Rosa von Praunheim gestorben

Nun kann er "schlafen, träumen und ausruhen"

Der Filmemacher, Autor, Künstler und Schwulenaktivist Rosa von Praunheim hält eine Rose in der Hand.
Rosa von Praunheim: Gerade erst hatte er geheiratet, nun ist er gestorben. © picture alliance / Wolfram Steinberg
Der Filmemacher Rosa von Praunheim ist gestorben. Vor kurzem hatte er in einem Interview mit dem DLF auch über den Tod gesprochen und gesagt: "Ich freue mich darauf."
Der Berliner Filmemacher Rosa von Praunheim ist tot. Er starb im Alter von 83 Jahren. Von Praunheim war eine prägende Figur der Schwulenbewegung in Deutschland. Erst vor wenigen Tagen hatte er seinen langjährigen Partner Oliver Sechting geheiratet.
Im Laufe seiner Karriere drehte der Regisseur rund 150 Filme, darunter „Die Bettwurst“ und „Rex Gildo - Der letzte Tanz“. Von Praunheim malte auch und schrieb Theaterstücke und Bücher.

Die "perverse" Situation der Homosexuellen

Der Film „Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt“ machte ihn 1971 schlagartig bekannt. Der damals 29-jährige gab darin Einblicke in die Parallelwelt der Homosexuellen, denen er zugleich einen Spiegel vorhielt: „Das Wichtigste für alle Schwulen ist, dass wir uns zu unserem Schwulsein bekennen“, lautet ein Schlüsselsatz. 
Mehr als 70 Mal fällt in diesem Film das Wort „schwul“. Das homophobe Schimpfwort wurde so zur positiven Selbstbezeichnung umgedeutet. Aus der marginalisierten sexuellen Orientierung wurde ein politisches Signal. 
Der Filmemacher war auch für streitlustige öffentliche Auftritte bekannt, zum Beispiel in Talkshows. In seiner wohl umstrittensten Aktion outete er 1991 den TV-Koch Alfred Biolek und den Komiker Hape Kerkeling im Fernsehen - gegen deren Willen.

"Wir müssen sichtbar sein"

Gerade Leute, die in den Medien präsent seien, hätten eine Verantwortung zu zeigen, dass Homosexualität eine gleichberechtigte Lebensform sei, meinte er: „Wir müssen sichtbar sein.“ Das sahen aber längst nicht alle so: Das Outing wurde als übergriffig kritisiert.
Von Praunheim setzte sich mit der Aidskrise („Ein Virus kennt keine Moral“), Sexarbeit und seiner eigenen Vergangenheit auseinander. Geboren 1942 im deutsch besetzten Riga, wuchs der spätere Regisseur als Holger Mischwitzky bei seinen Adoptiveltern aus Ostberlin auf.

Geboren in einem Gefängnis in Riga

Wie er erst mit über 60 erfuhr, kam er im Zentralgefängnis von Riga zur Welt und verbrachte das erste Jahr im Waisenhaus. Im Dokumentarfilm „Meine Mütter - Spurensuche in Riga“ begab er sich 2007 auf die Suche nach seinen Wurzeln. Seine Adoptivfamilie floh in den Westen und siedelte sich in Frankfurt an, wo er an der Offenbacher Werkkunstschule Malerei studierte und bald zum experimentellen Film fand. 
Später avancierte von Praunheim vom Avantgarderegisseur zum Vorreiter der deutschen Schwulen- und Lesbenbewegung. Mit dem queeren Musical „Stadt der verlorenen Seelen“ (1983) und „Transsexual Menace“ von 1996 realisierte er die ersten deutschen Filme über transidente Menschen.

Lehrer und Mentor

Als Lehrer und Mentor von Axel Ranisch und Tom Tykwer prägte von Praunheim auch das Filmschaffen der nächsten Generation. 2020 erhielt er auf dem Filmfestival Max Ophüls den Ehrenpreis für seine Verdienste um den jungen deutschsprachigen Film.
Erst Ende November war der auf der Berlinale mit dem Teddy Award ausgezeichnete Doku-Filmessay „Satanische Sau“ ins Kino gekommen. Es geht um Sex, Tod, schwules Leben und schließlich auch um die Politik des Autorenfilmers und Aktivisten.

Offene Worte über den Tod

In Interviews kokettierte von Praunheim damit, dass ihm eine Wahrsagerin sein Sterbedatum vorhergesagt hatte, angeblich für das Jahr 2023. Er sprach sehr offen über den Tod. In einem Gespräch mit dem Deutschlandfunk sagte er vor rund drei Wochen, er freue sich darauf. „Ich bin ja so eine Ratte, die ständig arbeiten muss und ständig hektisch in Bewegung ist.“ Das sei zwanghaft.
„Sich vorzustellen, dass ich schlafen kann, dass ich träumen kann, dass ich ausruhen kann, das ist ein wunderbares Gefühl“, sagte der Filmemacher. Von Praunheim betonte in dem Interview, er habe sich viel mit dem Freitod beschäftigt, beschrieb einen assistierten Suizid und nannte dabei die „Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben“.
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