Roman

Das große Krimi-Puzzle

Die Schriftstellerin Sibylle Lewitscharoff am Rednerpult bei der Verleihung des Georg-Büchner-Preises.
Die Schriftstellerin Sibylle Lewitscharoff am Rednerpult bei der Verleihung des Georg-Büchner-Preises © dpa picture alliance / Andre Hirtz
Von Sigrid Löffler · 15.04.2014
Die Büchner-Preisträgerin Sibylle Lewitscharoff hat sich auf die Unterhaltungsliteratur eingelassen – und einen Krimi geschrieben. Sie setzt ihn aus Stereotypen bestehender Kriminalliteratur zusammen und zitiert Bekanntes von Chandler bis Mankell. Ein intellektuelles Spiel ist das - aber nichts für echte Krimi-Freunde.
Kein Zweifel: Nach ihrer Dresdner "Halbwesen"-Rede steht die Büchner-Preisträgerin Sibylle Lewitscharoff unter verschärfter Beobachtung des Feuilletons. Es überrascht nicht, dass der überschießende Fahndungseifer einer wachsamen Gesinnungsgendarmerie, die vereinzelt sogar schon nach der Aberkennung des Büchner-Preises für die Autorin rief, jetzt auch ihre Romane nach fragwürdigen Stellen durchmustert, um rückwirkend Anstoß zu nehmen.
Vor allem Lewitscharoffs neuer Roman "Killmousky" scheint da akut gefährdet, denn mit ihm hat sich die Autorin auf ein neues, ihr unvertrautes und zudem überbesetztes Terrain gewagt: Sie hat sich mit der Unterhaltungsliteratur eingelassen und einen Kriminalroman geschrieben.
Das ist mutig, denn das Krimi-Genre ist durch inflationäre Übernutzung weitgehend trivialisiert und zerschlissen. Seit der Detektiv als Kommissar in Serie gegangen ist, scheinen alle Schablonen in Plot, Charakter und Psychologie durch-und-durchdekliniert. Die Figur des Kommissars ist nur noch in stereotypisierter Form vorhanden: Jede denkbare menschliche Gefährdung, Schwäche, Macke und Exzentrizität ist ihr bereits appliziert worden. Die gattungstypischen Muster sind stärker – die Originalität des Autors ist ihnen zumeist unterlegen. Man kann im Kriminalroman offenbar nur noch die Stereotypen variieren, indem man sie unterschiedlich kombiniert. Wenn man als Autor nicht allzu viel Anstrengung für einen raffinierten Plot aufwenden möchte, dann empfiehlt es sich, auf die Meta-Ebene zu gehen, nur noch die bekannten Schemata von Kommissar, Verbrecher und Verbrechen zu zitieren und ironisch mit den bewährten Krimi-Modulen zu spielen.
Bayrisch, bodenständig und behäbig, aber nicht dumm
Genau das versucht Sibylle Lewitscharoff in "Killmousky" zu tun. Ihr Roman ist ein selbstreferentielles Spiel, eine Kombination aus lauter herbeizitierten Krimi-Elementen von Chandler bis Mankell, versetzt mit Anleihen aus realen und aus den Medien bekannten Kriminalfällen. Ihr frühpensionierter Kommissar Ellwanger ist bayrisch, bodenständig und behäbig, aber nicht dumm. Er läuft, wenn gefordert, als Privatdetektiv zu einiger urbaner Weltläufigkeit auf und macht trotz dürftiger Englisch-Kenntnisse sogar im Milieu der Superreichen in New York eine akzeptable Figur.
Es treten auf: der misstrauische alte Tycoon im Rollstuhl; der beflissene, aalglatte Privatsekretär; die dekadente Schöne, die den Tag mit Whiskey beginnt; der eiskalte Hochstapler und Heiratsschwindler. Die Verwicklungen sind von hoher Vorhersehbarkeit, die Lösung des Falls wird von der Autorin recht gewaltsam zurechtgebogen.
Der titelgebende Kater Killmousky verdankt seine Anwesenheit in diesem Roman vermutlich einer selbstironischen Anspielung auf den Löwen in Lewitscharoffs "Blumenberg"-Roman, sonst hat er weiter keine Funktion, und als Charakter bleibt er trotz schwarzem Fell sehr blass.
Es wird niemanden überraschen, dass der schwäbischen Pietistin Lewitscharoff die Hard-boiled-Krimi-Variante nicht liegt. "Killmousky" gibt sich entschieden soft-boiled und läuft auch literarisch außer Konkurrenz.

Sibylle Lewitscharoff: Killmousky
Suhrkamp Verlag, Berlin 2014
223 Seiten, 19,95 Euro