Roman

Schwimmen bis es weh tut

Von Vladimir Balzer · 17.04.2014
Kraftvoll erzählt der australische Erfolgsautor Christos Tsiolkas vom schmerzhaften Erwachsenwerden eines schwulen Leistungsschwimmers. Vergeblich versucht er seiner armen Einwanderer-Herkunft durch den Sport zu entfliehen.
Sein Name weist auf seine Herkunft hin. Der Australier Christos Tsiolkas hat griechische Vorfahren. Genauso wie der Held seines neuen Romans, Danny. Ein Außenseiter, der sich Erfolg und Anerkennung durch das Schwimmen erhofft - und als er an diesem Anspruch scheitert, eine brutale Tat begeht, die ihn ins Gefängnis bringt.
Doch bis dahin ist er ein junger Mann aus "einfachen Verhältnissen" - die Mutter Friseurin, der Vater LKW-Fahrer. Als Danny als Schwimmtalent an einer sportbetonten Melbourner Privatschule ein Stipendium ergattert, dringt er damit in die Welt der Reichen und Privilegierten ein. Anstatt seiner armen Einwanderer-Herkunft möglichst wenig Bedeutung beizumessen, glaubt er sie auf Schritt und Tritt zu spüren.
Er fühlt sich minderwertig. Einige reiche Jungschnösel geben ihm auch dieses Gefühl, aber bei weitem nicht alle. Schnell erringt er aber Anerkennung durch sein großes Schwimmtalent. Dannys Körper ist es, mit dem er sich behauptet. Es ist seine pure körperliche Kraft, die ihm eine Art sozialen Panzer verleiht. Die Schule selbst vernachlässigt er, aber das Schwimmen - darin ist er zu Hause.
Der Olympia-Traum platzt
Tsiolkas beschreibt den Zustand des Schwimmens für seinen Protagonisten als Glückszustand, als Einheit mit sich und dem Leben:
"Er sprang ins Wasser, und alle Teile fügten sich zusammen: Alles war flüssig, und im Flüssigsein wurde alles klar. Das Wasser teilte sich für ihn, das Wasser liebkoste ihn, das Wasser gehorchte ihm. Seine Muskeln bewegten sich so, wie sie sollten, er spürte die Kraft in seinen Gliedern, seine Lunge atmete, und sein Herz schlug in einer Harmonie, die rein und effizient war. Nur im Wasser waren er und die Welt ohne Makel."
Danny bringt es weit, aber nicht weit genug. Sein Traum war Olympia 2000 in Sydney, aber es reicht nicht. Der junge Mann, der nicht weiß wohin mit seiner Kraft, wird aggressiv, streitlustig, hart. Er gibt das Schwimmen auf, schmeißt die Schule, aber die Energie in seinem Körper braucht andere Kanäle.
Der australische Erfolgsautor Christos Tsiolkas legt nach "The Slap" ("Nur eine Ohrfeige") nun einen Roman vor, der die soziale und kulturelle Spaltung seines Landes spürbar macht. Er schreibt von der Scham eines jungen Mannes, nicht zu den Erfolgreichen dazu gehören zu können - so sehr er sich auch bemüht. Hinzu kommt seine Herkunft und der Rassismus, mit dem er ebenfalls zu kämpfen hat. Und nicht zuletzt seine schwule sexuelle Selbstfindung, die sich in einer Jugend die von Leistungssport geprägt ist, kaum entfalten kann.
Aggressionen werden spürbar
"Barrakuda" entwickelt sich langsam, wird im Laufe des Romans aber immer eindringlicher, immer heftiger. Wie sich die Aggressionen des jungen Mannes während der Geschichte steigern, so steigert sich auch die Intensität des Buches. Es wird fast körperlich für den Leser spürbar.
Tsiolkas' Sprache ist ebenso kraftvoll, zuweilen deftig und wo nötig vulgär. Er wechselt gekonnt und wie nebenbei die Erzähl-Perspektiven. Darüber hinaus ist er sehr genau in der Beschreibung Melbournes. Man kann die Straßen des Romans abfahren.
Ein mitreißender Roman über die sehr schmerzvolle Erwachsenwerdung eines jungen Mannes. Und über die Hoffnung, die nach dem Scheitern kommt. Das Buch gönnt dem Helden ein Leben nach dem Desaster.

Christos Tsiolkas: Barrakuda
Aus dem Englischen von Barbara Heller
Klett-Cotta, Stuttgart 2014
471 Seiten, 22,95 Euro

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