Rückblick auf das Bauhaus-Jahr 2019

Es gab mehr als nur eine Moderne

07:57 Minuten
Fotografie von Walter Gropius, der leicht zur Seite schaut.
Bauhaus-Gründer Walter Gropius: Nikolaus Bernau stört sich am "wiederbelebten Personenkult" im Bauhaus-Jahr. © picture alliance/akg-images/Louis Held
Nikolaus Bernau im Gespräch mit Britta Bürger · 27.12.2019
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Das Fazit des Architekturkritikers Nikolaus Bernau zum Bauhaus-Jahr fällt ambivalent aus: Das Gedenken sei popularisiert worden, doch habe eine Verengung der Sicht auf das Bauhaus als "die Moderne" stattgefunden – auf Kosten der übrigen Modernen.
2019 stand ganz im Zeichen des Bauhauses. Vor 100 Jahren in Weimar gegründet wurde die Kunstschule zu einer der wichtigsten der Moderne. Unzählige Events, Ausstellungen, Konzerte und Happenings fanden in diesem Jahr statt, das sich nun dem Ende zuneigt. Zeit, das Bauhaus-Jubiläum mit unserem Architekturkritiker Nikolaus Bernau Revue passieren zu lassen.
Sein Resümee fällt geteilt aus: Einerseits sei der Blick auf das Bauhaus erweitert und die Erinnerung popularisiert worden, andererseits habe eine Verengung der Sicht stattgefunden, indem man postuliert habe, das Bauhaus sei die Moderne. Dabei sei die Vielfalt der Modernen aus dem Blick geraten, sie sei regelrecht verdeckt worden, sagt Bernau.

Viele Modernen existierten parallel

Neben der deutschen Bauhaus-Moderne habe es nämlich auch eine skandinavische, eine niederländische, eine französische, eine russische Moderne gegeben, genau so wie eine ganz eigene britische und amerikanische. Sie "alle existierten parallel zum Bauhaus".
Die Ausstellung "bauhaus imaginista" habe sich genau mit dieser weltweiten Vernetzung des Bauhauses mit den übrigen Modernen beschäftigt und bildet hier eine positive Ausnahme.

Regionalschulen und Personenkult

Ebenfalls erfreulich sei die Ausweitung des Gedenkens auf die Regionalschulen in Magdeburg und im Rheinland etwa. Hierzu konnten Buchprojekte realisiert werden, wie Bernau berichtet.
Der wieder erwachte Personenkult um Walter Gropius und die übrigen Bauhaus-Protagonisten hingegen, trotz der erfreulichen Tatsache, dass nun auch ein paar Frauen hinzugekommen seien, sei fragwürdig, erklärt Bernau, gerade weil das Bauhaus den Starkult abgelehnt habe, da es dem eigenen Anspruch nach um Produkte für den Massenmarkt ging.
In diesem Zusammenhang hebt Bernau die Berliner Ausstellung "original bauhaus" als positives Beispiel hervor: Annemarie Jaeggi und ihre Kollegen haben sich dabei "mit dem Original-Kult und dem Künstlerkult in einer Institution, die dezidiert industriell arbeiten wollte", beschäftigt.

Original oder Serienproduktion

Ihnen ging es um die Kernfrage der Moderne: Wie weit trägt der Mythos vom einzeln schaffenden Künstler die Idee, dass nur das "Original" wichtig ist, wenn es doch das Ziel dieser Kunstschule war, gerade die Serie, die industrielle Fabrikation, als Teil der Kunst akzeptabel zu machen?
Das Bauhaus war also eine Institution, "die gar nicht mehr unbedingt das Einzelkunstwerk im Auge gehabt hat, sondern auch die Massenfabrikation. Was bedeutet dann überhaupt der Künstlerkult?" Diesen Konflikt hätten die Macherinnen der Ausstellung sehr gut herausgearbeitet, meint Nikolaus Bernau.
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