Roman

Wenn plötzlich die ganze Welt über einen lacht

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Eine junge Frau sitzt an einem Laptop und schaut skeptisch auf den Bildschirm © picture alliance / ZB
Von Knut Cordsen |
Mit ganz eigenem Humor nimmt sich Beststeller-Autor Nick Hornby einem Problem unserer Zeit an: Cyber-Mobbing und dem Verlust der Privatsphäre. Ein Investmentbanker stellt fest, dass seine Ex sich in ihrer Kolumne "Drecksack" regelmäßig über ihn auslässt.
Seit 1996 "High Fidelity" auf Deutsch erschien, die Geschichte eines Mittdreißigers, der einen Plattenladen betreibt und einfach nicht erwachsen werden will, ist Nick Hornby auch hierzulande bekannt als brillanter und ironischer Chronist von Alltagserfahrungen.
Seine jüngste Story, eine in der deutschen Übersetzung gerade mal 69 Seiten zählende Geschichte, heißt "Jeder liest Drecksack" und handelt von Elaine und Charlie. Sie ist Journalistin, er Investmentbanker, sie haben zwei Kinder und leben in Scheidung. Die Trennung liegt schon einige Zeit zurück. Eines Tages erfährt Charlie, der glaubt, er und Elaine seien halbwegs im Guten auseinandergegangen, aus der Zeitung, was für ein Monstrum, was für ein Schwein und Drecksack er ist. Denn seine Ex-Frau, erfüllt vom "unstillbaren Verlangen, alles öffentlich zu machen", schreibt in ihrer wöchentlichen Kolumne über niemand anderen als ihn und sein Verhalten als Ehemann. Sie plaudert schamlos - und zum Vergnügen ihrer Leserschaft - Sonntag für Sonntag Intimitäten aus: wie oft er betrunken war oder dass er bei einem Besuch der Schwiegermutter nachts im Bett heimlich Pornos auf dem Laptop geguckt hat – neben seiner vermeintlich schlafenden Frau.
An den Pranger gestellt
Die Kolumne von Elaine heißt "Drecksack", und es ist schon eine Kunst, dass Hornby diesen Stoff, der ja in Zeiten von Cyber-Mobbing und Ähnlichem ein virulentes Problem unserer Tage zum Gegenstand hat, nicht allzu ernst, sondern mit dem ihm eigenen Humor behandelt: den Verlust der Privatsphäre, die Wehrlosigkeit desjenigen, der da an den Pranger gestellt und Opfer eines veritablen Shitstorms wird, um ein Wort zu benutzen, das in der englischsprachigen Welt im Übrigen unbekannt ist: Hornby verwendet die Formulierung "You were trending on Twitter for a couple of hours this week"; aber man weiß ja, dass ein "Twittertrend" zu sein, heutzutage auch bedeuten kann, dass eine Horde von übelmeinenden Häschern sich hinter einem Hashtag versammelt und heftige Entrüstungsstürme lostritt.
Charlie begreift schnell, dass er den boshaften Anwürfen Elaines gegenüber chancenlos ist und beschließt, nicht "zurückzukeilen". Irgendwann trifft er dann Helena, die ihrerseits die Erfahrung machen muss, von ihrem Ex-Mann, einem Schriftsteller, öffentlich als ein "Miststück" gebrandmarkt zu werden. Es ist die gewisse Prise Komik, die auch diese Erzählung Nick Hornbys zu einer vergnüglichen, kurzweiligen Lektüre macht – zu mehr aber auch nicht.
Um es mit dem Listenmacher Rob aus "High Fidelity" zu sagen: Unter die Top Five unserer liebsten Storys des Jahres 2014 könnte es "Alle lesen Drecksack" vielleicht so gerade schaffen.

Nick Hornby: "Jeder liest Drecksack. Everyone's Reading Bastard"
Zweisprachige Ausgabe
Aus dem Englischen von Ingo Herzke
Kiepenheuer & Witsch, Köln 2014
126 Seiten, 6,99 Euro