Lithiumgewinnung in Deutschland

Das weiße Gold vom Oberrhein

15:34 Minuten
Auf dem Bild ist ein weißes Material auf einer roten Arbeitsfläche zu sehen. Von links ragt ein hellblauer Arbeitshandschuh ins Bild. Die Hand entleert ein Werkzeug um, so dass mehr von dem körnigen Material auf die Arbeitsfläche rieselt.
Am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) forschen Wissenschaftler daran, wie sich Lithium aus Geothermalwasser gewinnen lässt. Der Rohstoff wird auch weißes Gold genannt. © picture alliance / dpa / Uli Deck
Von Katharina Thoms · 10.03.2022
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Lithium steckt in Smartphones, Tablets und in E-Autos. Es ist absehbar, dass der Bedarf an dem Leichtmetall weiter wächst. In Deutschland versuchen Forscher und Unternehmer nun, den wertvollen Rohstoff aus unterirdischem Thermalwasser zu extrahieren.
Rebecca Reich schüttet im Labor ein Pulver in ein Glas mit kochendem Wasser. „Dann gibt man eben das Sorbens zu. Das sorgt dafür, dass Lithium aufgenommen wird aus dem Thermalwasser, ganz selektiv.“
Lithiumförderung im Kleinformat, am Forschungszentrum KIT in Karlsruhe: Seit Jahren schon tüfteln am Karlsruher Institut für Technologie Geologen und Geologinnen daran. Denn das begehrte Leichtmetall steckt in der Region im Boden, ganz weit unter der Erde, in bis zu fünf Kilometer Tiefe, im Thermalwasser.
„Wir sind gerade an einem sehr spannenden Stand", sagt der Forschungsleiter am KIT, Jochen Kolb: "Im Labor funktioniert‘s, sehr gut sogar. Und jetzt machen wir den Schritt in diesem Jahr und gehen nach Bruchsal und werden dort eine Pilotanlage installieren.“

Lithium-Extraktion und Geothermie verbinden

Im 20 Kilometer entfernten Bruchsal steht das einzig laufende Geothermiekraftwerk Baden-Württembergs. Der Betreiber EnBW erzeugt dort Strom und Wärme mithilfe des heißen Thermalwassers aus dem Boden. Zudem arbeitet EnBW mit dem Forschungsteam an einer groß angelegten Lithium-Förderung.
Die Tiefenbohrungen gibt es also schon, erläutert Geologe Kolb: Die Herausforderung liegt darin, dass wir diesen Prozess der Lithium-Extraktion zusammen machen wollen mit der Geothermie.“ Das wäre dann sogar CO2-neutral, weil die Energie aus dem Kraftwerk genutzt wird für die Gewinnung des Lithiums.
Die meiste Erfahrung haben Forscher mit einem schwarzen Pulver – Manganoxid. Damit lässt sich Lithium aus dem am Ende 60 Grad heißen Thermalwasser lösen.
Wie viel Lithium genau im unterirdischen Thermalwasser steckt, ist aber nicht ganz klar: Man soll sich nicht vorstellen, dass sich der komplette Bedarf Deutschlands hier decken ließe, sagt Kolb: „Aber es ist ein signifikanter Teil, den man decken kann. Man kann das so über einen Daumen peilen. Wir haben das mal gemacht für eine Anlage, für Bruchsal: Da könnte man in einem Jahr Lithium für ungefähr 20.000 Autos gewinnen.“
Wann das so weit sein wird? Kolb hofft, dass in diesem Jahr der Sprung vom Labor ins große Kraftwerk gelingt.

Erdwärmeanlage gekauft

Ein paar Kilometer weiter, Laboreröffnung in einem Gewerbegebiet in Karlsruhe. Das australisch-deutsche Unternehmen Vulcan Energie weiht eine kleine Forschungsstätte ein: Es geht um Lithium für die Automobilindustrie, von der eine große Nachfrage ausgeht.

Vulcan-Geschäftsführer Horst Kreuter gibt sich überzeugt: Bis zur kommerziellen Förderung ist es nur noch ein kleiner Schritt: „Die Förderung des Thermalwassers und die Erdwärmeanlage ist das, was auch schon die letzten Jahre hier im Oberrheingraben getan wird und weltweit." Seine Firma optimiere die Prozesse jetzt, um so viel Lithium wie möglich zu extrahieren: "Werte über 90 Prozent des Lithiums sind angestrebt, und wir glauben, dass wir sie erreichen.“

Die Geologen am KIT schätzen, sie werden nur etwas mehr als zwei Drittel des Lithiums aus dem Thermalwasser herausfiltern können. Aber dieses Vorkommen könnte bis zu 40 Jahre lang reichen.
Kreuters Unternehmen hat inzwischen auf der anderen Rheinseite bei Landau ein Geothermiekraftwerk gekauft. Aus dem heißen Thermalwasser, das dort zur Stromerzeugung aus dem Boden gepumpt wird, soll in Zukunft Lithium gewonnen werden.
Erste Versuche gebe es schon, sagt Kreuter. „In unserer Pilotanlage haben wir bereits das erste Lithiumchlorid gewonnen. Und die Qualitäten, die von der Batterie-Industrie gefordert werden, haben wir hervorragend eingehalten.“

Fünf Jahre Lithium-Produktion schon verkauft

Kreuter hat sich mit seiner Firma ehrgeizige Ziele gesteckt: „Wir glauben, dass wir das Lithium im Jahr 2024 und 2025 an unsere Kunden, die wir bereits gefunden haben, ausliefern können. Also die ersten fünf Jahre unserer Produktion sind schon ausverkauft.“
CO2-neutrales Lithium für eine Million Autobatterien im Jahr will Kreuter liefern. Sein Unternehmen habe Zusagen von mehreren großen Autofirmen in Europa.
Rund 270 Millionen Euro an Investitionen hat Vulcan Energie nach eigenen Angaben eingesammelt. Man brauche aber 1,7 Milliarden Euro.
Im vergangenen Jahr wurden allerdings erhebliche Zweifel laut an diesen ehrgeizigen Zielen: Ein US-Börsenspekulant hatte Nachforschungen angestellt und die Pläne als nicht umsetzbar kritisiert. Der Streit endete vor Gericht – und in einem Vergleich.
Kreuter lässt sich nicht beirren: „Für diese Kapazität von einer Million Autobatterien pro Jahr brauchen wir fünf größere Geothermiekraftwerke, die wir hier zwischen Hessen und Baden-Württemberg, auch in Rheinland-Pfalz, entwickeln werden.“

Bürgerinitiativen gegen Lithium-Extraktion

Genau das macht aber auch vielen Menschen in der Region Angst, denn Kreuters Firma ist nicht die einzige, die weitere Geothermie-Kraftwerke plant. Mehrere Gemeinden haben sich schon gegen Probebohrungen entschieden. Sechs Bürgerinitiativen haben sich zusammengetan, um vor dem massiven Ausbau zu warnen.
Thomas Hans ist Sprecher der Bürgerinitiative Karlsruhe: „Die Tiefengeothermie im Oberrheingraben bringt Risiken und Gefahren mit sich. Die sind nicht beherrschbar“, sagt er.

Im nahen Elsass hatte eine Tiefenbohrung vor zwei Jahren ein Erdbeben ausgelöst. Immer wieder kam es auch in der Vergangenheit zu Rissen in Häusern, weil der Boden in Schwingung geriet. „Es gibt auch strukturelle Schäden, gerade bei älteren Gebäuden", sagt Thomas Hans. "Und dann sind die Schäden höher und es bedeutet für die Betroffenen einen jahrelangen Rechtsstreit. Das belastet das Leben, das muss nicht sein.“
Die Betreiber sagen, bei den Vorfällen sei entweder ein anderer Untergrund schuld gewesen oder der Untergrund sei vorab nicht genau erkundet worden.

3-D-Bodenuntersuchungen zur Gefahreneinschätzung

Jochen Kolb, der Geologe vom KIT, will das gar nicht kleinreden: „Die Gefahr ist da in solchen Geothermiekraftwerken", bestätigt er. "Man kann durch geologische detaillierte Untersuchungen inzwischen ganz gut vorhersagen, wo man sowas am besten macht und wo man so was am besten nicht macht.“
Solche 3D-Bodenuntersuchungen sind inzwischen Standard. Die Bürgerinitiativen sind aber weiter skeptisch. Sie lehnen Geothermieprojekte grundsätzlich ab. Denn, so Thomas Hans: „Es macht was aus, ob ich das in einer unbewohnten Gegend mache oder hier. Es ist in eine der am dichtesten besiedelten Gegenden Europas. Und: Der Oberrheingraben ist ein Erdbebengebiet, also steht unter Spannung.“
Die Unternehmen werben mit dem ökologischen Nutzen für ihre Pläne. Zudem könnten die Gemeinden auch etwa vom Ausbau in großem Stil haben: CO2-neutrale Wärme nämlich. Dafür müsste allerdings das Wärmenetz ausgebaut werden.

Lithium-Bedarf wächst

Die Bürgerinitiativen befürchten, das Interesse am Lithium stehe im Vordergrund. Und dafür werde dann auch die Energie eingesetzt.
Klar ist aber auch: Der Bedarf an Lithium wird bis Ende des Jahrzehnts vier Mal so hoch sein. Und aktuell ist Deutschland komplett von Importen abhängig.

In Guben, nahe der Grenze zu Polen, will das kanadische Unternehmen RockTech Europas größte Lithium-Raffinerie bauen. Unser Brandenburg-Korrespondent Christoph Richter berichtet, wie weit die Pläne des Unternehmens gediehen sind und was die Menschen in der Stadt davon halten.

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