Romney versus Gingrich

Von Klaus Remme |
Das Feld der republikanischen Präsidentschaftskandidaten hat sich gelichtet. Nach dem Überraschungssieg von Newt Gingrich bei der Vorwahl in South Carolina ist das Rennen wieder offen. Der bisherige Favoriten Mitt Romney muss nun unbedingt die Vorwahl in Florida gewinnen.
Eigentlich ist alles wie immer. Hände werden geschüttelt, Babys gestreichelt, Musik und Gesang sollen patriotische Emotionen vermitteln, live oder vom Band ist es oft die Hymne, gerne auch Folk und Country. Und doch, auf ihrer Suche nach dem Gegner von Präsident Barack Obama liefern die Republikaner in diesem Jahre eine beispiellose Show und der Satz des Historikers Allen Lichtman von der American University in Washington bestätigt sich ein ums andere Mal:

Nichts ist sicher dieses Mal, sagt Lichtman, seit Jahrzehnten intensiver Beobachter. Nach den Wahlen in Iowa, New Hampshire und South Carolina sind drei Gewinner aktenkundig, die Primary-Karawane nach Florida weitergezogen. Einige Kandidaten sind inzwischen auf der Strecke geblieben. Ein Pawlenty, eine Bachmann, sie sind längst vergessen. Selbst die Namen Cain und Perry sind wenig mehr als Fußnoten amerikanischer Wahlkampfgeschichte.

Doch während die Zahl der Kandidaten immer kleiner wird, wächst der Wald von Kameras und Mikrofonen bei jeder Veranstaltung. Kein Wunder, mit Florida meldet sich morgen ein politisches Schwergewicht zu Wort. Während andere wichtige Bundesstaaten wie Kalifornien, Texas oder New York fest in entweder demokratischer oder republikanischer Hand sind, ist Florida ein klassischer „swing state“. Florida ist sich seiner Rolle wohl bewusst, gegen den Widerstand anderer Bundesstaaten wurde der Wahlkalender eigenwillig umgeworfen, die Wahl in den Januar vorverlegt, Florida setzte außerdem durch, dass der Wahlsieger alle Delegierten für die Nominierung bekommt, nicht nur seinen Anteil gemessen am Ergebnis. Susan MacManus ist Politikwissenschaftlerin an der University of South Florida in Tampa. Aus Sicht der Republikaner ist Florida auf dem Weg ins Weiße Haus im November ein absoluter Pflichtsieg. Ein Grund, warum die Kandidatenkür dieses Jahr im August in Tampa stattfindet.

Electability, Wählbarkeit, die Chance, gegen Obama zu bestehen, dieses Kriterium steht für viele Konservative landesweit im Mittelpunkt. Florida ist in dieser Hinsicht ein guter Test, in Iowa und South Carolina war das Gewicht der evangelikalen Wähler allzu maßgeblich, Florida ist ein anderes politisches Pflaster.

Es gibt große ethnische und religiöse Unterschiede. Zum Beispiel sind 11 Prozent der republikanischen Wähler Latinos aus mehreren Ländern, der Anteil jüdischer Wähler ist stärker, auch der von Katholiken. Selbst im Lager der Protestanten gibt es mehrere Strömungen.

Als sich die Kandidaten am Donnerstag vergangener Woche zum letzten Mal vor der Wahl in Jacksonville zur Fernsehdebatte trafen, bot sich vor Ort auf dem Gelände der University of North Florida in der Tat ein heterogenes Bild. Angezogen von den grellen CNN-Scheinwerfern nutzten Occupy-Demonstranten einerseits und rechtspopulistische Gruppen andererseits die landesweite Bühne. Mit Forderungen wie der Abschiebung von Illegalen und dem Verbot der Schariah zog eine kleine Gruppe rund um Terry Jones über den Campus, Jones macht einst mit der Ankündigung den Koran verbrennen zu wollen, Schlagzeilen. Verzieht euch, riefen viele Studenten, ihr habt hier nichts zu suchen:

Auf der Bühne im Forum konzentrierte sich die Aufmerksamkeit schnell auf Mitt Romney und Newt Gingrich. Auch wenn vier Kandidaten um Stimmen werben, diese Wahl ist ein Zweikampf. Beide Kandidaten wussten um die Bedeutung der Debatte. Finanziell vergleichsweise schwach, hatte Gingrich seinen Wahlkampf von Beginn an auf Erfolge in den inzwischen 19 Fernsehdebatten gebaut. Romney plant seine Kampagne seit Jahren, er hat das Geld, er hat das Netzwerk, Team Romney plant in der Regel schon ein, zwei Bundesstaaten voraus.

Zwei bekannte Lager stehen sich gegenüber: Romney mit dem Partei-Establishment im Rücken und Gingrich, unterstützt von konservativen Wutbürgern rund um die Tea-Party-Bewegung. Dies ist kein Kampf um Inhalte, um Programme und unterschiedliche politische Ziele. Weniger Steuern, weniger Schulden, keine Gesundheitsreform à la Obama, weniger Regierung, weniger Washington, mehr individuelle Freiheit – das wollen sie alle. Nein, hier zählt Stil und Tonlage, Charakter und Image.

In Werbespots wie diesem hier, stellt Mitt Romney seinen Gegner als Washington-Insider dar, der als Lobbyist an der Immobilienkrise verdient hat. Gingrich behauptet, er habe lediglich als Historiker für den Immobilienriesen Freddie Mac gearbeitet.

Wenn dieser Typ gewinnt, freut sich Obama, heißt es am Ende dieser Negativwerbung. Nach dem deutlichen Sieg von Newt Gingrich vor neun Tagen in South Carolina klingelten im Romney Lager sämtliche Alarmglocken, die Medienkampagne wurde intensiviert, für jeden Dollar, den Gingrich ausgibt, investiert Romney fünf. Anstatt wie bisher Obama anzugreifen, nahm Romney Gingrich ins Visier, Unterstützung kam von vielen Seiten. Gingrich gilt als streitbar, vor allem als unberechenbar.

Als Sprecher des Abgeordnetenhauses hat er sich in den 90er-Jahren viele Feinde im eigenen Lager gemacht. Seit Monaten zieht er, abgesehen von seiner Frau Callista, weitgehend allein durchs Land. Romney selbst bekam einen neuen Debatten-Coach und das hat sich offenbar ausgezahlt. Am Donnerstagabend gelang es ihm zum ersten Mal, seinen wirtschaftlichen Erfolg, seinen Status als Millionär, als Teil der 0,01 Prozent, selbstbewusst und authentisch zu verteidigen. Er habe Arbeitsplätze geschaffen, er sei stolz auf seine Leistung und auf die Steuern, die er zahle:

Fast schien es wie ein Spiel mit vertauschten Rollen. Romney parierte harmlose Angriffe, Gingrich wirkte müde und hatte sich durch großspurige Versprechungen angreifbar gemacht, den Wählern in der Raumfahrtregion rund um Cape Canaveral hatte er am Tag zuvor eine US-Mondkolonie innerhalb von acht Amtsjahren versprochen. Ich würde jeden, der mir so etwas vorschlägt, feuern, sagte Romney und Kandidat Ron Paul, der hier in Florida kaum aktiv ist und auf andere Bundesstaaten setzt, ergänzte, der Mond eigne sich durchaus, um den ein oder anderen Politiker loszuwerden:

Die Umfragen belegen persönliche Eindrücke vor Ort. Nach Anfang Dezember in Iowa hat es Mitt Romney offenbar zum zweiten Mal in acht Wochen geschafft, einen Trend zugunsten von Newt Gingrich binnen Tagen zu kippen. Im Durchschnitt aktueller Umfragen liegt Romney zurzeit gut 11 Prozentpunkte vor seinem Konkurrenten. Anfang letzter Woche sprach Gingrich noch vor mehreren Tausend Anhängern. In einer Latino-Kirchengemeinde in Orlando hatten sich am Samstag weniger als hundert Neugierige eingefunden:

Er wolle jetzt mal runter von der Bühne, sagte Gingrich, versprach jedem ein gemeinsames Foto und versuchte das Beste aus einer misslichen Lage zu machen. Doch kurze Zeit später war es schwierig, neben den Journalisten auch Wähler zu finden. Nur richtige Menschen, hieß es zur versammelten Presse.

Also Gingrich werde sie wohl nicht wählen, sagt diese Wählerin, sie empfinde den Kandidaten als sehr eingebildet. Insbesondere als Frau ist sie kein Einzelfall, während Gingrich bei männlichen Wählern mit Romney gleichauf liegt, liegt er bei weiblichen Wählern 19 Prozentpunkte hinten. Callista ist seine dritte Ehefrau, hässliche Betrugsaffären sind vielen noch in Erinnerung, mögliche Erklärungen für diese Zahlen.

Ein weiterer Grund für Romneys Hoffnungen: Nach seiner Niederlage gegen John McCain 2008 hat er seine Kontakte zu den Latinos im Sunshine-State systematisch kultiviert. Mit großem Erfolg. In aktuellen Umfragen liegt er bei den Hispanics mit 24 Prozentpunkten vorn. Als Newt Gingrich ihn in einem Radiospot als Anti-Einwanderungskandidaten an den Pranger stellte, meldete sich Marco Rubio zu Wort, Latino-Senator aus Florida mit kubanischen Wurzeln. Bei vielen Beobachtern steht Rubio ganz oben auf der Liste möglicher Kandidaten für das Amts des Vize-Präsidenten, Gingrich reagiert sofort, zog den Spot zurück. Beste Referenzen kann Romney auch für die zweite große Gruppe der Latinos in Florida vorweisen, den Wählern aus Puerto Rico.

Gouverneur Luis Fortuno selbst war nach Orlando gekommen, um Mitt Romney zu unterstützen. Newt Gingrich hat es also schwer. Er verkauft sich den Wählern als Rebell gegen das Partei-Establishment und gegen die Wallstreet-Insider.

Doch auch wenn Washington Outsider Herman Cain jetzt seine Unterstützung für Gingrich öffentlich gemacht hat, auch wenn Sarah Palin Sympathie bekundet, Politikwissenschaftlerin Susan MacManus ist angesichts der Frage, ob dieses Kalkül aufgehen kann, skeptisch.

Gingrich und Washington, das ist nur schwer zu trennen, er selbst wirbt mit seinen Erfolgen seinerzeit im Kongress, wie kann er sich da als Stimme von außen etablieren. Für Gingrich ist das kein Problem. Meine Botschaft ist einfach, sagt der Mann, der sich als wahrer Erbe von Ronald Reagan begreift:

„1996 und 2008 haben wir jeweils moderate Republikaner nominiert und verloren, nur ein wahrer Konservativer kann in einer Debatte mit Obama bestehen.“

Doch der lupenreine Gegenentwurf zu Barack Obama heißt nicht Newt Gingrich. Rick Santorum definiert sich als klare ideologische Alternative zum Präsidenten. Romney und Gingrich haben in den vergangenen Jahren für eine Krankenversicherungspflicht plädiert, heute sind sie strikt dagegen. Santorum treibt seine Gegner mit diesem Vorwurf immer wieder in die Enge.

Rick Santorum steht in den Umfragen bei gut 13 Prozent. Zu wenig für einen Durchbruch, ausreichend, wie er meint, um im Rennen zu bleiben. Das Gleiche gilt für den vierten im Bunde, für Ron Paul. Als Kandidat mit libertären Forderungen bietet er eine inhaltliche Alternative, die auf Dauer für zehn Prozent gut ist:

„Sie können zwar nicht gewinnen, aber ihre Wähler fehlen den anderen Kandidaten, falls die Kandidatur erst beim Parteitag im August entschieden wird, könnten sie als Zünglein an der Waage noch sehr wichtig werden.“

MacManus hält dieses Szenario für möglich, aber nicht wahrscheinlich. Gewinnt Mitt Romney morgen in Florida, ist sein Status als Favorit wieder hergestellt. Finanzielle Ressourcen und gute Organisation werden in den kommenden Wochen immer wichtiger, allein am 6. März wird in zwölf Bundesstaaten gleichzeitig gewählt. In seinem Heimatstaat Virginia hat es Newt Gingrich aufgrund mangelnder Unterstützung nicht einmal auf den Stimmzettel geschafft. Doch Vorsicht, wie sagte Professor Alan Lichtman von der American University eingangs:

„One thing we know about this primary season is, every time you think you know something, you really don’t.“
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