Romane auf der Bühne
Den ganzen Dostojewskij gibt es schon, Kafka und Thomas Mann sind gut vertreten, die jüngsten Neuerscheinungen gelten Bulgakow und Leo Tolstoi. Wo? In den Katalogen eines Buchverlages? In den Ankündigungen neuer Hörbücher? Keineswegs. Sondern auf den Spielplänen der Theater.
Der Roman als Spielvorlage, das hat seit einigen Jahren Konjunktur, und in jüngster Zeit häufen sich die Beispiele. Tolstois "Anna Karenina" beispielsweise hatte in der der vergangenen Woche Premiere bei den Ruhrfestspielen heraus. Ab 27. Mai wird die Inszenierung von Jan Bosse am Berliner Maxim Gorki Theater zu sehen sein. Was macht die Attraktivität des Romans auf der Bühne aus?
Der nächstliegende unter den vielfältigen Gründen ist sicherlich, dass er den Theatermachern eine attraktive Spielplanvariante eröffnet. Sie punkten mit der Bearbeitung als Uraufführung -vielleicht von einem bekannten Dramatiker – und haben doch einen bekannten, zugkräftigen Titel im Repertoire. Aber neben solchen Marketingstrategien lassen sich natürlich inhaltliche Gründe ausmachen. Der Reichtum und die Tiefe, die "Welthaltigkeit", großer Romanvorlagen steuert neue Varianten zum Themenkatalog des Theaters bei. Komplexe Figuren locken zu schauspielerischer Auseinandersetzung. Warum immer Hamlet und nicht auch mal Raskolnikow?
Natürlich legt diese offenkundige Hinwendung zu Stoffen und Gestalten, wie sie das große Zeitalters des Romans im 19. und frühen 20. Jahrhundert hervorgebracht hat, auch eine Sehnsucht offen, die viele Gegenwartsdramatiker unerfüllt lassen: die Analyse komplexer Situationen zwischen Individuum und Gesellschaft, der psychologische Scharfblick auf lebendige Menschen macht Dostojewskij und Fontane, Tolstoi und Flaubert, Thomas Mann und Marcel Proust zu einer so starken Konkurrenz für die Bühnenautoren.
Noch wichtiger sind aber möglicherweise die herausfordernden formalen und ästhetischen Fragen, die beim Transfer des Epischen ins Dramatische entstehen: Aufspaltung der Figuren in einen handelnden und einen erzählenden Charakter, Perspektivenwechsel, die das Geschehen unterschiedlich beleuchten, Aufhebung eines zeitlichen und räumlichen Kontinuums, insgesamt also eine Tendenz zur Fragmentarisierung und Subjektivierung, die die zeitgenössische Diskussion in allen Kunstgattung bestimmt. Sie findet gerade in der Romanbearbeitung ein interessantes Experimentierfeld. Nicht zuletzt hat das Theater hier, um vermeintliche Defizite wettzumachen, zu innovativen Möglichkeiten im Umgang mit anderen Medien gefunden. Um Räume sichtbar zu machen und Ereignisse einzubeziehen, in die der Zuschauer gar keinen direkten Einblick nehmen kann, haben beispielsweise Frank Castorf und der Bühnenbildner Bert Neumann gerade im Zuge ihrer Dostojewskij-Bearbeitungen den Einsatz des Live-Videos vorangetrieben und perfektioniert. Das hat sicherlich Theatergeschichte geschrieben. Die Überforderung als Herausforderung, wie Frank Castorf das beschrieben hat, erweitert die Grenzen des Möglichen.
Vielleicht ist sogar eine lebendige Wechselwirkung zwischen der Gegenwartsdramatik und dem gegenwärtigen Trend zum Epischen auf der Bühne zu beobachten. Viele Autoren wie Roland Schimmelpfennig, John von Düffel, Oliver Reese, Armin Petras sind ohnehin in beiden "Sparten" tätig. Und in einem so fesselnden und bewegenden Stück wie Dea Lohers "Das letzte Feuer" – soeben mit dem Mülheimer Dramatikerpreis 2008 ausgezeichnet – gibt es deutliche Spuren solcher Synergieeffekte: Ein großes Panorama simultan anwesender Figuren, eine vielstimmiges Ineinander von Handeln und Erzählen, ein Zeitbegriff, der das Geschehen nicht linear verlaufen lässt. Nicht zuletzt der Mut zu Themen, die schon geradezu erdrückend wuchtig anmuten würden, wenn die Autorin sie nicht so artistisch behandeln könnte mit Mitteln, die sich eindeutig zunutze machen, was die Epik der Dramatik zu bieten hat.
Der nächstliegende unter den vielfältigen Gründen ist sicherlich, dass er den Theatermachern eine attraktive Spielplanvariante eröffnet. Sie punkten mit der Bearbeitung als Uraufführung -vielleicht von einem bekannten Dramatiker – und haben doch einen bekannten, zugkräftigen Titel im Repertoire. Aber neben solchen Marketingstrategien lassen sich natürlich inhaltliche Gründe ausmachen. Der Reichtum und die Tiefe, die "Welthaltigkeit", großer Romanvorlagen steuert neue Varianten zum Themenkatalog des Theaters bei. Komplexe Figuren locken zu schauspielerischer Auseinandersetzung. Warum immer Hamlet und nicht auch mal Raskolnikow?
Natürlich legt diese offenkundige Hinwendung zu Stoffen und Gestalten, wie sie das große Zeitalters des Romans im 19. und frühen 20. Jahrhundert hervorgebracht hat, auch eine Sehnsucht offen, die viele Gegenwartsdramatiker unerfüllt lassen: die Analyse komplexer Situationen zwischen Individuum und Gesellschaft, der psychologische Scharfblick auf lebendige Menschen macht Dostojewskij und Fontane, Tolstoi und Flaubert, Thomas Mann und Marcel Proust zu einer so starken Konkurrenz für die Bühnenautoren.
Noch wichtiger sind aber möglicherweise die herausfordernden formalen und ästhetischen Fragen, die beim Transfer des Epischen ins Dramatische entstehen: Aufspaltung der Figuren in einen handelnden und einen erzählenden Charakter, Perspektivenwechsel, die das Geschehen unterschiedlich beleuchten, Aufhebung eines zeitlichen und räumlichen Kontinuums, insgesamt also eine Tendenz zur Fragmentarisierung und Subjektivierung, die die zeitgenössische Diskussion in allen Kunstgattung bestimmt. Sie findet gerade in der Romanbearbeitung ein interessantes Experimentierfeld. Nicht zuletzt hat das Theater hier, um vermeintliche Defizite wettzumachen, zu innovativen Möglichkeiten im Umgang mit anderen Medien gefunden. Um Räume sichtbar zu machen und Ereignisse einzubeziehen, in die der Zuschauer gar keinen direkten Einblick nehmen kann, haben beispielsweise Frank Castorf und der Bühnenbildner Bert Neumann gerade im Zuge ihrer Dostojewskij-Bearbeitungen den Einsatz des Live-Videos vorangetrieben und perfektioniert. Das hat sicherlich Theatergeschichte geschrieben. Die Überforderung als Herausforderung, wie Frank Castorf das beschrieben hat, erweitert die Grenzen des Möglichen.
Vielleicht ist sogar eine lebendige Wechselwirkung zwischen der Gegenwartsdramatik und dem gegenwärtigen Trend zum Epischen auf der Bühne zu beobachten. Viele Autoren wie Roland Schimmelpfennig, John von Düffel, Oliver Reese, Armin Petras sind ohnehin in beiden "Sparten" tätig. Und in einem so fesselnden und bewegenden Stück wie Dea Lohers "Das letzte Feuer" – soeben mit dem Mülheimer Dramatikerpreis 2008 ausgezeichnet – gibt es deutliche Spuren solcher Synergieeffekte: Ein großes Panorama simultan anwesender Figuren, eine vielstimmiges Ineinander von Handeln und Erzählen, ein Zeitbegriff, der das Geschehen nicht linear verlaufen lässt. Nicht zuletzt der Mut zu Themen, die schon geradezu erdrückend wuchtig anmuten würden, wenn die Autorin sie nicht so artistisch behandeln könnte mit Mitteln, die sich eindeutig zunutze machen, was die Epik der Dramatik zu bieten hat.