Rolando Villazón

Star-Tenor schreibt Angeberroman

Der französisch-mexikanische Opernsänger Rolando Villazón posiert am 21.02.2014 in Hamburg vor der Aufzeichnung der "NDR Talk Show
Jetzt auch Romanautor: Der französisch-mexikanische Opernsänger Rolando Villazón © picture alliance / dpa / Georg Wendt
Von Ursula März · 18.10.2014
Der berühmteste Tenor der Welt begibt sich unter die Schriftsteller: In seinem Debüt-Roman erzählt Rolando Villazón von den Höhen und Tiefen des Künsterlebens - und demonstriert recht bemüht seine literarische Bildung.
Das sogenannte Promibuch ist mittlerweile zu einer eigenen Kategorie des Buchmarktes geworden. Darsteller aus der Film-, Fernseh- und Showbranche, Nachrichtensprecher wie Talkshow-Moderatoren nutzen die Popularität ihres Namens für einen Seiteneinstieg in die Autorenschaft, verfassen Unterhaltungsromane, ökologische Sachbücher oder Lebensphilosophisches über die Kunst, jung, hübsch und gut gelaunt zu bleiben. Die literarische Ambition ist im Genre des Promibuches zweit- oder drittrangig.
Nun hat sich der momentan wohl weltweit berühmteste und beliebteste Tenor Rolando Villazón ebenfalls unter die Schriftsteller begeben. Villazón, 1972 in Mexiko-Stadt geboren, ist ein internationaler Superstar der Opernbühnen und Musikfestivals, aber auch ein künstlerischer und performativer Tausendsassa. Er betätigt sich nebenbei als Zeichner, als Clown, als Regisseur und ist sich als Gast auf der Couch von "Wetten dass..." für keinen Slapstick zu schade.
Übermaß an literarischer Ambition
Insofern kommt sein literarisches Debüt nicht ganz unerwartet. Sein Roman hat den Titel "Kunststücke" und den darf man als Programm verstehen. Denn das Erstaunliche an diesem Romans ist sein Übermaß an literarischer Ambition. Der hochprominente schreibende Tenor überschlägt sich fast in dem Bemühen, ein Buch zu verfassen, das sich in größtmöglichem Abstand zur Kategorie des autobiografischen Promibuches befindet.
Er lässt keine Gelegenheit aus, seine tiefe Vertrautheit mit Philosophie und Literaturgeschichte, zumal mit der Literatur der klassischen Moderne und der Postmoderne vorzuführen. Sein Roman ist als literarisches Spiegelkabinett entworfen und bewegt sich in der hoch mögenden Tradition von Klassikern wie Jorge Luis Borges oder Julio Cortázar. Im Kern der Romangeschichte geht es um künstlerischen Erfolg und sein Gegenteil: Künstlerisches Scheitern und Darben.
Dies erlebt der Clown Macolieta. Er kommt knapp über die Runden, tritt bei Kindergeburtstagen und ähnlich ruhmlosen Gelegenheiten auf, führt ein prekäres Bohèmeleben zwischen Unordnung, Unsicherheit und schwerem Liebeskummer. Sandrine, die Angebetete seines Herzens und ebenfalls Clown von Beruf, weiß aber nichts von Macolietas Gefühlen für sie.
Selbstironische Verkehrung des Welterfolgs
Es gelingt ihm einfach nichts im Leben, noch nicht einmal ein Liebesgeständnis. Aber Macolieta schreibt eifrig in ein kleines blaues Buch, dem er seine heimlichen Tagträume anvertraut. Der Held dieser Tagträume heißt Balancin, ist Clown von Beruf, nur weitaus besser bestellt. Dem Alter Ego fliegen Erfolg, große Bühnenauftritte, großes Vermögen und große Liebe nur so zu, etwa so wie in der Realität des realen Tenors Ronaldo Villazón.
Hätte der Autor Villazón es bei dieser selbstironischen Verkehrung seines Welterfolges belassen, wäre "Kunststücke" eine charmante Parabel. Aber er dreht die Erzählspiralen immer weiter in die Höhe, denn der Papiertiger Balancin steigt aus Macolietas blauem Buch, wird zur echten Figur und beginnt nun seinerseits, in ein Büchlein zu schreiben und sich ein Alter Ego zu erfinden.
So entsteht eine etwas überanstrengte Buch-im-Buch-Konstruktion, die den Tenor Villazón als Liebhaber literarischer Rafinesse ausweist, aber beim Leser den heimlichen Wunsch zurücklässt, er hätte ein intelligentes, aufschlussreiches Promibuch über die Interna des internationalen Musikbetriebs verfasst.

Rolando Villazón: Kunststücke
Aus dem Spanischen von Willi Zurbrüggen
Rowohlt Verlag, Rheinbek 2014
272 Seiten, 19,95 Euro