Rückenschmerzen

    Was Betroffene von Spitzensportlern lernen können

    Drei junge Menschen bei der Gymnastik im Park: Sie sitzen zusammengekauert auf den Knien, die Arme nach hinten auf dem Boden gestreckt und die Stirn gegen den Untergrund gedrückt.
    Bei Rückenschmerzen hilft oft Training besser als Spritzen. © imago/photothek
    Von Elmar Krämer · 10.03.2024
    Etwa 70 Prozent der Spitzensportler haben Rückenprobleme. Dagegen wurden spezielle Trainingsmethoden entwickelt: Core- oder Slingtraining etwa. Damit lassen sich auch bei der Behandlung der Volkskrankheit Rückenschmerzen wichtige Impulse setzen.
    Beschleunigung, Absprung, Flugphase, Landung – in wenigen Sekunden wirken beim Weitsprung massive Kräfte auf den Körper. Auch beim Diskuswerfen, Eisschnelllaufen oder Bogenschießen entstehen enorme Belastungen für Muskeln, Sehnen und Bänder.
    Egal auf welche sportliche Disziplin man blickt: der Kampf um Siege, Medaillen oder Bestleistungen ist immer auch ein Kampf gegen Verletzungen. Die Belastungen für den Körper und nicht zuletzt für den Rücken sind immens - im Training, im Wettbewerb, aber eben auch im Alltag. So erklärt es sich, dass 90 Prozent der Normalbevölkerung, aber auch um die 70 Prozent der Spitzensportler immer wieder unter Rückenschmerzen leiden.

    Mit 16 hatte Julia Harting den ersten Bandscheibenvorfall

    Berlin Hohenschönhausen, Olympiastützpunkt. In einem mit modernstem Trainingsgerät ausgestatteten Kraftraum trainieren an diesem Tag Leistungssportlerinnen unterschiedlicher Disziplinen.
    "Hallo, ich bin Julia Harting, bin Diskuswerferin. Ich hatte eigentlich schon ziemlich früh mit Rückenproblemen zu kämpfen. Ich hatte glaube ich mit 16 meinen ersten Bandscheibenvorfall oder sowas. Es fängt ja oft im Leistungssport ein bisschen früher an als bei der Normalbevölkerung."
    "Ich bin Bente Pflug, 29, und Eisschnellläuferin. Wir laufen immer nur links rum. Wir sind immer an dieser gebückten Haltung, bei allen Trainingsmitteln, die wir eigentlich haben, auf dem Fahrrad, wir machen ja ganz, ganz viele Trainingsumfänge im Sommer auf dem Rad, wo man so gebückt sitzt. Wir sind auf Inlineskates unterwegs. Eisschnelllaufen ist, glaube ich, nicht die rückenfreundlichste Sportart, die man machen kann."
    "Ich bin Alexandra Wester. Ich mache Weitsprung und genau jetzt bin ich letztens leider beim ISTAF in Berlin umgeknickt, beim letzten Versuch, beim letzten Wettkampf der Saison. Jetzt hocke ich hier und mache Reha."
    Von links nach rechts: Bente Pflug, Alexandra Wester, Konrad Komischke, Julia Harting. In der Mitte Deutschlandradio-Reporter Elmar Krämer, ganz rechts: Trainerin Annika Brinkmann.
    Spitzensportler mit Rückenproblemen: Bente Pflug, Alexandra Wester, Konrad Komischke, Julia Harting. In der Mitte Deutschlandradio-Reporter Elmar Krämer, ganz rechts: Trainerin Annika Brinkmann.© Elmar Krämer
    Trotz ausgefeilter Trainingspläne haben auch viele Leistungssportler und -sportlerinnen in bestimmten Bereichen Defizite. Um diese kümmert sich am Olympiastützpunkt Berlin die Sportwissenschaftlerin Anika Brinkmann. Sie ist für Trainingswissenschaften und Rehabilitation zuständig:
    "Wir haben oft das Problem, dass einzelne Strukturen des Körpers sehr hohe Belastungen haben. Wenn wir zum Beispiel an Diskuswerfer denken, haben sie immer eine Drehung, die sie im Ring machen. Das machen sie im Training auch. Insofern entstehen Disbalancen im Körper, die dann halt über das Stabi-Training, über das Core-Training in den Griff bekommen werden müssen, um einfach die Zentrale – und die Zentrale ist für mich damit wirklich der Rumpfbereich – wieder funktionell in Schuss zu bekommen."

    Auch ohne Gewichte "verdammt anstrengend"

    Stabilisations- und das sogenannte Core-Training, also das Training aller Anteile der Bauch- und Rückenmuskulatur sehen auf den ersten Blick oft nicht sehr spektakulär aus. Es werden keine Hanteln mit beeindruckenden Gewichten bewegt und die Sportler werden auch nicht in futuristische Maschinen eingespannt – vielmehr sind es Gummibänder, Schlingentrainer, Wackelbretter, Balancekissen und Übungen mit dem eigenen Körpergewicht, die den Athleten den Schweiß auf die Stirn treiben. Weitspringerin Alexandra Wester:
    "Vor allem am ersten Reha-Tag war ich total motiviert. Ich so: Ja, let's go, paar Gewichte stemmen – und dann hock ich da und mache ein paar Kniebeugen ohne Gewicht. Aber trotzdem: Selbst wenn man nur mit dem eigenen Körpergewicht arbeitet, ist das so verdammt anstrengend. Das hat den Grund, dass man wirklich mit seinem Körper komplett connected ist. Man muss sich so hart konzentrieren, die richtige Haltung einzunehmen und immer wieder dieses ständige Feedback zu bekommen vom eigenen Körper. Und das strengt einen mental vor allem an."
    Alexandra Wester, die eigentlich in Köln lebt, trainiert am Olympiastützpunkt in Berlin, um nach einer Verletzung wieder fit zu werden. In der Reha zeigte sich, dass auch ihr Rücken nicht optimal trainiert ist, obwohl Wester völlig klar war, wie wichtig das sogenannte Core-Training ist: "Der Core, da entsteht die ganze Kraft. Der Core ist wirklich mit der ganzen Rumpfmuskulatur der Stabilisator des Körpers und aller Bewegungen. Und wenn der nicht stimmt, wenn der nicht stark ist, dann kannst du auch nicht weit springen, schnell laufen, weit werfen."

    Das vermeintliche "Pillepalle"-Training ernst nehmen

    "Ja man stellt sich ja so vor, zum Beispiel bei uns Werfern, wir machen so viel Krafttraining und haben Rückenstrecker, die sind halt super austrainiert", sagt Diskuswerferin Julia Harting.
    "Man denkt sich so, ja, wie kann man da eigentlich Rückenschmerzen haben bei so viel Muskeln? Und man denkt ja immer, das kommt, weil man zu viel sitzt oder sich nicht genug bewegt. Und wir denken, ja, wieso passiert uns das? Wir machen doch den ganzen Tag Sport. Aber es ist eben genau, weil die kleinen Muskeln nicht angesteuert werden können, nicht genug ausgeprägt sind und deswegen muss man auch dieses vermeintlich ja Pillepalle-Training, wo wir regelmäßig scheitern,ganz, ganz ernst nehmen."
    Effektive Übungen müssen nicht immer mit schweren Hanteln oder viel Gewicht ausgeführt werden, auch wenn das nicht zuletzt in der Fitnesswelt eine weit verbreitete Ansicht ist. Für die Leistungssportler am Olympiastützpunkt sind schwere Hanteln kein Problem. Und doch ist es für Sportwissenschaftlerin Anika Brinkman ein Leichtes, die Athleten auch mit vermeintlich einfachen Übungen an die Leistungsgrenze zu bringen:
    "Wenn du dir Trainingspläne anguckst, wenn du die Anforderungen der Verbände anguckst, dann geht es immer um Leistung. Und die Leistung soll eigentlich erst einmal im Krafttraining beispielsweise erbracht werden. Ich nenne mein Training auch Baustellen-Training. Wir brechen das Ganze nochmal ganz, ganz weit nach unten runter, um wirklich die Tiefen der Muskelgruppen zu bekommen. Und wenn wir an ein Krafttraining denken, was die eigentlichen Trainer, die Disziplin-Trainer machen, dann stehen die auf einer Langhantel, haben aber vorher vielleicht gar nicht mehr das Verständnis dafür, wie sie überhaupt ihren Core, also die Rumpfkraft, ansteuern können. Das gibt dann oft das Problem."

    Slingtraining hilft

    Übungen im Schlingentrainer stehen heute auf dem Plan. Die Athleten und Athletinnen gehen in den Seitstütz, die Füße in einem Schlingentrainer. So wird das Ganze eine wackelige Angelegenheit. Dieses Training soll die sogenannte intermuskuläre Koordination verbessern und die tiefliegenden Muskeln trainieren. Julia Harting hat ihre Einheit bereits hinter sich, jetzt ist Bogenschütze Konrad Komischke dran. Sein Körper zittert, als er den oberen Arm nach vorne streckt und dann in der wackeligen Position mit den Füßen im Schlingentrainer, Ellenbogen und Knie vor dem Rumpf zusammenführt.
    "Gut, geht, oder? Aber anstrengend…"
    Bogenschütze Konrad Komischke stützt sich in Seitenlage auf dem Ellenbogen ab, seine Füße hängen in roten Schlingen. Daneben Annika Brinkmann in der Hocke, die das Training betreut.
    Konrad Komischke und Annika Brinkmann beim Schlingentraining im Olympiastützpunkt Berlin.© Elmar Krämer
    Anders als bei vielen Normalbürgern ist es bei den Leistungssportlern nicht der Bewegungsmangel, der Rückenprobleme verursacht.
    An der Universität Potsdam treffe ich Professor Frank Meyer:
    "Ich bin Orthopäde und Unfallchirurg und Sportmediziner und leite das Forschungsnetzwerk MiSpEx oder das Projekt 'Ran Rücken' mittlerweile jetzt seit acht Jahren."
    Auf Initiative des Bundesinstituts für Sportwissenschaft in Bonn schlossen sich 2010 dreizehn Hochschulen, Kliniken und Institute zusammen, um sich als "National Reserch Networtk for Medicine in Spine Exercise", kurz MiSpEx, auf die Suche nach Gründen für die sogenannten unspezifischen Rückenschmerzen zu machen. "Ran Rücken", so der Titel des Projekts, der größten Untersuchung zum Thema Rücken, die es je in Deutschland gab.
    "Die Idee war, was man aus dem Spitzensport lernen kann, um es dann auf die Allgemeinbevölkerung zu übertragen", sagt Meyer. "Weil bekannt ist, dass Training für chronisch unspezifische Rückenschmerzen die beste Form der Therapie und der Prävention ist. Das war vor Beginn des Projektes schon bekannt. Man wusste aber nicht, welche Art des Trainings, wie man das am besten dosiert, wie die Dosis-Wirkungs-Beziehung dieses Trainings aussieht. Man wusste nicht, wo das Minimum dessen ist, was man tun muss, um den Effekt zu erreichen. Und es gab sehr viele Annahmen und Hypothesen, die aber letztendlich nicht wissenschaftlich belegt waren."
    Acht Jahre später ist es wissenschaftlich belegt und nachgewiesen, dass es bestimmte Trainingsformen, Übungen und Abläufe gibt, die deutlichen Einfluss auf den Rücken haben und sowohl in der Prävention als auch in der Behandlung eine wichtige Rolle spielen können bzw. sollten:
    "Wir konnten einen Effekt auf die Schmerzlinderung, die Minderung der Einschränkung durch den Schmerz und gleichzeitig eine Krafterhöhung und eine Verbesserung der koordinativen Fähigkeiten der Wirbelsäule und der postoralen Kontrolle nachweisen."

    Ein Übungskatalog für jedermann

    In aufwendigen Untersuchungen an Universitäten, Instituten und Olympiastützpunkten überall im Bundesgebiet wurden Normalbürger, Sportler und Leistungssportler untersucht und auch ihre körperlichen Reaktionen auf sogenannte Störreize dokumentiert. Die Ergebnisse dienten unter anderem als Grundlage für die Entwicklung eines Übungskatalogs. Daran beteiligt war auch die Sportwissenschaftlerin Josefine Stoll, Leiterin der Trainings- und Physiotherapie der Hochschulambulanz der Universität Potsdam:
    "Als wissenschaftliche Mitarbeiterin komme ich dann immer ins Spiel, wenn es um Interventionsstudien geht. Also: Wie können wissenschaftliche Daten umgemünzt werden in Therapieinhalte und das möglichst effektiv, mit wenig Aufwand und schneller Durchführung? Das ist, glaube ich, das, worauf es ganz viel bei den Leuten, wenn sie denn was machen wollen, darauf ankommt, dass es möglichst einen schnellen Effekt zeigt und nicht fürchterlich viel Zeit in Anspruch nimmt. Vier Übungen drei Wochen mit einer neunwöchigen Eigendurchführung führt zu einer Schmerzlinderung und einer Zunahme der Kraft."
    Die vier Übungen können in zwölf Schwierigkeitsgraden durchgeführt werden. Patienten sollten nach Empfehlung der Wissenschaftler jeweils drei Wochen unter Anleitung z.B. eines Physiotherapeuten oder Trainers trainieren, dann neun Wochen allein und danach auf die nächste Schwierigkeitsstufe wechseln. So bekommen Körper und Rücken neue Herausforderungen und passen sich an. Zwei- bis dreimal in der Woche rund 30 Minuten Training können reichen, um einen deutlichen Effekt zu erzielen, wobei es besonders wichtig ist auf dem jeweiligen individuellen Niveau zu trainieren.

    Wackler sind durchaus erwünscht

    Die ersten Übungen sind aber für normal sportliche Menschen sofort umsetzbar:
    "Und jetzt sind Sie dran! Übung 1 Schwierigkeitsgrad 2. Vierfüßlerstand: Gehen Sie in den Vierfüßlerstand. Knie hüftbreit auseinander. Die Hände werden schulterbreit und direkt unter den Schultern aufgesetzt. Kopf gerade halten. Strecken Sie nun den linken Arm und das rechte Bein und führen Sie danach Ellenbogen und Knie vor dem Bauch zusammen. Fünf Wiederholungen pro Seite und drei Durchgänge."
    Steigerungen sind leicht möglich, Wackler erwünscht, denn der Körper soll lernen, neue Herausforderungen zu meistern.
    "Wir wollen eine sogenannte Pertubation oder einen Störreiz applizieren in herkömmlichen Übungen, der einfache Vierfüßlerstand zum Beispiel, wo man dann diagonal ein Arm und ein Bein abhebt und unterm Körper zusammenführt und wieder streckt und man dann einfach mal probiert, auf der Seite wo das Bein noch am Boden stützt, die Zehenspitzen mit hoch zu nehmen, sodass die Unterstützungsfläche kleiner wird. Dadurch wird es schon wackelig, oder man kann ein Instabilitäts-Pad, ein Sissel-Kissen einen halben Petziball etc., also eine instabile Unterlage nutzen, dass man aus dem Gleichgewicht gerät."
    Durch dieses sogenannte Pertubationstraining verbessert sich das Zusammenspiel von Nerven, Muskeln, Sehnen und Bändern. Auch das konnte die Studie "Ran-Rücken" belegen. Der Körper lernt als funktionelle Einheit auf Reize zu reagieren und Belastungen standzuhalten. Das ist sowohl im Alltag als auch im Leistungssport wichtig.
    "Und jetzt sind Sie dran! Übung 2 Schwierigkeitsgrad 2: Rudern im Stehen mit Wasserflaschen: Stellen Sie sich auf einen instabilen Untergrund, das können Balancekissen, zusammengerollte Handtücher oder Ähnliches sein. Schieben Sie das Gesäß nach hinten. Beugen Sie die Knie leicht und lehnen Sie den Oberkörper nach vorn. Die Arme hängen zum Boden. In den Händen halten Ssie jeweils eine Wasserflasche. Die Daumen zeigen zueinander. Ziehen Sie die Flaschen zum Körper. Halten Sie den Rücken gerade. Drei Durchgänge à zehn Wiederholungen."

    Kraft ohne Koordination

    Auch in Teilen der Fitnesswelt hat ein Umdenken eingesetzt. Führende Trainer setzen nicht mehr ausschließlich auf Maximalkraft und Muskelberge, sondern auf Ganzheitlichkeit, auf ergonomische Bewegungen, auf saubere Übungsausführungen, auf Körperkontrolle und auf eine rückenfreundliche Haltung.
    Einer der weltweit renommiertesten Experten auf diesem Gebiet ist Mark Lauren. Er hat früher für Spezialeinheiten der US-Armee Trainingspläne erstellt und schon im Jahre 2002 Maschinen aus den Trainingsräumen entfernt.
    "Das Problem ist, die haben überhaupt keine athletischen Fähigkeiten damit aufgebaut. Ok, du hast muskulöse Kraft, aber du hast die Koordination nicht, du hast die Flexibilität nicht, die du brauchst, du hast nicht die Balance, die du brauchst. Ist ja egal, wieviel muskulöse Kraft du hast, du weißt nicht, wie du die muskulöse Kraft benutzt, richtig. Du musst die richtigen Sachen zur richtigen Zeit machen. Also, Koordination ist so eine wichtige Sache und die baut man einfach nicht damit auf. Und wenn wir Körpergewichtübungen machen, wir brauchen viel weniger Platz, wir brauchen viel weniger Zeit, die Ergebnisse sind besser und auch die Verletzungen sind niedriger."
    In einem Online-Trainingsprogramm stellt der US-Amerikaner derzeit täglich neue Trainingseinheiten ins Netz – kostenpflichtig, aber günstiger als die Beiträge der meisten Fitnessstudios. Dabei setzt Lauren auf Körpergewichtsübungen und bietet auch Rehabilitationstrainings an. Ein Schwerpunkt: der Rücken.
    "Wir müssen lernen, dass wir die Wirbelsäule stabil und neutral behalten können und gleichzeitig, dass wir unsere Gelenke um eine stabile und neutrale Wirbelsäule bewegen können und die Muskulatur um die Wirbelsäule. Dadurch hat man die Stabilität für den Transfer von Energie, damit wir uns von einem Ort zu einem anderen Ort effektiv und effizient bewegen können. Und ich glaube wirklich, Fortbewegung ist die fundamentale athletische Fähigkeit, worauf wir uns konzentrieren müssen."

    Fast zehn Prozent aller Krankheitstage wegen Rücken

    Eine aufrechte Haltung und Körperkontrolle sind die Basis für beschwerdefreie Bewegung, nicht nur im Sport, sagt Mark Lauren und betont die Bedeutung des Zusammenspiels aller Teile des Körpers:
    "Unser Körper ist genauso wie alle anderen Strukturen. Sagen wir mal, wir haben eine Brücke. Und wenn die Teile von diesen Strukturen nicht in der richtigen Ausrichtung sind, dann können sie nicht gut Kraft aufnehmen, ohne dass sie kaputtgehen. Und unser Körper ist genauso. Wir müssen lernen, was die richtige optimale Ausrichtung unserer Teile, unserer Gelenke ist. Und wir müssen lernen, wie wir diese optimale Ausrichtung behalten können, in sehr unterschiedlichen Situationen unseres Lebens, und darüber geht es mit meinen Trainingsprogrammen. Es geht wirklich darum, die fundamentalen athletischen Fähigkeiten zu verbessern, damit wir uns effizient, sicher und mit Leistung fortbewegen können."
    Fast zehn Prozent aller Krankheitstage in Deutschland gehen laut Statistiken der Krankenkassen auf das Konto von Rückenbeschwerden. Kein Wunder, wenn man bedenkt, dass das stundenlange Sitzen am Schreibtisch in vielen Berufen mit zu den Beschwerden beiträgt. Fitnesstrainer Mark Lauren:
    "Ich glaube, ein wirklich großes Problem heutzutage ist, dass wir so viele Stunden am Tag in Stühlen sitzen. Das ist sehr ungesund, weil, wir verlieren Beweglichkeit in unseren Hüften und in unseren Schultern. Und was passiert dann, wenn wir eine Bewegung machen und wir haben die Beweglichkeit in die Hüften oder die Schultern nicht? Dann muss die Bewegung von der Wirbelsäule kommen. Und was bedeutet das? Dann können wir nicht eine neutrale Wirbelsäule behalten und wir sind in einer weniger optimalen Position. Dadurch haben wir öfters Verletzungen. Also, wir müssen lernen, Pause zu machen, also, wenn du im Stuhl sitzt oder so, dann nimm halt fünf Minuten oder ein paar Minuten mindestens und steh auf, alle 30 Minuten oder so. Wir müssen lernen, Pausen zu machen und wir müssen uns mehr bewusst bewegen."

    "Wir machen die statische Übung: Stütz auf dem Ball. Pause dazwischen, 15…"
    Ein Mann in Trainingskleidung absolviert auf einen Ball gestützt Fitnessübungen im Park. Neben ihm hockt sein Trainer Michel Gleich in Laufkleidung und mit einer Stoppuhr.
    Personal Trainer Michel Gleich mit seinem Klienten beim Training im Park. © Elmar Krämer
    Morgens um halb acht in einem Berliner Park – zwei Männer beim Training: Der eine ist Manager, der andere sein Personal Trainer Dr. Michèl Gleich. Wie der US-Amerikaner Mark Lauren ist auch Gleich ehemaliger Soldat:
    "Und da wir stets für unser ganzes Gepäck, also sozusagen unsere eigene Lebensversicherung verantwortlich waren, das konnte locker mal bis zu 50 Kilo betragen, war natürlich auch das Training der Rückenmuskulatur enorm wichtig", sagt er.
    Damals wie heute war sich Gleich der Bedeutung des Rückentrainings bewusst:
    "Denn ohne einen starken Rücken ist es nahezu unmöglich, weite Strecken zu Fuß mit viel Gepäck und auch noch letztlich den Waffen zurückzulegen. Daher trainierten wir oft in unserer Einheit mit dem eigenen Körpergewicht, weil es einfach den Vorteil hatte, dass wir nahezu überall auf der Welt trainieren konnten. Oder wir hatten auch den sogenannten Schlingentrainer dabei, um optimal vorbereitet zu sein."

    Stabilität im Mittelpunkt

    Als Personaltrainer setzt Michèl Gleich auch heute noch auf das Training mit dem eigenen Körpergewicht, auf Schlingentrainer und Gummibänder, die auch für die Athleten am Olympiastützpunkt längst eine wichtige Rolle spielen. Die Liegestützhaltung mit den Händen auf einem Basketball strengt Gleichs Kunden, Manager Bernd Fastenrath, an diesem Morgen sichtlich an. Eine Übung, die sich übrigens auch als Übung 1, Schwierigkeitsgrad 8 im Übungskatalog des Forschungsnetzwerks MiSpEx findet.
    Natürlich ist das Training in wackeligen Positionen auf entsprechenden Untergründen nichts Neues. Kampfsport, Yoga, Pilates – die Übungen sind meist altbekannte, neu ist deren zunehmende Bedeutung in der Fitnesswelt und die wissenschaftliche Nachweisbarkeit ihrer Effektivität.
    "Diese Art von Training spielt für mich und auch letztlich alle meine Kunden und Athleten eine große Rolle, da durch diese Störungen von außen und durch die Instabilität die Intensität der einzelnen Bewegungen absolut verstärkt werden kann und folglich erhöht sich dadurch auch die allgemeine Anpassung und Leistungsfähigkeit aller Muskeln im Körper. Je nachdem, wo ich den Fokus im Training setze."
    Der Personal-Trainer wie auch seine Kunden sind überzeugt von dieser Art des Trainings, und das Feedback bestätigt Michèl Gleich.
    "Ich hab keine Probleme mit dem Rücken nach dem langen Sitzen, auch, wenn ich abends aus dem Büro komme: schmerzfrei! Dadurch, dass ich morgens schon etwas geleistet habe, gehe ich natürlich mit einer ganz anderen positiven Einstellung wiederum in meine Meetings. Und es gibt mir einen klaren Kopf."

    Dranbleiben ist wichtig

    "Lass die Ferse oben, das ist zu tief… super, sehr gut…"
    Olympiastützpunkt Berlin. Weitspringerin Alexandra Wester hat ein Gummiband um die Knöchel gebunden, in tiefer Kniebeuge, mit geradem Rücken - und auf den Fußballen macht sie Seitwärtsschritte.
    Es sind und bleiben Übungen ohne großen technischen Aufwand, die gerade in der Rehabilitation und der Vermeidung von Rückenproblemen eine besondere Rolle spielen und die dringend empfohlen werden. Und auch wenn dieses Stabilisations- und Core-Training gelegentlich belächelt wird: Es hilft, wie das Forschungsprojekt "Ran-Rücken" auch wissenschaftlich nachgewiesen hat. Leichtathletin Alexandra Wester:
    "Es war schon immer mein größter Feind und bester Freund, weil Core-Übungen, boah, ey. Auch wenn ich hier immer in dieser Slingline da hänge und diese Übungen machen muss. Wie kann es sein, dass ich mit meinem eigenen Körpergewicht da gerade drin hänge und schlapp mache nach drei Wiederholungen. Aber da muss man dranbleiben, weil es ist wichtig."
    Und egal, ob Leistungs-, Freizeitsportler oder Sportmuffel. Bewegung ist die wichtigste Medizin für den Körper, auch oder gerade bei Rückenschmerzen – da sind sich die Experten einig.
    "Du bist nur so stark wie dein schwächster Punkt."
    "Also wer Rückenprobleme hat, der sollte nicht sich schonen und sich dem Schicksal hingeben, sondern rausgehen, in Bewegung gehen, auf den Körper hören."
    "Und wenn man die Gesamtbevölkerung sieht, dann muss man den Leuten nach wie vor sagen: beweg dich, beweg dich, beweg dich."

    Eine Wiederholung vom 10. Februar 2019

    Abonnieren Sie unseren Weekender-Newsletter!

    Die wichtigsten Kulturdebatten und Empfehlungen der Woche, jeden Freitag direkt in Ihr E-Mail-Postfach.

    Vielen Dank für Ihre Anmeldung!

    Wir haben Ihnen eine E-Mail mit einem Bestätigungslink zugeschickt.

    Falls Sie keine Bestätigungs-Mail für Ihre Registrierung in Ihrem Posteingang sehen, prüfen Sie bitte Ihren Spam-Ordner.

    Willkommen zurück!

    Sie sind bereits zu diesem Newsletter angemeldet.

    Bitte überprüfen Sie Ihre E-Mail Adresse.
    Bitte akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung.
    Mehr zum Thema