Rote Rosen für Vati

Von Sabine Korsukéwitz |
Die Rechte der Frauen stehen wie in jedem Jahr im Mittelpunkt des Frauentages am 8. März. Rechte, die gegen die Männer und manchmal auch mit ihnen durchgesetzt werden mussten und die - anders als in Deutschland - in vielen Regionen der Welt fast noch Utopie sind.
Sergow: "Es war eine Zeit, die 50er Jahre, da ging unser ganzes Streben nicht in politische Hinsichten, sondern: Wie kommen wir wirtschaftlich wieder auf die Beine?"

An potenziellen Bräuten herrschte kein Mangel: Ein vergilbtes Foto aus den Fifties: Ein Straßencafé zwischen Ruinen, an den Tischen sitzen fast ausschließlich Frauen – in dünnen, x-Mal geänderten Flatterkleidchen, Heim-Dauerwellen unter topfartigen Hütchen.

Krum: "Ich war 17 als der Krieg losging und mit 16 habe ich mich das erste Mal verliebt, und mein Freund, den ich dann hatte, der ist im Krieg gefallen, ja."

Ruinen, Rosinenbomber, Reparationen – Kalter Krieg und Rock’n’Roll. Die Mode, als es wieder welche gab, betonte den sexuellen Unterschied: breite Schultern bei den Herren, die X-Form bei den Damen. Sehr kleidsam! Rein äußerlich war damit die Welt wieder in Ordnung.
Johannes Sergow, ein Kaufmann, Jahrgang 1922 erinnert sich an die Nachkriegsjahre:

Sergow: "Das Verhältnis von Männern und Frauen war zunächst von großem Respekt geprägt, weil ja doch während des Krieges die Frauen weit gehend die Jobs der Männer übernahmen, bis zu den stinkigsten hinunter."

Was niemanden daran hinderte, die Frauen aus diesen Jobs zu entlassen, als die Männer wiederkamen, denn sie galten ja nur als Platzhalter.

Sergow: "Vielleicht hat dieses Muss-Arbeitsstellen von Männern zu übernehmen dazu beigetragen, dass die Frauenwelt erkannte: Mein Gott, was die können, das können wir ja auch! Und dass das dann das Selbstbewusstsein stärkt, das hat sicherlich zu der Frage der Gleichberechtigung ganz Erhebliches beigetragen."

1949 hatten die wenigen "Mütter" des Grundgesetzes den Paragraphen 3 Absatz 2 des Grundgesetzes erstritten: "Männer und Frauen sind gleich berechtigt".
Die Umsetzung dieses schönen Vorsatzes im Alltag, nämlich durch die entsprechenden Änderungen im Bürgerlichen Gesetzbuch wurde verschoben. Es folgten langwierige, teils absurde Diskussionen, in denen sogar Evas Ursünde wieder hervor gezogen wurde.
Agnes Krum stammt aus demselben Jahrgang wie der Kaufmann Sergow, auch sie ist 85 Jahre alt. Sie war ihr Leben lang erwerbstätig als Sozialarbeiterin.

Krum: "Ich hatte sehr vernünftige Eltern und die Mutter war bei uns die starke Persönlichkeit und hat uns so erzogen, also wir waren zwei Schwestern und zwei Brüder, und sagte: Jungs, wenn ihr gescheit seid, heiratet früh und zu uns Töchtern: Also Mädchen, wenn ihr gescheit seid, dann heiratet gar nicht.
Das war ein Scherz, sozusagen: Die Frau ist immer die Dumme in einer Ehe, wollte sie vielleicht darstellen. So habe ich es verstanden: Bleibt alleine, dann geht’s euch besser."

Und daran hat sie sich gehalten. – Bei Johannes Sergow sah die Sache ganz anders aus:

Sergow: "Wir hatten eine relativ genaue Einteilung: Meine Frau stieg aus dem Geschäftsleben völlig aus. Ich konnte zwar bei ihr großes Interesse an meinen beruflichen Dingen feststellen. Allein schon ein verständnisvolles Zuhören war mir sehr, sehr viel wert. Entscheidungen im Haushalt hat meine Frau getroffen. Sie besprach dieses und jenes mit mir, aber das letzte Wort hatte sie. So wie ich in allen beruflichen, finanziellen Dingen der Entscheidende blieb."

Die meisten Frauen ließen sich derartige Witzchen gefallen und lächelten charmant darüber, denn "charmant" hatten Frauen zu sein; die das nicht fertig brachten wurden in missfallendem Ton bezeichnet als...

"...jene alten Frauenrechtlerinnen, die glaubten, es genüge schon, wenn man sich so gebärde wie ein Mann, um ernst genommen zu werden."

Zitat aus einer Rede der SPD-Politikerin Herta Gotthelf.

1950 trat in der DDR das "Gesetz über den Mutter und Kinderschutz und die Rechte der Frau" in Kraft. Über 500 Paragraphen des BGB wurden auf einen Schlag aufgehoben. In der BRD dagegen galten immer noch Bestimmungen von 1900: Der Mann hatte das Entscheidungsrecht sowohl in allen Ehe- als auch Erziehungsfragen und konnte ein Arbeitsverhältnis seiner Frau fristlos kündigen. Frauen hatten keinerlei Verfügungsgewalt über ihr in die Ehe gebrachtes Vermögen. In guten Ehen spielte das sicher keine große Rolle...

Krum: "Ich weiß noch, meine Brüder: In beiden Fällen haben die Frauen eine sehr gute Ausbildung gehabt, aber nie gearbeitet. Meine Brüder sagten: Meine Frau braucht nicht zu arbeiten, nicht? Ich verdien doch genug Geld."

...erinnert sich Agnes Krum, die sich mit ihren Schwägerinnen gut versteht...

Krum: "Die eine ist auch Sozialarbeiterin gewesen, aber hat praktisch nie gearbeitet, weil mein lieber Bruder das gar nicht geduldet hat. Ich meine, heute ist meine Schwägerin sehr alt und es tut ihr Leid, wenn sie sieht, wie ich lebe, wie selbstständig ich bin, wie ich selbst für mich entscheiden kann – sie muss immer ihren Mann fragen. Schrecklich!"

Berufstätigkeit wurde von der Frauenbewegung Jahrzehnte lang als Allheilmittel betrachtet. Das mag in dieser absoluten Form falsch gewesen sein, aber es wurde bedingt durch die Familienpolitik der 50er Jahre.

Konrad Adenauer am 23. Oktober 1953: "Stärkung der Familie und dadurch Stärkung des Willens zum Kind! Der Rahmen für die Entfaltung eines gesunden Familienlebens ist das Heim."

Die Stellung der Frauen im Nachkriegsdeutschland wurde über zwei Achsen definiert: Die der individuellen Rechte und die der Funktion von Frauen als Ehefrau und Mutter. Und diese Funktion sollte unter allen Umständen erhalten bleiben. Adenauers Familienminister Franz-Josef Wuermeling machte deutlich, worum es wirklich ging:

"Millionen innerlich gesunder Familien mit rechtschaffen erzogenen Kindern sind als Sicherung gegen die drohende Gefahr der kinderreichen Völker des Ostens mindestens ebenso wichtig wie alle militärische Sicherung."

Die Sixties: Berliner Mauer, Fernseher werden langsam erschwinglich, Flowerpower, Sexuelle Revolution, Kommune, LSD und Minirock. Und wie die Geschichte immer wieder bewies: Wer Reformen versäumt, riskiert an der Laterne zu enden.

1966 heißt es in einem Bericht der Bundesregierung über die Situation der Frau in Beruf, Familie und Gesellschaft:

"Pflegerin und Trösterin soll die Frau sein; Sinnbild bescheidener Harmonie, Ordnungsfaktor in der einzig verlässlichen Welt des Privaten; Erwerbstätigkeit und gesellschaftliches Engagement sollte die Frau nur eingehen, wenn es die familiären Anforderungen zulassen."

1968 schien die "einzig verlässliche Welt des Privaten" zu implodieren.
Die Filmemacherin Helke Sander, Jahrgang 1937, gründete Anfang 1968 den "Aktionsrat zur Befreiung der Frauen". Was hatte sie dazu bewogen?

Sander: "Weil ich ein Kind damals hatte und immer freiberuflich war und geschieden war und kein Geld bekam von nirgendwoher und ja, mich auch betätigen wollte; ich gleichzeitig sah, wie katastrophal die Zustände waren, als Mutter und Intellektuelle und Verantwortliche gleichzeitig das alles irgendwie zu schaffen. Das ging ja Hand in Hand, die Gründung der Kinderläden, damit die Frauen aus der linken Szene, die schon Kinder hatten, sich auch an diesen ganzen politischen Sachen beteiligen konnten. Weil: Dass Männer das gemacht haben, davon war damals noch keine Rede. Kein Mann wäre mit einem Kinderwagen auf die Straße gegangen. Das war vollkommen unmöglich. Und – haben die Frauen gesagt... müssen wir sehen, wie wir das alles unter einen Hut kriegen.
Also der Anfang war die Kinderfrage."

So einfach wäre es also mal gewesen. Aber wie sagte die kluge Frau, deren Buch in jenen Jahren zur Pflichtlektüre wurde?

"Niemand ist den Frauen gegenüber aggressiver oder herablassender als ein Mann, der seiner Männlichkeit nicht ganz sicher ist."

Simone de Beauvoir. Im September 1968 hielt Helke Sander ihre berühmte Rede vor dem SDS – und wurde von den zumeist männlichen Delegierten belacht und ausgepfiffen. Am liebsten hätte man sie überhaupt nicht aufs Podium gelassen...

Sander: "Es waren ja wochenlang ohne mein Wissen Konferenzen dazwischen SDS Frankfurt – SDS Berlin, man wollte das verhindern, aber ich hab einfach aus Daffke, weil ich wusste: Die Frauen haben gar kein Geld dahin zu fahren, die hatten die Kinder, die konnten gar nicht dahin fahren. Und ich hab gesagt: Na ja, wenn ich da nicht reden darf, dann komm ich eben mit 500 Frauen. Und dass sie mir das geglaubt haben, da habe ich gedacht: Na Jungs, soviel versteht ihr denn auch nicht vom Leben!
Am Abend haben sich praktisch in jeder Universitätsstadt, weil da waren ja Delegierte da von allen, es gab dann Frauengruppen in jeder Stadt, danach, schon am Abend!
Das hat sich dann ganz schnell herum gesprochen."

Aus heutiger Sicht war die herablassende Reaktion der SDS-Männer unverschämt, damals war sie normal:

Sander. "Man darf nicht vergessen, dass die auch alle noch sehr jung waren. Die meisten sind ja noch nicht so richtig als Väter, höchstens als Schwängerer in Erscheinung getreten zur damaligen Zeit, ja? Da fehlte denen viel Verständnis, ja, das wäre heute sicher anders, viele kriegen ja erst mit fuffzig ihr erstes Kind, oder bekennen sich dazu, ich meine von den Männern. Das waren vollkommen andere Welten."

Die Gleichberechtigung kam – wie Willy Brandt später einmal sagen sollte – wie eine Schnecke auf Glatteis voran: Statt "Frauenlohngruppen" gab es nun "Leichtlohngruppen" mit demselben Effekt; geschiedene Männer mussten statt nur bis zum 16. nunmehr bis zum 18. Lebensjahr ihrer Kinder Unterhalt zahlen. Das Familiengesetzbuch der DDR empfahl Eheleuten

"...ihre Beziehung so zu gestalten, dass die Frau ihre berufliche und gesellschaftliche Tätigkeit mit der Mutterschaft vereinbaren kann."

Immerhin: Im sozialistischen Staat wird die Berufstätigkeit der Frau von Staatswegen ermöglicht und unterstützt.
Die meisten jungen Frauen und Mädchen interessiert mehr das, was sie immer interessiert hat: Mode, Make up und Männer...

Sander: "Wir hatten ja auch alle Freunde, das war nicht das Problem, wir wollten ja auch was mit Männern zu tun haben, zumindest sexuell."

Filmausschnitt Oswald Kolle "Das Wunder der Liebe": "Das Vorspiel ist außerordentlich wichtig für die Steigerung des geschlechtlichen Verlangens auch wiederum besonders für die Frau, deren Erregungskurve sanfter ansteigt, als die des Mannes."

Eine ganz andere Revolution hatte inzwischen im Stillen stattgefunden: Zum Ende der 60er Jahre hin begann sich der Gebrauch der Antibabypille zu verbreiten: Sex ohne Angst, Mutterschaft auf Wunsch – die Kinderfrage geriet in den Hintergrund.

Die 70er Jahre: Neue soziale Bewegungen, Emma, Lavalampe, Discowelle, Plateausohlen. Modisch nähern die Männer sich noch weiter an Frauen an: Schlaghosen und Rüschen, Buntes für die Herren, aber auch Saures.
Dr. Ingeborg Siggelkow, Jahrgang 1952, hat Anfang der 70er Jahre angefangen Sozialwissenschaften zu studieren. Die konventionelle Ehe ihrer Eltern hat sie nicht als gutes Beispiel empfunden.

Siggelkow: "Ich hatte mir damals vorgenommen, ich heirate nicht vor meinem 25. Lebensjahr und damals war ich gerade mal 12 Jahre alt, und 25, das war in so weiter Ferne, so dass mich das erstmal entlastet hat. Also ich musste mich mit diesem Rollenmodell, mit dieser gesellschaftlichen Erwartung nicht weiter auseinandersetzen."

Ingeborg Siggelkow ist berufstätig, geschieden, kinderlos. Im Wohnzimmer häufen sich Bücher und Zeitschriften. Auf dem Tisch prangt – einzige Dekoration – eine lila Tischdecke. An einer Kette um den Hals trägt sie ein auffallendes silbernes Schmuckstück: Es stellt weibliche Brüste dar.

Siggelkow: "Die Studentenbewegung hat ja auch in gewisser Weise in die Provinz ausgestrahlt. Und ich habe dann damals auch begonnen Simone de Beauvoir ‚Das andere Geschlecht’ zu lesen und hatte Freundinnen, mit denen ich mich gut darüber austauschen konnte. Eine Freundin, die hat mir hier so einen Modeschmuck, 1970 oder 72, diesen Anhänger geschenkt und sie hatte sich den auch umgehängt und das war für uns so ein Symbol, dass wir unseren eigenen Weg gehen möchten."

Hatten in den 60er Jahren Frauen noch darum gebeten, Mutterschaft und gesellschaftliche Mitwirkung miteinander verbinden zu dürfen, so bricht jetzt ein Sturm los: Die zweite Frauenbewegung: Dolle Minnas in den Niederlanden, BH-Verbrennungen in den USA, "Frauenaktion 70" in der Bundesrepublik. Die Journalistin Alice Schwarzer importiert die Aktion "Ich habe abgetrieben" aus Frankreich...

Die jungen Frauen gingen auf die Straße und viele ältere sahen das durchaus mit Wohlgefallen.

Krum: "Ich fand das in Ordnung, was die Frauen da machten, das fand ich rundrum in Ordnung!"

Eine wesentliche Gesetzesänderung von 1972/73 war relativ wenig beachtet worden: Die Öffnung der Rentenversicherung für Hausfrauen, also eine sehr beachtliche Ungerechtigkeit für Familienfrauen war damit gemindert.
Das Thema der 70er war der Paragraph 218, der nach dem Willen der Sozialdemokratischen Regierung 1974 fallen sollte:

Willy Brandt: "Wenn uns die verzweifelte Lage vieler Frauen wirklich berührt, dann gibt es aus meiner Sicht und aus der Sicht, die so abgestimmt haben wie ich gestern Abend, keinen anderen Weg zu einer Regelung, als den Weg zu einer Beratung ohne Angst und ohne Instanzen frei zu machen."

Bereits ein Jahr später wurde die Fristenlösung vom Bundesverfassungsgericht kassiert. In der DDR war man weiter:

Joachim Rothe: "Die außerordentlich verantwortungsvolle Entscheidung über die vorzeitige Beendigung einer Schwangerschaft wurde in der DDR den Frauen selbst übertragen."

1977 bringt die entscheidende Wende im Familienrecht: Partnerschaftlich soll von nun an alles entschieden werden. Doch privat ist jetzt nichts mehr: Sexualität und Rollenverhalten, Hite Report, Gewalt in der Ehe. Die ersten Frauenhäuser werden gegründet. Die erste Frauenquote gibt es 79 bei Parteigründung der Grünen. Im Alltag ist vieles noch beim Alten, stellt die Sozialarbeiterin Agnes Krum fest:

Krum. "Mein Beruf, das war ja ursprünglich ein ausgesprochener Frauenberuf. Da kamen ja langsam die Männer rein. Und dann erlebte ich in den 70er, 80er Jahren, dass da Männer sehr schnell leitende Positionen übernahmen, obgleich sie ganz neu in den Beruf kamen und die Frauen... das hat viele verärgert!"

"Wenn Sie in der Politik etwas gesagt haben wollen, wenden Sie sich an einen Mann. Wenn Sie etwas getan haben wollen, wenden Sie sich an eine Frau."

Wer hat das gesagt? Margaret Thatcher.
Die 80er: AIDS, Apple, Tschernobyl, Breakdance, im Fernsehen ein smarter Softie: Mc Gyver, im Bundestag strickende grüne Männer, in der Mode Androgynes neben 50er Jahre Revival...
In den 80er Jahren wird der Ton zwischen den Geschlechtern aggressiver: Gefühl und Härte heißt die Parole, vor allem bei gebildeten jungen Frauen.
Elisabeth Schulz, Jahrgang 1962, Finanzbuchhalterin, schlank, blond energisch, allein erziehende Mutter: Mit Frauenfragen ist sie früh in Berührung gekommen:

Schulz. "Ich erinnere mich an diese §218 Geschichte, also dass es darum ging, Abtreibungen vornehmen zu dürfen, das habe ich auch am eigenen Leibe dann mitbekommen, ich bin mit 17 schwanger gewesen und habe eine Abtreibung dann vornehmen lassen und ich war in der glücklichen Situation, dass kurz vorher dieses Gesetz verändert wurde und ich das durfte, sonst hätte ich da ein Problem mit gehabt – das erinnere ich irgendwie, dass ich das dann richtig bewusst wahrgenommen habe und mich auch persönlich dafür eingesetzt habe und diskutiert habe mit Männern."

Vieles war in Bewegung in den 80er Jahren: Es gab wohl wollende Presseberichte über Frauen in Männerberufen...

"Frauen bewähren sich bei der Polizei: In mehreren Bundesländern werden in einem Modellversuch erstmals Frauen zum Vollzugsdienst in der Schutzpolizei zugelassen. Die neuen Kolleginnen stoßen zunächst auf starke Vorbehalte. ... Ein Zwischenbericht für den einjährigen Test kommt allerdings zu dem Ergebnis, dass darin eine Chance zum Umdenken des polizeilichen Selbstverständnisses läge."

Während die männlichen Polizisten dazu neigten, sich dem Bürger gegenüber "ruppig und von oben herab" aufzuführen, hieß es in dem Artikel, sei die Polizistin - man ahnt es schon - "verbindlicher, verständnisvoller".

"Mitmachen " reicht den Studentinnen zu dieser Zeit nicht mehr:

Schulz: "Wir waren in dem Fachbereich alles frauenbewegte Frauen. Das waren Frauenseminare, da durften nur Frauen dran teilnehmen. Ganz klar. Das fing ja damals an, dass Frauen Räume sich erobert wurden, die ‚Begine’ wurde aufgemacht, verschiedene andere Frauenprojekte in der Stadt wurden aufgemacht, überall wurden Frauencafés eröffnet, also eigene Räume, wo nur Frauen rein durften – was ja damals auch zu großen Streitigkeiten geführt hat, warum die jetzt diesen exklusiven Raum da beanspruchen und permanent musste man diskutieren und das sich erkämpfen."

Bernhard Link, Jahrgang 1958, studierte ungefähr um dieselbe Zeit in der Mauerstadt. Er kam aus einer straff matriarchalisch geführten Familie, jüngster Sohn mit vier älteren Schwestern...

Link: "Ich hab das an der Uni mit bekommen, dass es dann immer so Frauengruppen gab, da durfte man in bestimmte Seminare nicht rein, ich fand das eher diskriminierend. Ich hab dafür Verständnis gehabt, ich wusste: da mussten Zirkel gegründet werden, aber eigentlich fühlte ich mich als Individuum ausgeschlossen aus ganz bestimmten Prozessen. Und das fand ich nicht gut."

Im Überschwang der 80er Jahre betrachtete sich praktisch jede jüngere Frau als "frauenbewegt", wer es nicht war, musste sich mit "Tussi" titulieren lassen. Und da kriegte mancher Mann die Rechnung für etwas, das er gar nicht verbrochen hatte:

Link: "Ich glaube, was verletzend war für jeden einzelnen Mann, war das worunter Frauen ja auch litten und wogegen sie angingen, nämlich verletzend war die Verallgemeinerung: Ihr Männer seid ja sowieso... dann hieß man gar nicht mehr ‚Männer’, sondern dann waren es die ‚Chauvis’, die ‚Männerschweine’ und diese Art von Verallgemeinerung, die ist tatsächlich sehr verletzend."

Elisabeth Schulz gibt das zu:

Schulz: "Die Frauen waren stark und sich ihrer Stärke bewusst. Es hat dann eher so – diese Mächtigkeit der Frauen, die hat dann so Auswüchse angenommen, dass man morgens beim Frühstück gesagt hat ‚Gib mir mal die Butter, du Chauvi!’ also da durfte man nicht widersprechen, ja? So war das. Es war klar: Frauen sind unterdrückt und Frauen sind auf der richtigen Seite und es ist völlig legitim, was wir machen... also wir sind da sicher auch über die Stränge geschlagen, ja? Und ich merke, dass mir heute der Begriff ‚Macho’ ganz schwer über die Lippen geht..."

Link: "Auf der einen Seite waren halt alle Männer die doofen Chauvis und wurden genervt, und auf der anderen Seite standen sie alle abends in der Kneipe, wenn es darum ging, den Mann für die Nacht abzuschleppen genau neben diesen Chauvis und fanden die ganz toll. Das fand man dann als etwas differenziert denkender Mann zumindest sonderbar. Und ging dann auch manchmal leer aus! Also wo man dann mit Verhalten konfrontiert war, dass man dachte, also die haben ja echt den Schuss nicht gehört! Morgens große Klappe, sehr aggressiv, wie sie mit ihren Mitmännern umgehen und abends dann wirklich Weibchen, knallrote Lippen und geschminkt und der push up schiebt den Busen hoch!"

Oje! Das sollte in den 90ern noch viel schlimmer kommen. Gab es da nicht so ein Hip Hop Stück, in dem sich Frauen über des Mannes edelstes Teil lustig machten? Und Männerwitze(!) kamen da auf:

"Mann wirft Frau aus dem zehnten Wo steht’s zu lesen? In der BZ. – Frau wirft Mann aus dem zehnten Stock. Wo steht’s? In ‚Schöner wohnen’."

Die 90er Jahre in Deutschland waren ganz der Wiedervereinigung gewidmet und da standen sich dann plötzlich auch Frauen-Welten gegenüber: Die der heldenhaften Traktorfahrerin und die der verwöhnten West-Tussi.
Martina Schachschneider, Jahrgang 49, hatte in der DDR eine leitende Stellung als Biologin.

Schachschneider: "Aufgewachsen bin ich mit einem Männerbild/Frauenbild, das von Gleichberechtigung ausgegangen ist. Also Schule, Studium, Beginn des Arbeitslebens. Innerhalb des Arbeitslebens, glaube ich, war die Frau gleichberechtigter, als ich das heute kennen lerne. Es war sicherlich eine durch Frauenbeauftragte, durch Parteibeschlüsse aufoktruierte Gleichberechtigung. Es war trotzdem eine Männerwelt, die von Frauen durchsetzt war."

Für die Frauen/Ost brachte die Wiedervereinigung Rückschritte.

Schachschneider: "Jetzt haben die ehemaligen DDR-Männer ihr Denken verändert in Bezug auf die Frau: Die DDR-Männer, für die war es bequem zu übernehmen das ... diese Nicht-Gleichstellung der Frau, wie ich denke, dass sie in den Köpfen der BRD-Männer war. Diese Teilung der Geschlechterrollen. Es ist ungewöhnlich, dass die Frau heute mehr verdient. Es ist ungewöhnlich, dass die Frau in einer Führungsposition ist und der Mann nicht. Es ist ungewöhnlich, dass Männer nach zwölf Monaten eben auch drei Monate zu Hause bleiben können, könnten."

Es gab ja die berühmten Kindergärten für alle und den Haushaltstag, einen zusätzlichen freien Tag im Monat, der sicher sehr praktisch war. Grundsätzlich aber war eine partnerschaftliche Organisation der Familie auch in der DDR vom freiwilligen Wohlverhalten der Männer abhängig.

Kräuter: "Ich glaube, aufgelehnt haben sich die Frauen im Osten nicht so sehr, die haben dann eher für sich entschieden, das zum Beispiel, wenn nicht auf ihre Ansprüche reagiert wurde, dann wurde sich eben geschieden. Wenn der Mann nicht mitmachte, man war ja nicht abhängig davon – ganz viele Frauen haben ja gearbeitet. Im Kollegenkreis weiß ich, dass das ganz viel so war: da hat man gar nicht Ewigkeiten diskutiert oder versucht jemanden zu ändern, sondern hat man entschieden: Dann ohne ihn."

Jacqueline Kräuter geschieden, ein Kind, hat als Schäfer gearbeitet.
Nach der Wiedervereinigung war sie plötzlich SchäferIn...

Kräuter. "Dass ich auch drauf hingewiesen wurde von Kolleginnen: Du bist jetzt so und so, irgendeine Berufsbezeichnung mit ‚In’ dran, weil ‚wir Frauen müssen ja kämpfen’, das habe ich überhaupt nicht so in meiner Entwicklung erlebt, dass man da so kämpfen muss."

In den 90er Jahren wurde: das Nachtarbeitsverbot für Frauen aufgehoben, Vergewaltigung in der Ehe unter Strafe gestellt, ausländischen Ehefrauen ein eigenes Bleiberecht zugestanden, die freizügige DDR-Regelung des Schwangerschaftsabbruchs durch eine Quasi-Fristenlösung mit Zwangsberatung abgelöst. "Gender mainstreaming" wird eingeführt und misstrauisch beäugt, weil jede Seite meint, dass es der anderen nützt. In der Mode: schmale Schultern für den Herrn, groteske Säcke für die Dame.

"Die Emanzipation ist erst dann vollendet, wenn auch einmal eine total unfähige Frau in eine verantwortliche Position aufgerückt ist."

Wer hat das gesagt? Heidi Kabel.
Im neuen Jahrtausend ist die Gleichberechtigung wieder in einen gemütlichen Schlenderschritt gefallen.
Man hat Chauvis beschimpft, Lila-Latzhosen-Weiber belächelt, das weibliche Talent zum Kuchenbacken abwechselnd gelobt und geschmäht, Männer und Frauen analysiert – das Pendel schwang hin und her. Eine neue Generation wagt ihr Glück miteinander.
Da ist zum Beispiel Benjamin Denes, Journalist, 1976 geboren. Seine Mutter war allein erziehend. Rollenklischees hat er zu Hause nicht kennen gelernt:

Denes: "Mir ist aufgefallen, dass ich als Kind einer allein erziehenden Mutter anders aufwachse als andere, wenn ich bei Freunden war, bei denen die Mutter meistens vormittags zu Hause war in den Schulferien, und die hat und dann irgendwie Brote geschmiert oder es roch nach frisch gewaschener Wäsche, diesen Geruch gab’s bei uns immer nur am Wochenende. Die Waschmaschine hatte von montags bis freitags frei, weil wir Jungs nicht selber gewaschen haben, sondern das alles im Team gemacht haben.
Teamwork habe ich aber zum Beispiel so auch kennen gelernt. Die gleichberechtigte Arbeit mit einer Frau war für mich selbstverständlich, weil wir eben als Familie, drei Söhne und eine Mutter ganz viele elementare Haushaltsaufgaben zusammen erledigt haben."

Na bitte, da isser doch, der "neue Mann"!

Denes: "Ich glaube die Möglichkeiten sind nicht optimal – bis heute. Die Möglichkeit, Gleichberechtigung im Job, in der Beziehung und in der Rolle zu den Kindern zu haben, die ist immer noch gering. Ich weiß aber nicht, ob man da überhaupt eine politische Lösung findet. Es gibt ja jetzt das Elterngeld, und ich kann mir vorstellen, wenn wir mal Kinder haben, zu Hause zu sein, wenn meine Freundin, die Lehrerin ist, zur Arbeit geht. Das ist auch eine Frage von Gleichberechtigung von der ich profitiere. Weil ich es als Gewinn empfinde, Zeit mit den Kindern zu verbringen. Ich fände es sehr armselig, wenn ich, während meine Frau quasi mitbekommt wie die Kinder größer werden, den ganzen Tag bei der Arbeit bin."

So ein Vati kriegt dann auch rote Rosen zum Frauentag.
Sophie Krause, Jahrgang 1986 ist Praktikantin und möchte in die Werbung. Von den tumultösen Ereignissen der 60er bis 80er Jahre weiß sie nicht viel, nur...

Krause: "Es hat sicher eine ganze Menge gebracht; ohne diese ganzen Bewegungen wären wir heute, wir Frauen wirklich nicht da, wo wir jetzt wären - und ich denke, dass die Frauen da auch recht zuversichtlich sein können, dass es in den nächsten Jahren und in den nächsten Jahrzehnten immer entspannter wird und dass Männer und Frauen auf der gleichen Ebene ankommen."

Wir sind noch nicht da. Aber fast...

Krause: "Ich bin auch immer wieder entrüstet, wenn man in Familien kommt, dass man da dann wirklich mitkriegt, dass die so gut wie gar nichts zu Hause leisten müssen: Die Jungs können halt den ganzen Tag vor ihrem Computer sitzen und chatten, PC spielen, Sport machen, aber das dann auch mal so ein bisschen Haushalt mit gegeben wird, ein paar Haushaltsaufgaben mit verteilt werden, das war echt überhaupt nicht der Fall!
Aber früher oder später werden ihre Frauen ihnen schon sagen, wat se zu tun haben!"