50 Jahre Roskilde

Das ambitionierte Ziel vom nachhaltigen Festival

07:56 Minuten
Luftaufnahme auf den Zeltplatz vom Roskilde Festival 2022
Das Roskilde Festival ist eine Woche lang die viertgrößte Stadt Dänemarks – dadurch entsteht eine Menge Müll. Der soll durch verschiedene Maßnahmen eingedämmt werden - zum Beispiel, wie nah man am Gelände zelten darf. © picture alliance / Ritzau Scanpix
Aida Baghernejad im Gespräch mit Martin Böttcher |
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Das Roskilde Festival in Dänemark feierte mit zwei Jahren Pandemieverpätung sein 50. Jubiläum. Sehr viel präsenter als dieses Jubiläum sei aber das Festivalziel der Nachhaltigkeit gewesen, sagt Journalistin Aida Baghernejad. Sie zieht eine gemischte Bilanz.
Das Roskilde Festival ist mit fast 150.000 Teilnehmer*innen eines der größten Musikfestivals der Welt. Vergangenes Wochenende fand es zum 50. Mal statt – und feierte mit zwei Jahren Verspätung sein 50-jähriges Jubiläum mit Headlinern wie The Strokes, Dua Lipa oder Tyler, the Creator.
Sehr präsent sei das Jubiläum nicht gewesen auf dem Festival, berichtet Musikjournalistin Aida Baghernejad, die vor Ort war. Auch, wenn es etwa einige Banner gegeben habe und T-Shirts mit der Aufschrift „fifty times“. „Nach zwei Jahren Aufschub war vielleicht auch schon die Luft raus.“

Multidimensionale Nachhaltigkeit angestrebt

Das Thema Nachhaltigkeit hingegen habe sich beim Roskilde Festival durch verschiedene Bereiche gezogen. Bereits seit einigen Jahren geht es bei dem Festival nicht mehr nur um die Musik, sondern auch um Kunst und Aktivismus. Ziel des Festivals ist es, nachhaltiger zu werden. Da sei generell natürlich immer die Frage zu stellen, ob die Nachhaltigkeit eine tatsächliche sei oder doch eher eine vorgebliche, also „Greenwashing“, betont Baghernejad.
Das Roskilde strebe multidimensionale Nachhaltigkeit an. Diese bezieht sich nach Angaben des Festivals nicht nur auf Umwelt und Klima, sondern schließt auch die soziale, ökonomische und künstlerische Dimension ein. Vor allem bedeute das: ein diversifiziertes Booking, das über den inländischen und den von den USA und Großbritannien dominierten Mainstream-Musikmarkt hinausgehe, so Baghernejad. So seien sehr viele Künstler*innen aus dem globalen Süden aufgetreten, viele junge Künstler*innen aus marginalisierten Gruppen der Gesellschaft – und: "Geschlechtergerechtigkeit auf Bühne war ein Thema“.

Müllreduktion steht im Zentrum

Zentral sind laut der Nachhaltigkeitsmanagerin des Festivals, Sanne Stephansen, aber Maßnahmen, die sich auf Klimafreundlichkeit beziehen, etwa die Reduktion des Dieselverbrauchs. 2019 verbrauchte das Festival demnach noch 160.000 Liter Diesel; das hat sich durch den Verzicht auf die auf Großveranstaltungen immer noch üblichen Generatoren und den Anschluss des Geländes an das Energienetz halbiert.
Ein großer Teil der Teilnehmer*innen reise mit öffentlichen Verkehrsmitteln an, so Aida Baghernejad. Seit 2017 verfüge das Festival über eine eigene Bahnhaltestelle, gleichzeitig gebe es nur eine sehr begrenzte Anzahl an Parkmöglichkeiten für Autos. „Ein bisschen Zuckerbrot und Peitsche.“ Hinzu komme ein hoher Anteil an Biolebensmitteln.
„Im Zentrum stehen aber vor allem Initiativen zur Müllreduktion“, so Baghernejad. Denn das Festival ist eine Woche lang die viertgrößte Stadt Dänemarks – und so entstehe eine Menge Müll.
Dem begegne das Festival mit zahlreichen Maßnahmen: Beispielsweise muss man sich auf die begehrten Zeltplätze in der Nähe des Geländes bewerben und verpflichtet sich damit dann etwa, ein Zelt zu mieten, statt selbst mitzubringen, zu Reinigungsarbeiten oder zur Organisation von Community-Projekten. Wer das nicht will, muss sehr viel weiter weg zelten.

Pläne nur zum Teil erfolgreich

Die ambitionierten Pläne des Festivals gingen aber nur zum Teil auf, resümiert Aida Baghernejad. Bis 2024 will das Festival 30 Prozent weniger Müll produzieren im Vergleich zu seiner letzten vorpandemischen Ausgabe 2019. "Und tatsächlich sagten viele Teilnehmer*innen und auch Mitarbeiter*innen, es gebe bedeutend weniger Müll als in den vergangenen Jahren." Dennoch sei auf dem Festival sehr viel Müll zu sehen, auch auf vermeintlich nachhaltigen Camingplätzen.
Maßnahmen, die in Deutschland schon lange üblich seien, wie etwa ein Pfand auf Müll bei Festivals, würden in Dänemark noch abgelehnt. Auch die Umstellung auf ein komplett vegetarisches Essensangebot, wie es etwa das Fusion Festival in Deutschland schon lange hat, werde hier noch kritisch gesehen. „Es besteht die Sorge, dass der Fleischkonsum dann zum Beispiel vor allem auf dem Zeltplatz stattfindet. Lieber soll durch Anreize und Alternativen eine nachhaltigere Ernährung und Lebensweise als attraktiv und gleichwertig vermittelt werden.“

Keine unrealistischen Versprechungen

Und können auch andere Festivals vom Roskilde lernen? Zu einem gewissen Grad, meint Baghernejad. Wegen seiner „not-profit“-Politik könne es „Teilnehmer*innen zu nachhaltigeren Verhaltensweisen zwingen“, als etwa kommerzielle Festivals das könnten – aus Sorge, dass Publikum abspringe.
Jenseits einzelner Maßnahmen stellt Aida Baghernejad aber die Frage, ob ein Festival überhaupt jemals wirklich nachhaltig sein könne. „Dadurch, dass das Roskilde Festival eine temporäre Stadt ist, verbraucht sie durch den Fakt, dass sie temporär ist, eben weit mehr Ressourcen als der Alltag.“
Generell sei aber spannend zu sehen, dass das Roskilde sehr transparent sei in Bezug auf seine Nachhaltigkeitsziele: „Neben der Beschäftigung einer dezidierten Nachhaltigkeitsmanagerin werden etwa auch Zahlen wie die Höhe der Abfallproduktion oder der Verbrauch von fossilen Brennstoffen publiziert.“ Zudem mache das Festival keine unrealistischen Versprechungen, wie etwa, in Rekordzeit „CO2-neutral“ zu werden. „Und vielleicht ist dieser Realismus genau das, was in der Debatte um die Klimakatastrophe und unseren Umgang damit, gebraucht wird.“

(abr)

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