Rosen aus Bogotà

Von Jochanan Shelliem |
Wenn Gewerkschaftler auf die Straße gehen, dann heißt der Sündenbock Globalisierung. Im Frankfurter Museum für Kommunikation geht es in der Ausstellung <em>Globalisierung 2.0</em> um den Versuch, die heißeste Verwerfung der Gegenwart zu ordnen.
Was ist Globalisierung? Zunächst das Wort. Es war ein Ökonom, 1983 beschrieb der Wirtschaftswissenschaftliche Theodore Lewitt in Harvard seinen Aufsatz von der Veränderung der Märkte. Zehn Jahre später erst verwandelte sich der wirtschaftswissenschafliche Begriff in das Chamäleon und den Sündenbock, der er heute ist. In der Ausstellung finden sich viele Symbole für den Prozess.

500 Leute wurden sie angeschrieben, nach einem Gegenstand gefragt, der für Globalisierung stehen könnte. Campino kam – was Wunder, schien doch die Sonne und man schrieb 2006 – auf einen Fußball. Hessens Ministerpräsident Roland Koch und Christa Rau schlossen sich an. Nehmt meinen alten Laptop sagte der Zoodirektor und eine Schülerin aus Shanhai tipte auf den Kaffeepappbecher einer amerikanischen Rösterei, Greenpeace stiftete das Bullauge der Esperanza, die so manchen Walfang vereitelt hat und manches Verklappen auf dem Meer. Und auch die Wirtschaftler stifteten ein Symbol, das als Aufschrift auf einer Fahne am Treppenaufgang zur Ausstellung die Schau auf ihren kürzesten Nenner bringt

Benedikt Burkard: „Mein Lieblinsexponat ist die Black Scholes Formel, die hat Dirk Schumacher. Der Chef von Goldman Sachs in Frankfurt. Risiken berechnen, dafür haben Black und Scholes den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften bekommen.“

Benedikt Burkard hat mit Gundula Bavendamm zwei Jahre lang versucht, das was Gewerkschaftlern als Greuel, Industriellen als Unwägbarkeit und dem Kleinen Mann als Angstfigur vor Augen steht in einer Ausstellung auf sachliche Weise zu erläutern. Also gelangt man von der Treppe, geleitet von Symbolen der Globalisierung zur Erläuterung ihrer Voraussetzung.

Verblüffend sind die Kurven. Von vorn. Also wie Pflanzen Erde Wasser, Licht benötigen, nährt sich die die Globalisierung vom Geldzufluss, also dem investierten Kapital. dazu gehören auch die Kosten für Kommunikation und von Transport. Verblüffend, welchem Preisverfall dabei die Ferngespräche seit der Erfindung des Telegrafen im Jahre 1850 unterworfen worden sind. Dasselbe gilt für die Transportkosten, zentral dabei ist eine kleine Box.

„Zentral ist ein Objekt, das natürlich nur als Modell gezeigt wird der Container. Dieser internationale ISO Standart Container ... dieses Objekt hat die Transportkosten gesenkt, man schätzt heute auf ein fünfhundertstel dessen, was die Transportkosten im Jahre 1830 waren.“

Was der weltweiten Telekommunikation die Digitalisierung aller Daten, das ermöglichen Standart Container in dem heute 95 Prozent aller weltweit gehandelten Waren im Umlauf sind. Womit Investitionen in die globalisierte Produktion sich wieder lohnen. Verblüffend dass die Summe der Auslandsinvestition erst 1989 den Stand von 1907 erreicht. Museumsleiter Helmut Gold

„Genau Beide Weltkriege ... vor dem Ersten Weltkrieg ... ein Höhepunkt des Kapitalverkehrs ... mit dem Krieg und dem Natioonalen.. eingebrochen.“

Und nun folgen die Beispiele wie im Rundgang durch die Dateien eines begehbaren PC. Eine junge Frau strahlt, langstielige Rosen hält sie im Arm. Ihr Freund kommt aus Offenbach, sagt der Text unter dem Plakat, die Rosen aus Bogotà. Und dann erläutern Diagramme, Weltkarten, ein wortloses Video und kleine Exponate den Weg der Blumen von der Andenhochebene, wo die Rosen an einem Sonntag Nachmittag um 17 geschnitten werden per Esel, Flugzeug, Kühllaster nach Frankfurt am Main, wo der erste Kunde sie drei Tage drauf um neun Uhr morgens für die Liebste kaufen kann.

Zehn Prozent des Preises bleiben bei der kolumbianischen Arbeiterin. Zwölf Beispiele vom Blumenhandel bis zum Immobilienverkauf thematisiert, doch kein Kalvarienberg erscheint. Was Second Hand war wird zur Quilt-Kleiderschnitt in Afrika. Die Kuratorin Gundula Bavendamm

„Man muss sich vorstellen, das allein Deutschland im Jahr 700 Tonnen Alkleidung produziert. Inhalte aus den Altkleider-Containern gehen nach Südosteuropa und das südliche Afrika. Die Exponate, die wir zeigen, Altkleider, per Container nach Afrika auf die lokalen Märkte gelang sind. Wir haben sie zurückgeholt als Exponat in das Museum für Kommunikation.“

Was anderorts zu kreativem Aufschwung neuer Mode-Branchen führt, die scheinbar kostenlose Überbrückung von Entfernung ermöglicht auch den Siegeszug normierter Formate.

Gold: „”Wer wird Millionär ist das Beispiel, in über 100 Länder wird dieses Sendeformat vertrieben, und auch sehr streng, ganz klare Regeln, lokale Moderatoren. Aber insofern ist das Unterhaltung, die weltweit funktioniert."“

Die Ausstellung ist eine deutsche Schau, eine, die auf angenehme Weise mit Bild, Ton, Text und Rückwandprojektionen arbeitet, Aspekte ausleuchtet, wie den Weg der elektrischen Zahnbürste, deren Komponenten von drei Kontinenten stammen, ganz zu schweigen von der kleinen Nordseekrabbe, die frisch aus der Dose in Hamburg verzehrt gute zehntausend Lkw-Kilometer hinter sich hat. Die Weltkarte hat sich verändert, wer die Lufthansa anruft, der wird von Melbourne aus beraten, vielleicht sitzt sein Call-Center-Girl aber auch in Shanghai und wer eine polnische Kinderfrau beschäftigt, der setzt eine Nanny-Chain in Gang, denn irgendwer passt ja auf deren Kinder auf.

Es ist ein anstrengender, auch ein lehrreicher Rundgang, sachlich und ohne Seitenhieb und Ironie, ein Blick in die Geschichte der Globalisierung, nach der man manchen Leitartikel besser versteht.


Service:
Die Ausstellung „Globalisierung 2.0“ ist im Museum für Kommunikation Frankfurt bis zum 2. September 2007 zu sehen.