"Rommel"-Produzent weist Vorwürfe zurück
Die ARD zeigt am Donnerstag "Rommel" - einen Film über den Feldmarschall der Deutschen Wehrmacht, Erwin Rommel. Produziert hat ihn Nico Hofmann, der sich mit der Verfilmung historischer Stoffe wie "Die Flucht" oder "Dresden" einen Namen gemacht hat. Vor unserem Gespräch mit Hofmann hat Bernd Sobolla den Film kurz vorgestellt.
Bernd Sobolla über "Rommel"
Kassel: Ulrich Tukur in der Rolle des Erwin Rommel im Fernsehfilm "Rommel", einer Produktion von Teamworks, der Firma von Nico Hofmann, und der ist jetzt am Telefon. Tag, Herr Hofmann!
Nico Hofmann: Ja hallo, ich grüße Sie!
Kassel: Herr Hofmann, als ich das erste Mal davon gehört habe, dass Sie "Rommel" gemacht haben, habe ich kurz gedacht, hat er nicht schon mal? Hat er nicht. Warum eigentlich erst – ja wirklich, weil einige andere haben ja. Warum eigentlich erst jetzt ein Film über Erwin Rommel?
Hofmann: Ja, also, man muss in der Tat fragen bei vielen Stoffen, warum nicht vorher schon, das gilt ja auch für die "Flucht", das gilt für "Dresden". Also gerade bei der "Flucht" ist es eigentlich unbeschreiblich, dass das Thema Flucht und Vertreibung, kann man sagen, 40, 50 Jahre nie Fernsehthema war. "Rommel" ging jetzt, weil wir einfach sehr neue Forschungsergebnisse hatten, die noch mal die berühmte Frage nach seiner Rolle im Widerstand beleuchtet haben. Und dann ist der zeitliche Abstand bei den Stoffen halt meistens auch sehr segensreich, wenn Sie noch mal mit einer anderen Generation von Regisseuren, von Schauspielern darauf schauen können, und deshalb ist der Zeitpunkt jetzt eigentlich der richtige auch für mich gewesen.
Kassel: Haben Sie eigentlich eine Erklärung dafür, warum Rommel so faszinierend ist offenbar für viele Menschen bis heute? Ich habe mal gezählt: Von 1998 bis jetzt hat es ohne Ihren vier große Fernsehproduktionen über ihn gegeben.
Hofmann: Ich glaube, er fasziniert, weil er immer noch mit so einem Mythos beladen und belastet ist. Also in der Erinnerung ist es immer der Mythos des sauberen Soldaten, des großen Feldherren. Im Grunde genommen, viele Menschen wissen gar nicht, dass er sich umgebracht hat. Also viele denken, er ist im Kampf gestorben, "Kampf" in Anführungszeichen. Also alle diese Dinge stehen da im Hintergrund, und der Film rollt ja jetzt doch noch mal sehr genau die letzten sieben Monate auf, und man bekommt, wie ich finde, noch mal ein völlig anderes Bild über sein Psychogramm, über die Hintergründe seines Verhaltens. Es ist uns ja auch vorgeworfen worden, weil natürlich die Familie ihr eigenes Familienbild zu Rommel pflegt. Aber ich fühle mich doch mit dem, was wir da jetzt gemacht haben, sehr wohl und auch sehr sicher, muss ich sagen.
Kassel: Glauben Sie, dass man mit solchen Filmen Leute überzeugen, Meinungen verändern kann? Die Familie vielleicht nicht, aber es gibt ja auch unter anderen diese extremen Meinungen. Für die einen war Rommel regelrecht ein Held des Widerstands, für die anderen war er ein typischer NS-Scherge.
Hofmann: Also ich glaube ja, dass der große Zuspruch, der all diese Produktionen jetzt begleitet hat, bei "Dresden" war die Quote ja fast genauso hoch wie bei der "Flucht" – im Grunde genommen ist da doch eine tiefe deutsche Offenheit und irgendwo auch Sehnsucht drin, sich mit eigener Geschichte durchaus noch mal viel differenzierter auseinanderzusetzen. Und es prägt natürlich auch das Geschichtsverständnis von Zuschauern. Also, sie haben jetzt die Liebesgeschichte so hochgedrückt – wir haben jetzt eigentlich seit Jahren diese Liebesgeschichte überhaupt nicht mehr in den Filmen drin, weil die Zuschauer wesentlich nüchterner, wesentlich differenzierter schauen.
Also so der Bahnbrecher war "Mogadischu" von uns vor etwa drei Jahren, der im Grunde genommen ganz, ganz protokollarisch, faktisch erzählt ist und trotzdem fast acht Millionen Zuschauer bekommen hat. Also die Leute sind mittlerweile viel, viel mehr mit geschichtlichem Interesse ausgestattet und deshalb kann man ihnen auch viel mehr zumuten. Auch "Rommel" mutet einiges zu. Das ist jetzt kein glorioser Militärienfilm über Wüstenfuchs und viele Panzer, sondern es ist ein Psychogramm über diesen Mann, und trotzdem rechne ich damit, dass Menschen das anschauen werden und auch anschauen wollen.
Kassel: Sie haben etwas Erstaunliches gesagt am Wochenende, oder es stand zumindest in der Zeitung, im "Berliner Tagesspiegel", da sind Sie nämlich gefragt worden, warum nicht doch mal wieder ein Film über die 70er-Jahre machen, den Deutschen Herbst, da haben Sie, Zitat, geantwortet: "Was wollen Sie da noch erzählen? Wir haben Dutschke erzählt, Bernd Eichinger die RAF." Wenn ich das nehme, muss ich ja im Umkehrschluss daraus ziehen, Sie sind der festen Ansicht über den Zweiten Weltkrieg und die NS-Zeit ist noch lange nicht alles erzählt?
Hofmann: Ja, das ist wirklich so. Man muss auch sagen, ich habe da keine Begründung dafür. Also der Dutschke-Film von uns, der hat die schlimmste Einschaltquote meines Lebens gehabt. Der lief, glaube ich, bei 1,1 Millionen Zuschauern im ZDF, Prime Time – also es ist verrückt, dass diese Zeit dermaßen im Grunde genommen noch vorurteilsbeladen konnektiert ist, dass viele Menschen sich dieser Zeit auch anscheinend überhaupt nicht aussetzen. Also der RAF-Film vom Bernd lief wesentlich besser. Aber das ist eine Zeit, die irgendwie im kollektiven Gedächtnis eine völlig andere Rolle spielt als das Dritte Reich.
Und das Dritte Reich hat vielleicht, ich kann es immer nur von mir sagen, ich erlebe ja bei mir immer wieder, was es auslöst. Ich habe den Rommel-Film meinem Vater gezeigt, und es sind dann immer doch stundenlange hoch emotionale Diskussionen, die der Film dann auslöst. Im Grunde genommen über seine eigene Jugend, seine eigene Kindheit und immer wieder diese Fragestellung: Wie war das möglich?
Und das scheint mich auch noch in meiner Generation, ich bin 52, im Unterschied zu meinen Studenten, wo das quasi noch einmal eine Generation später ist. Mich beschäftigt das in der Tat nach wie vor.
Kassel: Nun hat man ja, wenn man gewisse Figuren zeigt, und Erwin Rommel zählt sicher dazu, immer dieses Risiko, dass man am Ende einen anderen Eindruck erweckt, den man erwecken wollte. Also dass man jemanden, der maximal vielleicht als tragischer Held bezeichnet werden kann, dann doch in den Augen – Leute sehen, was sie sehen wollen – in den Augen der Zuschauer doch zu einem großen Helden macht. Haben Sie davor Angst?
Hofmann: Ich habe davor, offen gesagt gar keine Angst. Und ich muss auch einfach sagen, es ist ja auch belegbar, was wir da machen. Also ich bin da weder revanchistisch geprägt noch bin ich jemand, der da nicht mit äußerster Sensibilität vorgeht. Übrigens auch Niki Stein. Ich nenne jetzt mal ein Beispiel: Wenn der "Stern" jetzt schreibt, dieser Film verklärt in der Abendunterhaltung den Rommel zum Pop-General Hitlers, und macht selbst als "Stern", Gruner-und-Jahr-Magazin, eine Andy-Warhol-Collage ins Blatt, dann ist das die Angelegenheit vom "Stern" und nicht von mir.
Der Film ist keine Huldigung von Rommel. Der Film hat in jeder einzelnen Sequenz die Fragestellung der Ambivalenz, der Entscheidungsfähigkeit oder Nichtentscheidungsfähigkeit. Also ich könnte Ihnen jetzt jede Szene von dem Film analysieren, warum wir die so gedreht haben. Und ich muss immer sagen, wenn jemand es so sehen will, soll er es so sehen.
Ich glaube, dass für viele dieser Fernsehabend am Donnerstag doch nochmal eine Erhellung bringt auch über die Art und Weise, wie im Dritten Reich mit Gehorsam, mit Moral, auch mit Schuld umgegangen worden ist, und das ist eine generationsübergreifende Thematik, die weit über Rommel hinausgeht.
Kassel: Sie planen, darüber ist viel schon geschrieben worden, einen Film über das Leben von Adolf Hitler, 360 Minuten, acht Teile, soll und muss wahrscheinlich bei dem Umfang international finanziert werden. Da hatte ich kurz das Gefühl, als ich das das erste Mal gelesen habe, okay, jetzt ist Hofmann inzwischen gewöhnt, für jeden Film, den er dreht, auch schon vorher Ärger zu bekommen, dann sagt er, jetzt ist es mir egal, jetzt mach ich auch mal was, wo ich wahrscheinlich noch mehr Ärger bekomme.
Hofmann: Ja, der Ärger ist in der Tat oft, aber man kommt ja, wenn man so lange sich damit beschäftigt, wir haben ja auch – das ist ja auch eine innere Beschäftigung. Es ist nicht eine marktkalkulierte – also viele Leute denken immer, ich mache jetzt aus Marktkalkulation, aber offen gestanden geht das gar nicht, weil am Ende des Tages stehen Sie ja doch mit Ihrer eigenen Moral auch in der Pflicht, wenn Sie so ein Programm machen.
Das meine ich ganz ernsthaft: Jeder, der mitspielt. Jemand wie Ulrich Tukur überlegt sich wochenlang, ob er so eine Rolle annimmt und wie er sie gestaltet. Man kommt dann in der Tat immer wieder auf das zentrale Thema, Hitler selbst. Das ist ganz klar. Und es ist für mich fast schon folgerichtig aus den Arbeiten, die wir gemacht haben.
Übrigens bin ich nicht alleine: Jan Mojto, der einer der großen europäischen Produzenten ist, der hat den "Untergang" ganz maßgeblich mitfinanziert mit Bernd Eichinger. Er hat "Das Leben der Anderen" maßgeblich möglich gemacht. Ein hochkluger, hochintellektueller Mann. Wir beide sind jetzt in Cannes auf der Fernsehmesse vorgeprescht. Ich sage Ihnen auch, warum: Weil zwei ausländische Firmen dasselbe vorhatten. Und warum müssen wir unsere Geschichte von Kanadiern beziehungsweise einem englisch-amerikanischen Firmenverbund erzählen lassen? Da gibt es keinen Grund dafür.
Und wir haben uns sehr weit vorbereitet mit dem Konzept über Hitler, übrigens auch ein Konzept einer Demystifizierung, einer sehr, sehr klugen, sehr klaren Analyse auch der Verführung, der politischen Verführung, auch in der Tat psychologisch gebaut. Ich probiere es aus, ich probiere die Bücher aus, und entweder sind die gut, dann kann ich es machen, wenn die Bücher nicht gut sind, über Rommel gab es ja auch mal drei Jahre lang Bücher, die nicht überzeugt haben, da habe ich es auch nicht gedreht am Anfang. Dann werde ich auch den Hitler nicht machen, aber wenn es gut wird, dann denke ich, kann das noch einmal eine hochinteressante Produktion werden.
Kassel: Nun weiß man von Ihnen, Sie haben das mehrmals erzählt, dass Sie an den ersten drei Drehtagen, so sagen Sie es, merken, ob ein Film funktioniert oder nicht. Bei so einer Produktion, international kofinanziert, dieses Ausmaß, Verträge, Gelder – was machen Sie, wenn Sie bei "Hitler" am dritten Drehtag das Gefühl haben, es funktioniert nicht?
Hofmann: Das kann ich Ihnen sagen. Dann müssen Sie es wahrscheinlich stoppen, ja, weil, wenn Sie so eine große Produktion haben und Sie merken, es stimmt nicht, dann müssen sie stoppen, das hat auch mit dem Thema jetzt hier zu tun, aber das wird Ihnen jeder Kollege von mir auch sagen, auch jemand wie Regina Ziegler. Es gibt eine goldene Produzentenregel, das sind immer diese drei Tage, warum auch immer. Aber es ist so. Sie merken nach drei Tagen, ob es stimmt oder nicht. Und bei so einem großen Projekt müssen Sie wahrscheinlich ganz den Stecker ziehen, das ist richtig.
Kassel: Klare Worte vom Fernseh- und Filmproduzenten Nico Hofmann, der mit seiner Firma Teamworks und internationalen Koproduzenten die Serie über Hitler plant, das ist noch Zukunftsmusik. "Rommel" ist fertig, und der Film läuft übermorgen um 20:15 Uhr in der ARD im ersten Fernsehprogramm. Und dann wird er in Asien sein und wahrscheinlich bald dann ganz nervös auf die Quote gucken. Aber darüber reden wir jetzt nicht, die kennen wir ja noch nicht. Ich danke Ihnen für den Moment, Herr Hofmann!
Hofmann: Okay, tausend Dank, tschüss!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
"Rommel" - TV-Event am Feiertag - Geschichte und Emotionen - Das Konzept des Produzenten Nico Hofmann
SWR-Themenportal zum Film
Kassel: Ulrich Tukur in der Rolle des Erwin Rommel im Fernsehfilm "Rommel", einer Produktion von Teamworks, der Firma von Nico Hofmann, und der ist jetzt am Telefon. Tag, Herr Hofmann!
Nico Hofmann: Ja hallo, ich grüße Sie!
Kassel: Herr Hofmann, als ich das erste Mal davon gehört habe, dass Sie "Rommel" gemacht haben, habe ich kurz gedacht, hat er nicht schon mal? Hat er nicht. Warum eigentlich erst – ja wirklich, weil einige andere haben ja. Warum eigentlich erst jetzt ein Film über Erwin Rommel?
Hofmann: Ja, also, man muss in der Tat fragen bei vielen Stoffen, warum nicht vorher schon, das gilt ja auch für die "Flucht", das gilt für "Dresden". Also gerade bei der "Flucht" ist es eigentlich unbeschreiblich, dass das Thema Flucht und Vertreibung, kann man sagen, 40, 50 Jahre nie Fernsehthema war. "Rommel" ging jetzt, weil wir einfach sehr neue Forschungsergebnisse hatten, die noch mal die berühmte Frage nach seiner Rolle im Widerstand beleuchtet haben. Und dann ist der zeitliche Abstand bei den Stoffen halt meistens auch sehr segensreich, wenn Sie noch mal mit einer anderen Generation von Regisseuren, von Schauspielern darauf schauen können, und deshalb ist der Zeitpunkt jetzt eigentlich der richtige auch für mich gewesen.
Kassel: Haben Sie eigentlich eine Erklärung dafür, warum Rommel so faszinierend ist offenbar für viele Menschen bis heute? Ich habe mal gezählt: Von 1998 bis jetzt hat es ohne Ihren vier große Fernsehproduktionen über ihn gegeben.
Hofmann: Ich glaube, er fasziniert, weil er immer noch mit so einem Mythos beladen und belastet ist. Also in der Erinnerung ist es immer der Mythos des sauberen Soldaten, des großen Feldherren. Im Grunde genommen, viele Menschen wissen gar nicht, dass er sich umgebracht hat. Also viele denken, er ist im Kampf gestorben, "Kampf" in Anführungszeichen. Also alle diese Dinge stehen da im Hintergrund, und der Film rollt ja jetzt doch noch mal sehr genau die letzten sieben Monate auf, und man bekommt, wie ich finde, noch mal ein völlig anderes Bild über sein Psychogramm, über die Hintergründe seines Verhaltens. Es ist uns ja auch vorgeworfen worden, weil natürlich die Familie ihr eigenes Familienbild zu Rommel pflegt. Aber ich fühle mich doch mit dem, was wir da jetzt gemacht haben, sehr wohl und auch sehr sicher, muss ich sagen.
Kassel: Glauben Sie, dass man mit solchen Filmen Leute überzeugen, Meinungen verändern kann? Die Familie vielleicht nicht, aber es gibt ja auch unter anderen diese extremen Meinungen. Für die einen war Rommel regelrecht ein Held des Widerstands, für die anderen war er ein typischer NS-Scherge.
Hofmann: Also ich glaube ja, dass der große Zuspruch, der all diese Produktionen jetzt begleitet hat, bei "Dresden" war die Quote ja fast genauso hoch wie bei der "Flucht" – im Grunde genommen ist da doch eine tiefe deutsche Offenheit und irgendwo auch Sehnsucht drin, sich mit eigener Geschichte durchaus noch mal viel differenzierter auseinanderzusetzen. Und es prägt natürlich auch das Geschichtsverständnis von Zuschauern. Also, sie haben jetzt die Liebesgeschichte so hochgedrückt – wir haben jetzt eigentlich seit Jahren diese Liebesgeschichte überhaupt nicht mehr in den Filmen drin, weil die Zuschauer wesentlich nüchterner, wesentlich differenzierter schauen.
Also so der Bahnbrecher war "Mogadischu" von uns vor etwa drei Jahren, der im Grunde genommen ganz, ganz protokollarisch, faktisch erzählt ist und trotzdem fast acht Millionen Zuschauer bekommen hat. Also die Leute sind mittlerweile viel, viel mehr mit geschichtlichem Interesse ausgestattet und deshalb kann man ihnen auch viel mehr zumuten. Auch "Rommel" mutet einiges zu. Das ist jetzt kein glorioser Militärienfilm über Wüstenfuchs und viele Panzer, sondern es ist ein Psychogramm über diesen Mann, und trotzdem rechne ich damit, dass Menschen das anschauen werden und auch anschauen wollen.
Kassel: Sie haben etwas Erstaunliches gesagt am Wochenende, oder es stand zumindest in der Zeitung, im "Berliner Tagesspiegel", da sind Sie nämlich gefragt worden, warum nicht doch mal wieder ein Film über die 70er-Jahre machen, den Deutschen Herbst, da haben Sie, Zitat, geantwortet: "Was wollen Sie da noch erzählen? Wir haben Dutschke erzählt, Bernd Eichinger die RAF." Wenn ich das nehme, muss ich ja im Umkehrschluss daraus ziehen, Sie sind der festen Ansicht über den Zweiten Weltkrieg und die NS-Zeit ist noch lange nicht alles erzählt?
Hofmann: Ja, das ist wirklich so. Man muss auch sagen, ich habe da keine Begründung dafür. Also der Dutschke-Film von uns, der hat die schlimmste Einschaltquote meines Lebens gehabt. Der lief, glaube ich, bei 1,1 Millionen Zuschauern im ZDF, Prime Time – also es ist verrückt, dass diese Zeit dermaßen im Grunde genommen noch vorurteilsbeladen konnektiert ist, dass viele Menschen sich dieser Zeit auch anscheinend überhaupt nicht aussetzen. Also der RAF-Film vom Bernd lief wesentlich besser. Aber das ist eine Zeit, die irgendwie im kollektiven Gedächtnis eine völlig andere Rolle spielt als das Dritte Reich.
Und das Dritte Reich hat vielleicht, ich kann es immer nur von mir sagen, ich erlebe ja bei mir immer wieder, was es auslöst. Ich habe den Rommel-Film meinem Vater gezeigt, und es sind dann immer doch stundenlange hoch emotionale Diskussionen, die der Film dann auslöst. Im Grunde genommen über seine eigene Jugend, seine eigene Kindheit und immer wieder diese Fragestellung: Wie war das möglich?
Und das scheint mich auch noch in meiner Generation, ich bin 52, im Unterschied zu meinen Studenten, wo das quasi noch einmal eine Generation später ist. Mich beschäftigt das in der Tat nach wie vor.
Kassel: Nun hat man ja, wenn man gewisse Figuren zeigt, und Erwin Rommel zählt sicher dazu, immer dieses Risiko, dass man am Ende einen anderen Eindruck erweckt, den man erwecken wollte. Also dass man jemanden, der maximal vielleicht als tragischer Held bezeichnet werden kann, dann doch in den Augen – Leute sehen, was sie sehen wollen – in den Augen der Zuschauer doch zu einem großen Helden macht. Haben Sie davor Angst?
Hofmann: Ich habe davor, offen gesagt gar keine Angst. Und ich muss auch einfach sagen, es ist ja auch belegbar, was wir da machen. Also ich bin da weder revanchistisch geprägt noch bin ich jemand, der da nicht mit äußerster Sensibilität vorgeht. Übrigens auch Niki Stein. Ich nenne jetzt mal ein Beispiel: Wenn der "Stern" jetzt schreibt, dieser Film verklärt in der Abendunterhaltung den Rommel zum Pop-General Hitlers, und macht selbst als "Stern", Gruner-und-Jahr-Magazin, eine Andy-Warhol-Collage ins Blatt, dann ist das die Angelegenheit vom "Stern" und nicht von mir.
Der Film ist keine Huldigung von Rommel. Der Film hat in jeder einzelnen Sequenz die Fragestellung der Ambivalenz, der Entscheidungsfähigkeit oder Nichtentscheidungsfähigkeit. Also ich könnte Ihnen jetzt jede Szene von dem Film analysieren, warum wir die so gedreht haben. Und ich muss immer sagen, wenn jemand es so sehen will, soll er es so sehen.
Ich glaube, dass für viele dieser Fernsehabend am Donnerstag doch nochmal eine Erhellung bringt auch über die Art und Weise, wie im Dritten Reich mit Gehorsam, mit Moral, auch mit Schuld umgegangen worden ist, und das ist eine generationsübergreifende Thematik, die weit über Rommel hinausgeht.
Kassel: Sie planen, darüber ist viel schon geschrieben worden, einen Film über das Leben von Adolf Hitler, 360 Minuten, acht Teile, soll und muss wahrscheinlich bei dem Umfang international finanziert werden. Da hatte ich kurz das Gefühl, als ich das das erste Mal gelesen habe, okay, jetzt ist Hofmann inzwischen gewöhnt, für jeden Film, den er dreht, auch schon vorher Ärger zu bekommen, dann sagt er, jetzt ist es mir egal, jetzt mach ich auch mal was, wo ich wahrscheinlich noch mehr Ärger bekomme.
Hofmann: Ja, der Ärger ist in der Tat oft, aber man kommt ja, wenn man so lange sich damit beschäftigt, wir haben ja auch – das ist ja auch eine innere Beschäftigung. Es ist nicht eine marktkalkulierte – also viele Leute denken immer, ich mache jetzt aus Marktkalkulation, aber offen gestanden geht das gar nicht, weil am Ende des Tages stehen Sie ja doch mit Ihrer eigenen Moral auch in der Pflicht, wenn Sie so ein Programm machen.
Das meine ich ganz ernsthaft: Jeder, der mitspielt. Jemand wie Ulrich Tukur überlegt sich wochenlang, ob er so eine Rolle annimmt und wie er sie gestaltet. Man kommt dann in der Tat immer wieder auf das zentrale Thema, Hitler selbst. Das ist ganz klar. Und es ist für mich fast schon folgerichtig aus den Arbeiten, die wir gemacht haben.
Übrigens bin ich nicht alleine: Jan Mojto, der einer der großen europäischen Produzenten ist, der hat den "Untergang" ganz maßgeblich mitfinanziert mit Bernd Eichinger. Er hat "Das Leben der Anderen" maßgeblich möglich gemacht. Ein hochkluger, hochintellektueller Mann. Wir beide sind jetzt in Cannes auf der Fernsehmesse vorgeprescht. Ich sage Ihnen auch, warum: Weil zwei ausländische Firmen dasselbe vorhatten. Und warum müssen wir unsere Geschichte von Kanadiern beziehungsweise einem englisch-amerikanischen Firmenverbund erzählen lassen? Da gibt es keinen Grund dafür.
Und wir haben uns sehr weit vorbereitet mit dem Konzept über Hitler, übrigens auch ein Konzept einer Demystifizierung, einer sehr, sehr klugen, sehr klaren Analyse auch der Verführung, der politischen Verführung, auch in der Tat psychologisch gebaut. Ich probiere es aus, ich probiere die Bücher aus, und entweder sind die gut, dann kann ich es machen, wenn die Bücher nicht gut sind, über Rommel gab es ja auch mal drei Jahre lang Bücher, die nicht überzeugt haben, da habe ich es auch nicht gedreht am Anfang. Dann werde ich auch den Hitler nicht machen, aber wenn es gut wird, dann denke ich, kann das noch einmal eine hochinteressante Produktion werden.
Kassel: Nun weiß man von Ihnen, Sie haben das mehrmals erzählt, dass Sie an den ersten drei Drehtagen, so sagen Sie es, merken, ob ein Film funktioniert oder nicht. Bei so einer Produktion, international kofinanziert, dieses Ausmaß, Verträge, Gelder – was machen Sie, wenn Sie bei "Hitler" am dritten Drehtag das Gefühl haben, es funktioniert nicht?
Hofmann: Das kann ich Ihnen sagen. Dann müssen Sie es wahrscheinlich stoppen, ja, weil, wenn Sie so eine große Produktion haben und Sie merken, es stimmt nicht, dann müssen sie stoppen, das hat auch mit dem Thema jetzt hier zu tun, aber das wird Ihnen jeder Kollege von mir auch sagen, auch jemand wie Regina Ziegler. Es gibt eine goldene Produzentenregel, das sind immer diese drei Tage, warum auch immer. Aber es ist so. Sie merken nach drei Tagen, ob es stimmt oder nicht. Und bei so einem großen Projekt müssen Sie wahrscheinlich ganz den Stecker ziehen, das ist richtig.
Kassel: Klare Worte vom Fernseh- und Filmproduzenten Nico Hofmann, der mit seiner Firma Teamworks und internationalen Koproduzenten die Serie über Hitler plant, das ist noch Zukunftsmusik. "Rommel" ist fertig, und der Film läuft übermorgen um 20:15 Uhr in der ARD im ersten Fernsehprogramm. Und dann wird er in Asien sein und wahrscheinlich bald dann ganz nervös auf die Quote gucken. Aber darüber reden wir jetzt nicht, die kennen wir ja noch nicht. Ich danke Ihnen für den Moment, Herr Hofmann!
Hofmann: Okay, tausend Dank, tschüss!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
"Rommel" - TV-Event am Feiertag - Geschichte und Emotionen - Das Konzept des Produzenten Nico Hofmann
SWR-Themenportal zum Film

Der Schauspieler Ulrich Tukur als Erwin Rommel© picture alliance / dpa / Michele Danze