Rückblick

Von der NSA bis zur GroKo

von Hans von Trotha |
So manches Mal erreichten die Ausschläge politischer Debatten im vergangenen Jahr auch das Feuilleton. NSA, Prostitution, der Bischof von Limburg und natürlich die "GroKo" waren solche Themen.
Wenn Dinge geschehen, die später als „historisch“ gelten, ist immer auch das Feuilleton gefragt. Und so gibt es Jahrgänge, in denen die Feuilletons in ihren Debatten nicht so recht zur Kunst finden. 2013 war so ein Jahr. Da hat die Geschichte immer wieder zugeschlagen.
Angela Merkel: "Pardon, mein Handy klingelt, insofern muss ich das jetzt mal ausmachen."
Immer wenn´s am Schönsten ist …
Barack Obama: "Hello Berlin! Thank you for this extrodinarily warm welcome. In fact it is so warm and I feel so good that I am actually take of my jacket and everybody who wants to feel free to. We can be a little bit more informal among friends."
… droht sie zuzuschlagen, die Geschichte.
Angela Merkel: "Mir selber ist nichts bekannt, wo ich abgehört wurde."
Doch dann …
Edward Snowden: "My name is Ed Snowden, I am 29 years old …"
Da hatten die Feuilletons ihr wichtigstes Thema für dieses Jahr: Das Netz im Allgemeinen, dem FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher bescheinigt:
Frank Schirrmacher: "Der digitale Raum fängt sogar schon an, den realen Raum zu ersetzen."
und die Datensicherheit im Besonderen.
Angela Merkel: "Ausspähen unter Freunden, das geht gar nicht."
Mit Freundschaften ist das ja so eine Sache. 2013 war da eher ein Jahr der zerrütteten Beziehungen. Frankreich zum Beispiel. "De l´Allemagne" hieß eine Ausstellung im Louvre, die eigentlich nur einen Überblick über die Kunst in Deutschland geben wollte, aber in den Feuilletons Einblicke in ein zutiefst gestörtes Verhältnis provozierte:
Michael Kleeberg: "Das Wort Freundschaft verwenden die Deutschen",
erläuterte uns der Schriftsteller Michal Kleeberg.
Kleeberg: "Ich habe noch nie einen politisch Verantwortlichen oder gesellschaftlich relevanten Franzosen von der 'Amitié franco-allemande' sprechen hören. Da heißt es entweder 'le couple' oder 'le parteneriat', das 'Paar' oder die 'Partnerschaft', wobei 'couple' weniger im Sinn von altes Ehepaar und eher im Sinn von Anhängerkupplung gebraucht wird.“
Auch die nächste Feuilleton-Debatte ...
Alice Schwarzer: "Ist es normal, sich zu prostituieren? Ist das ein Beruf wie jeder andere? Ist dass eine Dienstleistung? Sind Frauen eine Ware? Müssen Männer sich nicht einmal schämen, wenn sie in den Puff gehen? Diese gesellschaftliche Debatte ist nötig."
… war geeignet, hier einen über Jahrzehnte kaschierten clash of ciilizations aufzudecken. In der gleichen Woche, in der in Deutschland ein Aufruf gegen Prostitution zirkulierte, erschein in Frankreich …
Alice Schwarzer: "Müssen Männer sich nicht einmal schämen, wenn sie in den Puff gehen?"
… ein "Manifest der 343 Schweine", die sich offensiv zum Puff bekannten. - Sind das noch Freunde?
Auch wenn es dann doch mal so richtig um Kunst ging in den Feuilletons, war gleich wieder die Politik gefragt. Im Fall des Münchner Kunstsammlers Gurlitt zum Beispiel, der dem Begriff "Sammler" übrigens einen ziemlich komplexen Hintergrund gegeben hat. Wie sollte man mit dem Schwabinger Fund umgehen? Dazu der bayerische Justizminister:
Winfried Bausback: "Ich erlebe im Moment in der öffentlichen Diskussion, auch von der Bundesjustizministerin, eigentlich nur, dass man sagt, wie es nicht geht, aber keiner bemüht sich zu sagen, wie es gehen könnte. Ich möchte versuchen aufzuzeigen, wo und wie es geht."
Wie es geht, und natürlich auch, wie es nicht geht, das bestimmt bei uns ja sonst Angela Merkel.
Angela Merkel: "Ausspähen unter Freunden, das geht gar nicht."
In der Türkei bestimmt das Recep Erdogan
"Wir werden es nicht zulassen, dass einige Chaoten am Taksim-Platz unsere Bürger provozieren, indem sie ihnen Lügen erzählen. Vorhin wurde ich gefragt, ob wir am Taksim-Platz nicht auch eine Moschee bauen können Ja, wir werden dort auch eine Moschee bauen."
In den Feuilletons bekamen wir erklärt, wie Erdogan Politik macht: Indem er Kinos abreißen und Moscheen bauen lässt. Die Botschaft versteht jeder. Das Rezept ist alt. Bei uns hat es vor allem die katholische Kirche stets verfolgt und dabei, mit einer Formulierung aus der Süddeutschen Zeitung, „Bruttoinlandsprodukte von Jahrhunderten“ in romanischen, gotischen oder barocken Protzbauten verschleudert. Der Theologe Friedrich Wilhelm Graf erklärt:
"Die Kirchen haben in aller Regel sehr repräsentativ gebaut. Kirchen nehmen öffentliche Aufgaben wahr. Sie wollen in der Öffentlichkeit sichtbar sein. Und das hat sie immer auch in ihren Architekturprogrammen ausgedrückt."
Das, auch dies eine Debatte dieses Jahres, ändert sich gerade, was ein Limburger Bischof besonders zu spüren bekam, dessen Unbescheidenheit sich schon darin zeigt, dass er sich gleich zwei Doppelnamen leistet. Es hat gedauert, bis die Debatte um Franz-Peter Tebartz-van Eltz in die Feuilletons fand, wo es dann nicht um Bäder ging (übrigens gibt es gar keine Badewanne, die 20.000 Euro kostet), sondern um Architektur. Der Bau wurde durchweg gelobt.
Tebartz-van Elst einfach zu lange gebaut. Unter Papst Benedikt wäre er bestimmt nicht aufgeflogen.
À propos Papst. Wahlen haben die Feuilletons auch beschäftigt in diesem Jahr. Da fallen dann immer starke Worte. "Wunschkandidat", "Einer für alle", "Die Gebete wurden erhört" - alles Zitate aus den Feuilletons vom 29. April. Aber Moment, Franziskus ist doch schon während der Leipziger Buchmesse gewählt worden. Die Ausrufe der Feuilletonisten meinten auch gar nicht den neuen Papst, sondern einen Kollegen, nämlich den neuen Chefredakteur des Wochenmagazins DER SPIEGEL. Na ja. Auch das ist Feuilleton.
Ach ja, auch der Bundestag ist neu gewählt worden. Über Monate wurde der langweiligste Wahlkampf beklagt, den es je gegeben habe. Und dann ging der, wie in einem Alptraum, nach der Wahl einfach weiter, nur ohne Peer Steinbrück und unter dem Namen Koalitionsverhandlung. Das Ergebnis nennt keiner gern beim Namen. Dafür hat sich gleich eine verniedlichende Abkürzung gefunden, die auch noch Wort des Jahres wurde. So macht man das, wenn einem etwas zu groß und deswegen unheimlich erscheint:
Zwei Frauen: "Groko? Des ist ein Krokodil, würd' ich sagen." - "Ach mit 'G'? Das ist ein Grog."
In diesem Sinne - Prosit Neujahr!
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