Roman

Das rote Paradies wirkt wie die Hölle

Frauen und alte Männer mit Mistgabeln sowie ein Partisan mit entsichertem Revolver gehen während des Zweiten Weltkriegs in einem russischen Dorf gegen einen Verräter vor, der Informationen an die Deutschen gegeben haben soll.
Partisanen in einem Dorf. Die Ziwllinge in Popovs Roman schließen sich ihnen im Kampf gegen das NS-Regime an. © picture alliance / dpa / UPI
Von Uwe Stolzmann · 04.04.2014
Der Philologe Alek Popov war Kulturattaché der bulgarischen Botschaft in Großbritannien und Nordirland. Sein Roman "Die Hunde fliegen tief" stand wochenlang auf den bulgarischen Bestsellerlisten. Sein aktuelles Buch ist ein Thriller aus der Partisanenszene der 40er-Jahre.
Er ist ein großer Spötter vor dem Herrn, dieser Alek Popov aus Sofia, Jahrgang 1966. Und ein lesenswerter Autor. Für seine Grotesken in Prosa erhielt er etliche Preise. Der Stoff seiner Satiren stammt mal aus der Welt des Westens - Popov war Diplomat, mal aus der Heimat im Osten.
Die Story des jüngsten Buchs: Anfang der Vierziger gehen zwei Mädchen aus Sofia zu den Partisanen - die Zwillinge Kara und Jara, Töchter eines Pelzhändlers, hübsch und klug. Im Gymnasium haben sie eine gefährliche politische Dummheit begangen, sie sind geflohen, nun wollen sie gegen die Nazis kämpfen. Mit Mühe überleben die Mädchen die Gefechte im Gebirge, sie reifen – und gehen nach dem Krieg seltsame Wege. Kara wird General der bulgarischen Staatssicherheit, eine Hardlinerin, hartherzig. Jara aber setzt sich ab: zum Klassenfeind, nach London.
Manchmal auch wie Monty Python
Es wird viel getötet und gestorben in diesem Buch, es gibt Heldentum und Hinterhalte, der Leser fühlt sich an einen groben Thriller erinnert, manchmal auch an Monty Python. Die Fabel, schlicht und kolportagehaft, war dem Autor sicher nicht so wichtig. Popov wagt mehr: Er parodiert einen Mythos der sozialistischen Ära in Bulgarien - den Mythos vom heroischen Kampf der Kommunisten gegen die Faschisten. Popovs Mittel: Slapstick und derbe Action, dargeboten von sonderbaren Protagonisten mit einer seltsamen Sprache und Denkart. Die Utopie von der besseren Welt – bei Alek Popov endet sie in Klamauk und Absurditäten.
Der Autor nimmt die Diktion der Stalinzeit beim Wort und kehrt sie ins Lächerliche. Die Figuren – Kampfname: "Lenin" oder "Totengräber des Kapitalismus" - üben sich schon wegen Lappalien in Selbstbezichtigungen - wie bei den Schauprozessen der Dreißiger; sie nutzen beherzt die Vokabeln des wissenschaftlichen Kommunismus, sind in Mehrheit aber abergläubische Bauern. Eine Figur ragt heraus, der Kommandeur der Einheit, breit und kurz, mit finsterem Gesicht: Medved, der Bär, geformt und gestählt in der Sowjetunion.
Stalinzeit kein Stoff für eine Burleske
Was bietet das Werk literarisch? Nicht viel. Aber man wird gut unterhalten. Man merkt: Hier hat sich ein Autor an der Ideologie seiner Jugend abgearbeitet. Die Stalinzeit scheint indes kein guter Stoff für eine Burleske zu sein. Unvermittelt, zwischen komischen Szenen, scheint im Buch das Grauen hervor. Medved, der Bär, diese kommunistische Legende, berichtet sterbend von seiner prägenden Zeit, von den Jahren des Exils in der Sowjetunion. Und von den Jahren, die er im Gulag verbrachte. Die Mädchen erfahren nach knapp 300 Seiten: Das rote Paradies - es wirkt wie die Hölle.
Die Geschichte endet mit einem überraschenden Schlenker. Wir erleben Kara als Offizierin des Geheimdiensts, 1953, in Bulgariens Londoner Botschaft. Es ist der Tag von Stalins Tod – und Genossin Kara, die verdienstvolle Kommunistin, geht sich einen dekadenten westlichen Hut kaufen. Nein, Popov der Spötter nimmt nicht nur die Heiligen und Helden des Sozialismus aufs Korn, er attackiert jede Art Ideologie - auch die des Konsums.

Alek Popov: Schneeweißchen und Partisanenrot
Aus dem Bulgarischen von Alexander Sitzmann
Residenz Verlag, Salzburg, Wien 2014
328 SEiten, 22,90 Euro