Rudervereine in Berlin

Frauen in der Männerdomäne Rudern

24:04 Minuten
Ein Boot des FRCW.
Den Frauen-Ruder-Club Wannsee gibt es seit 1947. © Elmar Krämer
Von Elmar Krämer |
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Frauen rudern seit fast 120 Jahren. Doch der Sport ist noch immer männerdominiert. Im Frauen-Ruder-Club Wannsee sind Sportlerinnen weitgehend unter sich. Im traditionsreichen Berliner Ruder-Club waren das lange Zeit die Männer. Inzwischen gibt es Kooperationen.
Der Ruf ertönt: "Mannschaft stößt ab!"
Die "Mannschaft", die hier abstößt, ist eigentlich eine "Frauschaft", so nennt man laut Duden ein "aus weiblichen Mitgliedern bestehendes Team", wobei "Mitglied" als Neutrum bereits als gendergerecht anzusehen ist.
Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Frauen-Ruder-Club Wannsee e.V. (FRCW) gegründet. Damals standen gendergerechte Formulierungen noch nicht im Fokus. Die Sportlerinnen wollten aufs Wasser, sie wollten rudern, und zwar richtig: schnell, sportlich und auch mit dem Ehrgeiz, sich in Regatten mit anderen Teams zu messen. Das war lange Zeit für Frauen nicht üblich und wurde als unschicklich abgetan. Dennoch steigen schon seit über einhundert Jahren auch Frauen in die Boote. Katrin Bößenroth, die zweite Vorsitzende des Frauen-Ruder-Club Wannsee, und Maria Ehrke, ein seit Jahrzehnten aktives Mitglied des Vereins:
"Die Frauenruderei gibt es schon seit fast 120 Jahren und man musste sich schon damals mit Rock und Socke und Blüschen sehr gegen die Männerdomäne behaupten", sagt Katrin Bößenroth. Maria Ehrke fügt hinzu: "Die Frauen hier haben sich vor vielen, vielen Jahren selbstständig gemacht, weil sie eben bei den Männern nicht so zum Zuge kamen."
"Das war kurz nach der Erlaubnis, 8. Mai 1947 haben sich fünf couragierte Witwen zusammengetan, die vorher schon gerudert sind und haben gesagt, seit einer Woche dürfen wir wieder Vereine gründen und jetzt tun wir das – und so hat es sich ergeben", so Bößenroth.
Karin Bößenroth ist zweite Vorsitzende des Frauen-Ruder-Club Wannsee.
Karin Bößenroth ist zweite Vorsitzende des Frauen-Ruder-Club Wannsee.© Elmar Krämer
Was heute selbstverständlich ist, war damals noch etwas Besonderes, denn Rudern hat nicht nur in Deutschland vor allem als Männersport eine lange Tradition.
Bis Ende der 1960er-Jahre gab es für Frauen im deutschen Rudersport vorrangig die Disziplin des sogenannten Stilruderns. Hierbei ging es nicht um Geschwindigkeit, Kraft und körperliche Maximalleistung, sondern um Anmut und Eleganz. Die Frauen mussten an Tribünen vorbeirudern und wurden von den Kampfrichtern für ihre visuelle Erscheinung und die Schönheit ihrer Bewegungen bewertet.
"Also ganz hohe Disziplin, Ellenbogen an den Körper ran, Augen im Boot – so ist es heute noch, aber nicht so verschärft, man darf schon mal nach links und rechts gucken", sagt Katrin Bößenroth.
Die Wettkämpfe im Rudern, Regatten genannt, finden heute in unterschiedlichen Booten, Altersklassen und natürlich für Männer und Frauen statt. Rudern gehörte von Anfang an zu den olympischen Sportarten. 1896, bei den ersten Olympischen Spielen der Neuzeit, mussten die Wettkämpfe allerdings wegen schlechten Wetters ausfallen. Seit 1900 gelten die Ruderwettkämpfe als Zuschauermagnet. Die Wettkämpfe der Frauen werden aber erst seit 1976 ausgetragen.

Nationale und internationale Wettkampferfolge

Die Atmosphäre in dem kleinen Verein ist familiär. Der Umgang ist freundlich, herzlich und wirkt sehr vertraut. Es scheint, als würde frau, jede so machen lassen, wie sie will. So war das schon immer, erzählt Karin Bößenroth. Der Sport ist vor allem körperlicher Ausgleich. Rudern als Pause vom Alltag, die Möglichkeit den Kopf freizubekommen und einfach mal draußen zu sein, in der Natur, auf dem Wasser, bei jedem Wetter.
"Wer sich draußen bewegt, rostet nicht. Rudern ist ein bisschen wie Meditation. Man sitzt also nicht im Boot und unterhält sich, sondern in dem Moment, wo man das Kommando der Steuerfrau bekommt, also ein ‚Weg vom Steg‘, in dem Augenblick herrscht absolute Funkstille im Boot, man hört nur noch Kommandos."


Auch wenn derzeit der Breitensport im Mittelpunkt steht, gibt es in der langen Geschichte des FRCW auch etliche Wettkampferfolge: nationale und internationale. Eine der erfolgreichsten Ruderinnen des FRCW ist Karola Brandt. Über zehn Jahre lang war sie Mitglied der Deutschen Nationalmannschaft, war an etlichen Regattasiegen und neun nationalen und internationalen deutschen Meistertiteln beteiligt. Ein Highlight ihrer Karriere war die Teilnahme an den Europameisterschaften von 1972.
"Da waren ja Olympische Spiele in München, aber Frauen waren noch nicht olympisch, das heißt, wir hatten als Ersatz in Brandenburg, noch zu DDR-Zeiten, eine Fraueneuropameisterschaft und da haben wir Bronze geholt im Doppelvierer." Unglaublich sei das gewesen, sagt sie, "mal in die Phalanx des Ostblocks reinzukommen". Sie seien nicht sehr unterstützt worden. "Wir Frauen im Rudern haben kein Höhentraining gehabt, wir haben nur einen ehrenamtlichen Bundestrainer gehabt und uns nur am Wochenende zum Training in Ratzeburg getroffen." Für das, was der Ruderverband zu bieten hatte für die Frauen, sei das eine tolle Leistung gewesen.
Katrin Bößenroth und Karola Brandt vor einem Haus mit Booten für Frauen.
Katrin Bößenroth und Karola Brandt vor einem Haus mit Booten für Frauen.© Elmar Krämer
Hätte der Frauenrudersport damals schon einen besseren Status gehabt, hätte es vier Jahre später eine weitere Karrieresternstunde für die Athletin vom FRCW geben können. Bei den ersten olympischen Ruderrennen der Frauen 1976 in Montreal:
"Wir waren im Vierer mit Steuerfrau nominiert, dann gab es sportpolitische Querelen", erzählt Karola Brandt. "Es gab hier jemanden, der im Ausschuss für Leistungssport war und der wollte lieber eine Männermannschaft drin haben." Er habe es tatsächlich geschafft, dass der Frauen-Vierer rausflog und der Männer-Zweier reinkam. "Dieser Entscheidung mussten wir uns leider beugen und ich wurde dann als Ersatzfrau mitgenommen." Insofern habe sie nur einen Einsatz auf dem ersten olympischen Frauenrennen gehabt, das es je gab. "Das war ein Ersatzleuterennen und wir sind als erste Frauen auf ein olympisches Rennen gegangen, was natürlich keine Relevanz hatte."
Karola Brandt ist heute eine viel beschäftigte Heilpraktikerin, aber nach wie vor als Ruderin aktiv. Sie startet regelmäßig in Regatten der sogenannten Mastersklasse und sie steigt auch einfach so immer wieder gern ins Boot.
"Wenn Sie dann morgens um sieben oder um acht auf dem Wasser sind und da ist kein anderes Boot, es ist spiegelglatt und sie gleiten einfach nur so dahin – das ist wunderschön."

Rudersport schwer getroffen von der Coronapandemie

2022 feiert der FRCW sein 75. Jubiläum – eine lange Geschichte für den kleinen Frauenruderklub, der sich am Berliner Wannsee mit zwei anderen Ruderklubs das Grundstück und den Steg teilt. Mit dem Potsdamer Ruder-Club Poseidon (1883 gegründet) und dem Berliner Ruder-Club Welle-Poseidon (1894 gegründet).
Das weitläufige Wassergrundstück am Wannsee gehört den drei Vereinen zusammen. Männer und Frauen teilen sich das Grundstück, den Steg und die gemeinsame Leidenschaft für den Sport. Nur der Ton unterscheidet sich hin und wieder – nicht zuletzt, wenn an Tagen mit gutem Wetter alle raus wollen.
"Und man muss dann halt sehen, dass wir alle zügig aufs Wasser kommen und die Boote, die wiegen, man hält die ja meist in der Hand und das man dann ruckzuck aufs Wasser kommt – die einen sagen: "Ey, mach mal hinne!" Und die anderen sagen: "Bitte beeilen!".
In dem schnittigen, weißen Ruderboot greifen an diesem Hochsommertag fünf Frauen von Mitte 40 bis Ende 60 in die Ruder mit den grün-weißen Blättern. Grün-Weiß, das sind die Farben des Frauen-Ruder-Clubs Wannsee.
Hochmotiviert geht es auf den Großen Wannsee, das viel besungene Wassersport-Eldorado im Südwesten Berlins. Ausflugsboote kreuzen, Segelboote gleiten gemächlich durch den seichten Wind, immer wieder sorgen für Ruderer lästige Motorboote für Wellen und Lärm. Auch wenn an diesem Tag die äußeren Bedingungen perfekt sind, ist es relativ ruhig am Steg und auf dem Gelände – die Coronapandemie hat den Rudersport schwer getroffen. Die meisten Boote des Vereins bleiben deshalb im Bootshaus.
"Aufgrund der aktuellen Geschehnisse ist es uns nur gestattet, zwei Boote, maximal zehn Personen und es dürfen auch die Gruppen in sich nicht ausgetauscht werden. Es ist wirklich ärgerlich, für all die, denen es unter den Nägeln brennt." Vielen fehle wirklich der Ausgleich, so Brandt: "Einige, mit denen man telefonisch in Verbindung ist, die sagen auch: Es ist grauenvoll, mir fehlt der Sport so sehr, ich werde zu Hause schon angemault: ‘Geh bloß wieder Rudern‘."

Keine Dusche, kein gemütlicher Plausch

Die Gemeinschaft, die sich im Normalfall auch im geselligen Beisammensein im Klubraum und auf der Terrasse vor dem Bootshaus ausdrückt, gibt es in der Form derzeit nicht. Dennoch halten die Frauen zusammen. Die älteren Mitglieder des Vereins lassen sich zwar in der Regel noch nicht wieder auf dem Gelände sehen, aber sie stehen telefonisch in Kontakt und im Lockdown wurden Einkäufe für sie organisiert. Doch auch für die, die sich zum Training angemeldet haben, ist nicht alles so wie sonst. Die Umkleiden sind geschlossen, ebenso die Duschen und Toiletten und die Frauen müssen sich anmelden, wenn sie aufs Wasser wollen:
"Wir müssen mit Masken die Boote zu Wasser bringen, der Steuermann muss mit Maske rudern wir dürfen unseren kleinen Gemeinschaftsraum nicht benutzen. Wir durften bis Mitte Juni gar nicht rudern, nur mit Partner, ich hatte das Glück, dass ich mit meinem Mann rudern konnte, weil wir sind Partner, ansonsten lag hier alles auf Eis, bis auf Einer rudern und sonst nichts."
Die geltenden Hygienebestimmungen schränken die Rudersportler und -sportlerinnen nach wie vor ein. Hätte man früher geahnt, dass es eines Tages eine Coronapandemie mit entsprechenden Folgen geben würde, würden Ruderboote gegebenenfalls etwas anders aussehen.
"Es ist international genormt, dass die Abstände zwischen den Ruderern 1,40 Meter ist – und ab 1,50 m hätten wir es gedurft und wir können ja nun keine neuen Boote aus dem Boden stampfen."
Im Lockdown war es still auf dem Wannsee, keine Motorboote, keine Ausflugsdampfer, keine Segelboote und kaum Ruderboote, die Natur konnte aufatmen, die Menschen nicht. Jetzt freuen sich die Frauen vom FRCW, endlich wieder als Frauschaft aufs Wasser zu dürfen. Die Rudertermine sind äußerst gefragt – und das nicht nur bei gutem Wetter:
Nach dem Rudern kurz unter die Dusche und dann im Klubraum noch ein Heiß- oder Kaltgetränk, Plaudern über den Sport, die Familie, die Männer – all das fehlt. Heute heißt es nach dem Sport auf Wannsee und Havel: Boot aus dem Wasser, desinfizieren und dann ungewaschen aufs Rad oder ins Auto und ab nach Hause unter die Dusche. So reduziert sich das Vereinsleben derzeit auf den Sport. Und die Frauen vom FRWC hoffen wieder auf bessere Zeiten.

Herrenklub mit Tradition und Villa

Besuch beim Berliner Ruder-Club (BRC), einem der ältesten Ruderklubs der Hauptstadt, gegründet 1880. Eine Reise in die Vergangenheit – und dies gleich in doppelter Hinsicht. Hier ist das Vereinsleben an einem sonnigen Oktobertag - lange vor Corona - unbeschwert. Es scheint, als sei die Zeit stehen geblieben und alles so, wie es in den vergangenen 140 Jahren war. Der BRC ist nicht nur einer der ältesten, sondern auch einer der exklusivsten Klubs der Hauptstadt und entsprechend ausgestattet:
"Für alle Lebenslagen ist Rudern ein guter Sport und dafür haben wir auch reichhaltig Bootsangebote", sagt Georg Grützner, der seit bald 20 Jahren Mitglied des Vereins ist.
Seit 1909 residiert der Berliner Ruder-Club in einem repräsentativen Klub- und Bootshaus am Kleinen Wannsee, nur wenige Ruderschläge vom Frauenruder-Club am Großen Wannsee entfernt. Der Besucher betritt eine riesige Villa mit imposantem Treppenhaus, holzvertäfelten Veranstaltungsräumen, traumhaften Terrassen mit einem spektakulären Blick über das Wasser und auf die historisch bedeutsame Glienicker Brücke.
Das Treppenhaus des BRC.
Traditionsbereich: das Treppenhaus des BRC.© Elmar Krämer
Die Villa ist fast schon ein Schloss. Hier steckt Geschichte in jeder hölzernen Treppenstufe. Das macht sich in der räumlichen Gestaltung und auch in den Vereinsstatuten bemerkbar:
"Wir sind ja ein reiner Herrenruderklub", so Grützner. "Insofern führt der Weg in die Bootshallen nur durch die Umkleiden und was man hier so sieht, ist original Baujahr 1909."
Hohe Decken, ein Interieur, das gern auch für historische Filme als Kulisse dient, mit hölzernen Spinden und langen Bänken. Aus den Duschräumen kommt Wasserdampf, Herren unterschiedlichen Alters schlappen mit Handtüchern um die Hüften durch die Umkleide.
Der Bootsplatz an der Villa des BRC.
Wie ein Schloss: Die Villa des BRC hinter dem Bootsplatz.© Elmar Krämer
Wenig später geht es in ein weiteres Herzstück des Vereins: das Bootshaus.
Hier finden die Vereinsmitglieder alles, was das Herz eines Ruderers begehrt und was dem eigenen Leistungsstand und Anspruch entspricht.
"Also das sind sicherlich 70 bis 80 Boote, die wir hier haben. Die Boote verteilen sich für die Spitzenruderer auch an andere Standorte, die haben dann natürlich da auch Boote liegen und wir haben für den allgemeinen Ruderbereich sechs oder sieben Rennachter, wir haben darüber hinaus noch Gigboote, das sind diese breiteren Wanderboote und dann ergänzt sich das Ganze mit zahlreichen Vierern, Dreiern, Zweiern, Doppelzweiern und bei den Einern hab ich aufgehört zu zählen."
Der Bootsplatz ist so etwas wie das sportliche Herz der Anlage. Der daran anschließende große Steg hat die Form eines umgedrehten Us.
"Wir haben hier samstags bis zu 140 Leute, die samstags morgens, gerade bei traumhaftem Wetter aufs Wasser gehen."
Hinter dem Anleger erstreckt sich der Kleine Wannsee – eine idyllische und ideale An- und Ablegestelle.*)
An diesem Wochenende herrscht reger Betrieb auf dem Bootsplatz, die Sonne scheint, am Himmel ziehen gelegentlich Schäfchenwolken vorüber. Während Leistungssportler ihre Kunststoff-Einer leichtfüßig auf den Schultern zum Steg tragen, schraubt eine Gruppe älterer Vereinsmitglieder an einem würdigen Ruderboot aus Holz.
Menschen tragen ein Boot auf dem Bootssteg.
Vor allem am Wochenende sehr belebt: der Bootssteg des BRC.© Elmar Krämer
"Und jetzt bauen wir gerade den Achter zusammen, weil, der kommt gerade von einer Regatta und quer durch Berlin."
Geschraubt werden müssten: "Die Ausleger, sind insgesamt sechs Schrauben, also mal acht, dann diese große Fügestelle hier, die Trennstelle, auch noch mal acht und das war es dann."
Es sei wohl seit Längerem nicht mehr erlaubt, den Achter als eine Einheit zu transportieren. Immerhin 18 Meter sei er lang.

Zotige Witze im Herrenklub

Sorgfältig gehen die Ruderer mit ihrem Holzboot um – Holz lebt und dieses Stück Holz hat seine Mannschaft schon unzählige Kilometer über die Kanäle der Hauptstadt gefahren. Einige der Männer sind mit diesem Boot in die Jahre gekommen. Durchschnittsalter der Mannschaft vom BRC: um die 75 Jahre. Die meisten von ihnen sind seit Jahrzehnten dabei, viele rudern seit etlichen Jahren zusammen im gleichen Boot. Die Leidenschaft für den Sport haben sie alle gemeinsam und dann hat jeder noch seine ganz persönlichen Gründe, im Herrenklub BRC zu rudern:
"Watt mich reizt? Das ich zu Hause wegkomme", sagt zum Beispiel einer.
Wie im Frauenruderklub herrscht auch im BRC, dem Herrenruderklub, eine besondere Atmosphäre. Man ist unter sich, kann auch mal zotige Witze reißen. Zum Beispiel, wenn der Reporter das Plätschern des Wassers aufnehmen will.
"Geräusche? Ditt könn wa allet machen. Rülpsen, pupsen? Der nimmt schon auf! Da können wir ja alle an den Rand pinkeln hier, dit plätschert auch."
Rund 700 Mitglieder im Alter von zehn bis weit über 80 Jahre hat der BRC. Viele verbindet längst eine lange Freundschaft. Einer von ihnen ist Siegfried Müller. Er fühlt sich sichtlich wohl in seinem Verein und wird wohl solange rudern, wie es geht – für ihn gehören der Sport und der Klub zum Leben dazu.
"Weil es eine Betätigung ist, die den ganzen Körper beansprucht, und Konzentration ist gefragt. Weil es funktioniert nur, hauptsächlich im Achter, wenn alle gleichmäßig ziehen und zum rechten Zeitpunkt einsetzen und auch wieder rauskommen mit den Riemen und gute Kameradschaft, das gehört zum Rudern."

"Das braucht schon richtig Kondition"

Siegfried Müller ist seit einem halben Jahrhundert dabei. Der knapp 80-Jährige ist eine würdevolle Erscheinung: Braun gebrannt, drahtig, durchtrainiert. Das Rudern ist für ihn ein effektives Fitnesstraining für Geist und Körper – bei jedem Wetter und zu jeder Jahreszeit.
"Wenn man älter wird, wenn man über die 50, 55 kommt, dann müssen sie ständig dabeibleiben. Weil, wenn sie längere Zeit pausieren und dann wieder anfangen, dann fällt es doppelt so schwer, ne."
Gerade die älteren Mitglieder des BRC lassen sich von schlechtem Wetter nicht abschrecken. Nur wenn der See zugefroren ist, können sie nicht aufs Wasser, aber natürlich kommen sie auch dann regelmäßig in den Klub.
"Ist zwar ein Sport, den man im Sitzen ausübt, aber das täuscht gewaltig, das braucht schon richtig Kondition. Deshalb, in den Zeiten in denen wir nicht auf Wasser können, beschäftigen wir uns mit Laufen oder auf dem Ruderergometer. Und wir haben das Glück, dass wir hier auch eine Ruderanlage haben, wo wir praktisch das Rudern gut simulieren können."
Das ist dann allerdings "nur" Training – das Rudern auf dem Wasser und unter weitem Himmel ist durch nichts zu ersetzen.
"Das ist jedes Mal ein schönes Erlebnis, wenn das Boot gut läuft, die Mannschaft richtig zulangt und man wunderbar vorwärtskommt. Also das ist unvergleichlich und wenn sie morgens früh am Wochenende hier auf dem Wasser sind und sind nur ein Boot, da kann man nichts für eintauschen, ne."
Beim Berliner Ruder-Club gehen Leistungs- und Breitensport harmonisch Hand in Hand. Seniorenachter, Kinder und durchtrainierte Nachwuchs- und Nationalmannschaftsmitglieder treffen sich auf dem Steg.
Einer von Ihnen ist Alexander Finger, 2001 geboren ist er eine der Nachwuchshoffnungen des deutschen Rudersports. Der Kaderathlet absolviert sechs bis acht Trainingseinheiten in der Woche. Mit der deutschen Juniorennationalmannschaft wurde er im Junioren-Doppelvierer 2019 Weltmeister. Doch auch ohne den Nervenkitzel des Wettkampfs steigt er jedes Mal gern ins Boot.
"Das ist einfach das geniale Gefühl von der Symbiose von dem Menschen mit dem Boot und dann eben noch das Wasser und wie man dann durchs Wasser gleiten kann, das hat dann manchmal schon ein Gefühl von Magie, so leicht wirkt das dann."
Alexander Finger vom BRC.
Kaderathlet: Alexander Finger vom BRC.© Elmar Krämer
Alexander Finger stammt aus einer Ruderfamilie. Er ist im Männerklub BRC groß geworden. Dass Frauen hier meist nur als Gäste, als Steuerfrauen oder in Betriebssportgruppen mit in die Boote steigen, ist er so gewohnt.
"Das stört mich keineswegs. Ich bin damit aufgewachsen, ich kenne es nicht anders und man hat seine Freunde hier und es fühlt sich jetzt nicht an, als würde was fehlen."
Das Gefüge aus Männer– und Frauenruderklubs ist in Aufruhr geraten, seit im Jahr 2018 ausgerechnet dem Hamburger Ruderinnen-Club von der Finanzbehörde der Hansestadt die Drohung ins Haus flatterte, die "Gemeinnützigkeit" überprüfen zu wollen, da diese aufgrund des satzungsseitigen Ausschlusses von Männern nicht gesehen würde. Auch der Bundesfinanzminister äußerte sich entsprechend. Doch dem konnte ohne weitere Folgen für den Ruderalltag durch entsprechende Satzungsänderungen begegnet werden. Nun können Männer zwar Mitglieder werden, aber nicht aktiv rudern. Beim Frauen-Ruder-Club Wannsee und dem Berliner Herrenruderclub sieht man das Thema entspannt. In einer Stadt wie Berlin gibt es genügend Alternativen, findet Georg Grützner.
"Zum Thema Herrenruderklubs ist zu sagen, dass es einige wenige in Deutschland gibt. In Hamburg zwei noch aktuell meines Wissens, in Berlin auch." Dafür gebe es aber eben auch reine Damenrudervereine. "Bei kleinen Städten würde man sagen, naja, es hätte vielleicht ein Geschmäckle, aber wir haben hier in Berlin 55 Ruder-Klubs und Rudervereine." So sei für alle, die Rudersport treiben möchten, eine breite Auswahl in allen Stadtgebieten gegeben. "Insofern sehen wir da auch keine Diskriminierung."

Kooperationen zwischen Frauen- und Herrenruderklub

Seit etlichen Jahren gibt es zudem Kooperationen zwischen Frauen- und Herrenruderklub am Berliner Wannsee. So trainieren Leistungskader der Damen auch bei den Herren, Steuerfrauen sind auch im Herrenboot keine Seltenheit und in Betriebssportgruppen, die ebenfalls die Anlage nutzen dürfen, ist sowieso alles bunt gemischt.
Derzeit wird der Parkplatz vor der riesigen Villa des BRC unterkellert, so wird Platz für neue Umkleiden geschaffen. Nebenbei bemerkt: Im Herrenruderklub gibt es schon länger auch Umkleiden für Damen und im neuen Fitnessbereich im historischen Gebäude können künftig auch Leistungsruderinnen – gegebenenfalls auch vom Frauenruderklub – trainieren.
Karin Bößenroth vom Frauen-Ruder-Club steht auf dem Steg am Großen Wannsee. Sie blickt einem ablegenden Boot ihres Vereins hinterher. Die fünf Frauen an Bord nehmen als erstes die Mund-Nasen-Masken ab, dann greift die Frauschaft hochmotiviert in die Ruder und es geht ab auf den Wannsee, eines der, da sind sich die Mitglieder des Frauen- und Männervereins sicher, schönsten und geschichtsträchtigsten Ruderreviere des Landes.
Sie habe den Eindruck, es gebe Parallelen zur Ruderei 1920, als man in einem langen Rock und einer Bluse gerudert ist. "Sobald die Männer außer Sichtweite waren, konnte man die langen Röcke auf Kniehöhe abknöpfen. Im Moment ist es so, dass wir mit der Maske bis auf den Steg kommen und im Boot dürfen wir sie ablegen. Irgendwie erinnert mich das an die Geschichten von damals."
Und in Richtung des Bootes ruft sie: "Los, zusammen!" Und fügt dann hinzu: "Das ist das Besondere, man kann nicht mehr aussteigen, man muss durchhalten, bis zum Schluss."

*) Wir haben an dieser Stelle eine räumliche Angabe korrigiert.
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