Ronja von Rönne: "Wir kommen" im Theater

Panik, lieblich säuselnd und schleichend

Gehypt: die Autorin Ronja von Rönne
Ronja von Rönne: Wortreich gehypt © picture alliance / dpa / Maurizio Gambarini
Von Michael Laages · 09.04.2017
Der Ronja von Rönne-Roman "Wir kommen" hat es schnell auf die Bühnenbretter geschafft. Die Uraufführung im Staatsschauspiel Dresden blieb frei von Hype und Moden und ließ Überflüssiges geschickt weg. Das Fazit unseres Kritikers: Theater kann mehr.
Ob die Autorin wohl so richtig glücklich und zufrieden war über den ersten Versuch eines Theaters mit "Wir kommen", dem ersten Roman der weithin wortreich gehypten Bloggerin und Jung-Journalistin Ronja von Rönne? Oder ob sie akzeptiert hat, dass das Theater das eigene Recht einforderte – und das Regie-Team um die ebenfalls junge Regisseurin Tea Kolbe den Buch-Text darum vernünftigerweise eindampfte und verdichtete auf jenen Kern der Fabel, der auf der Bühne nun durchaus stärker wirkt als das auf 200 Buch-Seiten versammelte Brimborium drumherum?

Im Theater wird die Geschichte beschnitten

Obendrein hat die Uraufführung auf der kleinsten Bühne des Staatsschauspiels in Dresden all das ignoriert, was die junge Autorin zum modischen "It-Girl" am journalistisch-medialen Boulevard werden ließ, vor allem auch die wohlfeilen Grobheiten etwa zum zeitgenössischen Feminismus. Das ist dem Material ziemlich gut bekommen.
Denn so nimmt auch die latente Finsternis zu im Konstrukt von Rönnes Text – Nora, die zentrale Figur, ist eingekesselt von Traumata und Depressionen. Die Kindheitsfreundin Maja ist gerade gestorben; und als beide 13, 14 Jahre alt waren, hat diese zu Radikalitäten neigende Partnerin offenbar einen Jungen, vielleicht einen Schulkameraden, in einen tödlichen Unfall getrieben.

Sturz von der Brücke

Nun, mit etwa Mitte 20, begleicht sie die Schuld von damals und stürzt sich selber von derselben Brücke … überraschend für Nora. Die ist wohl spätestens seit damals in Depressionen verstrickt; was sie jetzt erzählt, schreibt sie zunächst auch mit Kreide auf den Bühnenboden. Im Roman gibt’s ein Tagebuch als Teil der Therapie, weil der Psychiater gerade Urlaub hat – Brimborium, kann wegfallen.
Nora führt den Kampf gegen die frühe Prägung zudem seit einiger Zeit mit völlig untauglichen Mitteln – sie hat sich eingelassen auf ein Leben zu viert, mit Leonie, Jonas und Karl. Leonie taucht als "Alter Ego" der frisch verstorbenen Maja auf. Das Quartett ist fatal gestrickt – denn Noras Ex-Freund ist, mit neuer Partnerin, Teil der Gruppe. Das kann nicht gut gehen.
Aus dem Text heraus destilliert die Inszenierung nun eine weitere Figur: Die heißt "Panik" und drängt sich nicht per "Attacke", sondern lieblich säuselnd, schleichend, subkutan immer wieder in Noras Welt.

Verdichtung auf Noras Innenleben

So gelingt die Verdichtung auf Noras Innenleben, aber auch durch die Bühnen-Idee von Anne-Alma Quastenberg – im Rundbau einer Art "Laterna Magica" sind die Wand-Segmente halbseitig verspiegelt; und in diesem runden Gefängnis befinden alle sich stets im Gegenüber mit dem eigenen Ich. Das klingt einfach, stärkt die Konzentration und Verdichtung des Textes aber enorm.
Und Antje Trautmann, eine der stärksten jüngeren Persönlichkeiten im Dresdner Ensemble, macht die psycho-pathologische Fokussierung auf der Bühne erlebbar; mit Lucie Emons als vielgesichtige Maja (oder eben Leonie) sowie als "Panik" Hannelore Koch (die eine der Stützen der Dresdner Ensemble-Gesellschaft seit Jahrzehnten ist) gelangt sie an weitere Horizonte, als das im Buch möglich ist.
Es ist wohl so: Theater kann mehr.
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