Neues Rolling-Stones-Album

Alles andere als ein Alterswerk

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Die Rolling Stones: Ron Wood, Mick Jagger und Keith Richards präsentieren mit "Hackney Diamonds" ihr erstes Album mit neuen, eigenen Songs seit 18 Jahren im Hackney Empire in London
Ron Wood, Mick Jagger und Keith Richards legen mit "Hackney Diamonds" ihr erstes Album mit neuen, eigenen Songs seit 18 Jahren vor. Mit dabei: Gäste von Elton John bis Lady Gaga. © AFP / DANIEL LEAL
Von Torsten Groß · 20.10.2023
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Mick Jagger mag dieses Jahr 80 geworden sein, dem neuen Album der Rolling Stones „Hackney Diamonds“ ist das nicht anzuhören. Es klingt wie eine jüngere Version der Band – und wie ein Spaziergang durch ihr komplettes Werk.
Ein womöglich letztes großes Album produzieren - dieses Unterfangen hat die Rolling Stones im 62. Jahr ihres Bestehens offenbar derart beseelt, dass sie über sich hinausgewachsen sind.
Angetrieben von Mick Jagger und Produzent Andrew Watt haben die Stones in nur sechs Wochen mit „Hackney Diamonds“ ihr erstes neues Album mit eigenen Songs seit 18 Jahren aufgenommen, gemeinsam mit Gästen wie Elton John, Stevie Wonder, Paul McCartney oder Lady Gaga. Die zwölf neuen Songs vereinen alle Stile, die für die Rolling Stones wichtig sind: Rock, Pop, Gospel, Country, Funk, Blues.

Keith Richards: "Hackney Diamonds" ist in Rekordzeit entstanden

Viele dachten, dass sich die Stones 2016 mit dem Blues-Album „Blue & Lonesome“ verabschiedet hätten. Frontsänger Mick Jagger feierte in diesem Jahr seinen 80. Geburtstag, bei Lead-Gitarrist Keith Richards steht das Jubiläum im Dezember an. Der Bassist und Gitarrist Ron Wood ist immerhin schon 76 - und Schlagzeuger Charlie Watts vor zwei Jahren gestorben. Doch vielleicht war es gerade sein Tod, der den restlichen Rolling Stones ihre eigene Endlichkeit vor Augen geführt und sie damit noch einmal befeuert hat.
Schon 2016, als sie das Blues-Album fertiggestellt hatten, arbeiteten sie im Studio an neuen, eigenen Stücken. Doch kamen sie in diesen Sessions jahrelang nicht auf den Punkt. „Gegen Ende der letzten Tour kam Mick vergangenes Jahr zu mir und sagte: Lass uns nach der Tour direkt ins Studio gehen und einfach ohne großes Gerede eine Platte machen, wie ein Blitzkrieg", erinnert sich Gitarrist Keith Richards. "Wir hatten eine Menge aufgenommen, aber das Material hatte keine Struktur, es wollte kein Album daraus werden. Ich sagte also zu Mick: Wenn du genug Material hast und denkst, es reicht für ein Album, dann lass uns das machen. Und das haben wir dann getan, für ein Rolling-Stones-Album ist 'Hackney Diamonds' in Rekordzeit entstanden.“

Produzent Andrew Watt – ein echter Stones-Fan

An dem kreativen Durchbruch hat neben der wohl niemals versiegenden Energie vor allem von Mick Jagger aber auch der 32-jährige Produzent Andrew Watt seinen Anteil. Er hat bereits mit jüngeren Popstars wie Lana Del Rey, Justin Bieber oder Sam Smith, aber auch mit Rock-Legenden wie Elton John, Iggy Pop und sogar Ozzy Osbourne zusammengearbeitet.
Die Stones beschreiben Andrew Watt als Fan – jeden Tag habe er ein anderes Stones-T-Shirt im Studio getragen und er spielte und sang sämtliche ihrer Songs. Das brachte ihm den Respekt einer Band ein, die nicht dafür bekannt ist, sich gern beraten zu lassen. Von ihm ließen sich nun antreiben. Im Ergebnis ist „Hackney Diamonds“ das exakte Gegenteil eines Alterswerks - es klingt auf schier unglaubliche Weise wie eine frischere und jüngere Version der Rolling Stones und wie ein Spaziergang durch ihr komplettes Werk, etwa in dem Disco-Song „Mess it up“.
Das neue Album wird den Rolling Stones vielleicht nicht unbedingt neue Fans bescheren, aber für diejenigen, die es schon sind, oder für Leute, die sich für die Band interessieren, ist es wahnsinnig toll.

Mick Jagger blickt mit Selbstironie aufs Alter

In einer Zeit, in der oft das Gefühl entsteht, dass die Generationen gegeneinander ausgespielt werden, steht ein Album wie „Hackney Diamonds“ für die Radikalität des Alters, aber auch für den altersgemäßen Wunsch nach Zurückgezogenheit, Introspektion und die Sehnsucht nach Ruhe, wie bei der Country-Ballade „Dreamy Skies“.
Ob es nun endgültig Mick Jaggers Rückzug sein wird? Wer weiß. Er geht damit eher spielerisch um - und auf dem Album hat er einige selbstironische Referenzen auf sein Alter untergebracht.
Wenn es nach ihm gegangen wäre, erzählt Jagger im Interview, hätte gern weniger Aufhebens um seinen runden Geburtstag gemacht werden müssen. Andererseits, räumt er ein, sei es schon eine gewisse Leistung, überhaupt so weit zu kommen - ob bei einer Person des öffentlichen Lebens oder einer unbekannten Privatperson: „80 ist schon etwas Besonderes. Das wollen die Leute mit einem feiern.“
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