Don Winslow: Vergeltung
Übersetzung von Conny Lösch
Suhrkamp Taschenbuch, Berlin 2014
491 Seiten, 14,99 Euro
Dumme Terroristen, heldenhafte Soldaten
Die "besten Söldner der Welt" rotten die Urheber eines Terroranschlags aus, ziehen in eine weitere Schlacht und werden vom heldenhaften US-Admiral gerettet. So platt und klischeehaft ist der neue Roman von Don Winslow, der bislang als scharfsinniger Analytiker galt.
Don Winslow gilt spätestens nach seinem kapitalen Roman "Tage der Toten" zu den wichtigsten und besten Autoren von Kriminalromanen und damit zu den bemerkenswertesten Schriftstellern überhaupt. Winslows Schilderungen zeitgeschichtlicher Sachverhalte sind deshalb so brillant, weil er stets ästhetische Lösungen fand, die mit den moralischen und politischen Komplexitäten umgehen konnten. Romane wie "Tage der Toten" sind analytisch scharfsinnig, radikal, wütend und sehr virtuos. Dazu eine Sprache, die vor Witz und Intelligenz sprüht.
Umso erschrockener ist man angesichts des neuen Romans "Vergeltung". So erschrocken, dass man nie und nimmer Winslow am Werk vermutet. Die Familie eines ehemaligen Special Forces-Kämpfers, jetzt Sicherheitschef des John-F.-Kennedy-Flughafens, kommt ums Leben, als ihr Flieger von arabischen Terroristen über New York City abgeschossen wird. Die US-Regierung leugnet das Attentat und fingiert einen Unfall, weil sie keine vergebliche Terroristenjagd riskieren will. Der "Held" kauft eine Schar der "besten Söldner der Welt" zusammen und rottet systematisch die Urheber des Anschlages aus. Am Ende, als die Söldner-"Brüder" sich zum Sterben im allerletzten Gefecht gegen Mudschaheddin-Horden bereitmachen, rückt doch noch ein aufrechter US-Admiral an und rettet das Häuflein.
Keine Spur von Ironie
Tatsächlich ist dieser Plot so schlicht, wie er da steht. Die "Terroristen" sind unfassbar böse und unfassbar dumm, sie lassen sich zu Hunderten abknallen. Die Söldner sind Klischeefiguren der flachsten Art. Einer opfert sich, um den Rückzug der Kameraden zu decken. Der andere, im Gefecht verwundet, erschießt sich, um die Mission nicht zu gefährden, ein Dritter verrät die Truppe und akzeptiert, dass man ihn dafür hinrichtet. Der Kollege von der Bundeswehr hat dort gekündigt, weil das politische Mandat ihm verboten hat, nach gusto Terroristen zu töten. Das könnte einem Landserheftchen entstammen. Auch die Dramaturgie: Anwerbung, Ausbildung, Triumph, Niederlage, letztlicher Triumph ist penibel uralten Söldnerfilmschwarten wie "Die Wildgänse kommen" nachgebaut. Bieder, militaristisch, platt. Keine Komik, keine Brechung, kein überraschender Dreh der Handlung, keine Idee, kein Esprit, keine Spur von Ironie.
Die Prosa ermüdet durch pausenlose handbuchartige Beschreibungen von Waffen und Gerät. Sie berührt peinlich mit finsterem Beschwören der Waffenbrüderschaft: "Wissen, dass sie es vielleicht nicht schaffen werden. Und tun es trotzdem. Keine Wissenschaft kann das erklären. Keine Biochemie. Keine Evolutionsanalyse, keine neue Hirnforschung. Einzig und allein Menschlichkeit. Erbitterte Loyalität. Außergewöhnlicher Mut. Eine größere Liebe gibt es nicht."
Das ist Kitsch und korrespondiert auf Schlimmste mit der politischen Message. Die Obama-Administration versagt, die aufrechten Amerikaner müssen den Krieg gegen den Terror privatisieren. Als Pamphlet des rechten Flügels der Tea Party wäre der Text unfreiwillig komisch, als Roman eines ansonsten exzellenten Autors ist er in hohem Maß verstörend.