Rieckhalle ist ein Verlust von voraussichtlich 3900 Quadratmetern, der Hamburger Bahnhof hat noch einmal 5000 Quadratmeter Ausstellungsfläche – die nach aktuellem Stand der Dinge nirgends ersetzt werden können.

Immobilienfirma sitzt am langen Hebel

Die CA Immo sitzt also an einem sehr langen Hebel in den Verhandlungen mit dem Bund und der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Sie hat die Grundstücke und Bauten im Nachzug der Bahn-Privatisierung erworben, die auch mit dem Verkauf des Grundstückseigentums der Bahn finanziert werden sollte.
Schon in den 1990er-Jahren wurde eindringlich vor dieser Strategie des Bundes gewarnt, die unter anderem dazu führte, dass mitten in Städten wie Berlin oder Stuttgart große neue Stadtviertel entstehen konnten, ohne dass die Kommunen mehr als nur regulierenden Einfluss nehmen konnten.
Es ist ein umfassendes Desaster: Der Bund wird voraussichtlich ein Gebäude erwerben müssen, das einst dem Staat Preußen als Museum diente, das in den 1980ern vom Berliner Senat aus dem Vermögen der Reichsbahn übernommen, in den 1900ern auf Kosten Berlins saniert und der Preußen-Stiftung überlassen wurde - möglicherweise sogar ohne, dass je ein formeller Mietvertrag abgeschlossen wurde. Und das dann vom Bund verkauft wurde.
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