Rohstoffversorgung

Neue Quellen und ganz neues Material

Mitarbeiter eines Stahlwerks an der Elfenbeinküste
Mitarbeiter eines Stahlwerks © dpa / picture alliance / Nabil Zorkot
Von Stefan Maas · 19.05.2015
Die Wirtschaft boomt, also boomt auch die Rohstoffnachfrage. Industrie, Verbände und Politik arbeiten daran, dass die Rohstoffe aus verschiedenen Quellen kommen, um die Versorgung verlässlich zu machen.
Die deutsche Industrie hat eine Schwäche. Besonders dann, wenn die Wirtschaft gut läuft: Dann nämlich brauchen die Firmen besonders viele Rohstoffe: "Das Thema Rohstoffversorgung ist für die deutsche Industrie von ganz zentraler Bedeutung", erklärt Matthias Wachter, Abteilungsleiter für den Bereich Sicherheit und Rohstoffe beim Bundesverband der Deutschen Industrie. "Weil wir, obwohl wir kein rohstoffarmes Land sind, auf den Import angewiesen sind."
Zum Beispiel beim Eisenerz, für die deutschen Produzenten, für Automobil- und Maschinenbau der wichtigste Rohstoff: 43 Millionen Tonnen wurden im vergangenen Jahr importiert. Es waren gute Zeiten für die deutsche Wirtschaft. Vor allem wegen des Preises. Lag der im Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre bei rund 150 Dollar pro Tonne, sackte er im vergangenen Jahr zeitweise auf unter 50 Dollar.

Solche Preisstürze waren aber nicht nur beim Eisenerz zu beobachten, sagt Peter Buchholz, der Leiter der DERA, der Deutschen Rohstoffagentur. Die DERA berät als Teil der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, einer dem Wirtschaftsministerium nachgeordneten Behörde, Politik und Wirtschaft in Fragen der Rohstoffsicherung: "Beim Rohöl sind die Preise um 50 Prozent eingebrochen im Vergleich zum Vorjahr. Bei seltenen Erden sind die Preise um 50 bis 80 Prozent eingebrochen."
Kapazitäten stiegen zuletzt schneller als die Nachfrage
Ein Grund: Die globale Wirtschaftskrise hat ihre Spuren hinterlassen, das Nachfragewachstum nach Rohstoffen ist dauerhaft gesunken. Einen weiteren Grund sieht Buchholz in einer natürlichen Entwicklung. Denn die Rohstoffmärkte bewegten sich in Zyklen. Hohe Nachfrage bedeute hohe Preise, gleichzeitig werde massiv in die Erkundung neuer Vorkommen investiert. Bis zur eigentlichen Produktion vergehen leicht fünf bis zehn Jahre. "Und genau diese Zeitspanne war die Zeitspanne zwischen 2005 und 2010. Mit der Finanzmarktkrise hat sich alles ein bisschen verschoben um zwei, drei Jahre. Das heißt: Seit 2013, 2014 sehen wir, dass die neuen Bergbaukapazitäten den Markt erreicht haben und dass deswegen auch die Rohstoffpreise deutlich zurückgegangen sind."
Bei den seltenen Erden, die für viele technische Produkte essentiell sind, gab es noch einen zusätzlichen Effekt: Die Welthandelsorganisation WTO hat China verurteilt, seine Exportquoten abzuschaffen, mit denen das Land das Angebot über Jahre künstlich verknappt und damit den Preis in die Höhe getrieben hat. Derzeit sei die Situation bei seltenen Erden entspannter, sagt Peter Buchholz - auch wenn China noch immer der Hauptlieferant ist: "Die Nachfrage ist nicht hoch genug, um das gesamte Angebot aufzusaugen."
Rohstoffallianz und Partnerschaften
Dennoch wird am Beispiel der seltenen Erden ein grundsätzliches Problem deutlich. Auch wenn die größten Rohstoffexporteure weltweit politisch gefestigte und wirtschaftlich verlässliche Partner wie die USA, Kanada oder Südafrika sind, gilt das nicht für alle Angebotsländer und alle Rohstoffe. Deshalb gebe es trotz gesunkener Preise noch immer Preis- und Lieferrisiken bei einer ganzen Reihe von wichtigen Rohstoffen, erklärt Buchholz: "Von den rund 300 untersuchten Metallen, Industriemineralen und Handelsprodukten sehen wir bei über einem Drittel der Rohstoffe, dass die Preis- und Lieferrisiken sehr hoch sind. Das heißt, es gibt da nur wenige Anbieter. Und gleichzeitig sind das Länder, die ein erhöhtes Länderrisiko aufweisen."
Politisch instabile Verhältnisse, intransparente Strukturen, Korruption, politisch gesteuerte Marktverzerrung sind einige der Unsicherheitsfaktoren. Wie in China. 85 Prozent der seltenen Erden kommen aus dem Riesenreich. Die Exportbeschränkungen haben der eigenen rasant wachsenden Wirtschaft klare Vorteile verschafft. Solche Marktbeschränkungen hätten in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen, sagt BDI-Experte Matthias Wachter: "Die EU-Kommission schätzt, dass es im Jahr 2008 global gesehen etwa 100 Wettbewerbsverzerrungen in diesem Bereich gab, im Jahr 2014 waren es schon deutlich über 800. Und deshalb gehen wir als BDI davon aus, dass sich die Versorgungssituation und die Preissituation mittelfristig wieder verschärfen wird."
Umso wichtiger ist es für deutsche Unternehmen, sich Gedanken darüber zu machen, wie sie ihre Rohstoffversorgung sicherstellen können, denn deutsche Minengesellschaften gibt es nur sehr wenige. Deshalb ist die Industrie darauf angewiesen, dass genug Rohstoffe an die Börsen und Märkte gelangen. Um die Rohstoffsicherung etwas besser selbst steuern zu können, gründeten zwölf große Unternehmen – unter ihnen Bayer, BASF, Bosch und Thyssen-Krupp - vor drei Jahren die RA Rohstoffallianz GmbH. Diese Firma sollte sich unter anderem an Minen-Explorationsprojekten beteiligen. Auch weil sich die Situation an den Rohstoffmärkten verändert hat, wird die Rohstoffallianz derzeit inhaltlich neu ausgerichtet.
Etwas konstanter läuft es bei den sogenannten Rohstoffpartnerschaften. Bundesregierung und Industrie haben solche Partnerschaften mit rohstoffreichen Ländern wie der Mongolei oder Kasachstan geschlossen. Diese Verbindungen seien wichtig für die Vorsorge und mehr als nur ein schneller Weg zu den Rohstoffen, erklärt Matthias Wachter: "Deutschland hat Know-how, hat Technologie, die für die Partnerländer von großem Interesse ist. Wir haben auch hohe soziale und Umweltstandards."
In der Mongolei wurde etwa kürzlich eine deutsch-mongolische technische Bergbauhochschule gegründet. Ob diese Partnerschaften alleine genügen, muss sich zeigen. Wichtig für die Unternehmen sei daher eine genaue Bedarfsanalyse, sagt Peter Buchholz. Es gehe dabei darum, zunächst zu erfahren, welche Rohstoffe in den Produkten stecken, um dann zu schauen, ob es vielleicht mehr als einen Lieferanten gibt oder alternative Materialien: "Durch solche Substitutionen sinkt die Nachfrage. Die Preise fallen."
Die entsprechende Forschung braucht allerdings ihre Zeit. Daher sei es äußerst wichtig, auch die guten Zeiten zu nutzen, statt sich nur über die niedrigen Preise zu freuen.
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