Rohstoffsuche im Harz

Wechselstrom in der Erde, Messsonde in der Luft

08:18 Minuten
Die 10 Meter lange BGR-Sonde, die im Projekt an einen Hubschrauber gehängt wird, um Daten zu erheben.
Die zehn Meter lange Messsonde wird von einem Hubschrauber in die Luft befördert. © BGR
Von Dietrich Mohaupt · 19.01.2021
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Wissenschaftler erkunden im Harz den Boden bis zu tausend Meter Tiefe - und das aus der Luft. Mit den Daten einer Messsonde, die an einem Hubschrauber hängt, suchen Forscher nach Hinweisen auf mögliche Rohstoffvorkommen.
Startvorbereitungen auf dem Flugplatz in Hildesheim – ein paar letzte Handgriffe und Kontrollen, Routine für Hubschrauberpilot Manfred Koopmann, einen "alten Hasen", den so leicht nichts aus der Ruhe bringt: "Ich bin schon seit über 40 Jahren am Fliegen."
Dabei ist der aktuelle Auftrag alles andere als Routine. In den nächsten Stunden wird eine zehn Meter lange und gut 300 Kilogramm schwere Messsonde an einem 40 Meter langen Stahlseil unter seinem Hubschrauber hängen – das beeinflusst das Flugverhalten spürbar.
"Dann ist die Herausforderung, dass man in einer bestimmten Höhe fliegen soll – die Sonde soll also gerne 60 bis 70 Meter über Grund sein, tiefer ist besser", erläutert Koopmann. "Man soll auf einer bestimmten Linie fliegen, ist relativ beschäftigt mit Höhe und Richtung einhalten! Dann sind wir im Harz, das ist relativ anspruchsvolles Gelände, weil es relativ steil rauf und runter geht."
Außerdem weht mehr als nur ein laues Lüftchen – die Fliegerei mit einer sogenannten Außenlast unter dem Hubschrauber ist bei solchen Bedingungen nicht gerade ein Kinderspiel. "Das ist natürlich eine Herausforderung. Wenn man nur geradeaus fliegt in einer Höhe bei gutem Wetter – ist das nicht so eine große Herausforderung."

Möglichst exakte Linien fliegen

In einem Hangar auf dem Flugplatz steht Einsatzleiter Hauke Petersen von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoff (BGR) vor einer großen Wandkarte. Bis ins Detail ist hier als dichtes Raster die geplante Flugroute für den Hubschrauber eingezeichnet.
Messgebiet ist die Region um Goslar am nördlichen Harzrand. "Wir überfliegen das Gebiet Gosetal. Dem Piloten und dem Navigator werden Anfangs- und Endkoordinaten der geplanten Fluglinien mitgegeben," erklärt Petersen. In diesem Fall seien 17 Fluglinien zu fliegen, mit einer Länge von sechs bis sieben Kilometern. "Aufgabe der Hubschrauber-Crew ist es, entlang dieser Linien möglichst exakt zu fliegen."

Techniker der BGR bringen inzwischen die Messsonde zum Hubschrauber auf das Flugfeld. Der zehn Meter lange Zylinder aus hochfestem Kevlar ist vollgestopft mit modernster Navigations-, Mess- und Funktechnik, erläutert Annika Steuer von der BGR.
"Das Wichtigste, was da drin steckt, sind die Induktionsspulen-Magnetometer – das sind drei Magnetfeldsensoren, die gekippt gegeneinander angeordnet sind, um die räumlichen Magnetfelder zu messen; dann gibt es einen Lagesensor, damit kann die genaue Lage der Sonde gemessen werden. Das sind eigentlich die beiden teuersten Teile, die da drin sind. Und dann gibt es noch GPS, WLAN" – und diverse andere Sensoren. Sie alle werden benötigt, um mit dem sogenannten "semi-airborne Verfahren" aus der Luft einen Blick tief in das Erdinnere werfen zu können.
"Das heißt semi-airborne, weil am Boden Ströme eingespeist werden und wir mit der Flugsonde in parallelen Linien über das Messgebiet fliegen und dort dann die Magnetfelder messen, die durch die Ströme im Untergrund erzeugt werden", erklärt Steuer. "Damit kann man die elektrische Leitfähigkeit in bis zu tausend Meter detektieren und eventuell tiefliegende Erze, gut leitende Erze finden."

Suche nach mineralischen Rohstoffen

Bisher konnte die BGR mit ähnlichen Verfahren nur Bereiche bis maximal etwa 150 Metern Tiefe erforschen, andere Verfahren erreichten 400 bis 500 Meter, jetzt geht es bis zu tausend Meter weit in den Untergrund. Im Fokus stehen dabei tatsächlich in erster Linie mineralische Rohstoffe – Erze vorzugsweise.
Aber das Gerät kann noch mehr: "Es kann auch eingesetzt werden zur Erkundung von tiefen Grundwasserleitern, man kann Salz- und Süßwasser voneinander unterscheiden, es kann auch eingesetzt werden zur Erkundung geologischer Strukturen – Salzstöcke könnten damit erkundet werden. Es gibt also verschiedene Einsatzmöglichkeiten. Es ist geplant, es eventuell in Zukunft in Afrika zur Grundwassersuche einzusetzen."
Noch muss das System allerdings weiter getestet und verfeinert werden – dafür dienen auch die Messflüge über dem Gosetal im Harz.

Rochlitz rammt eine Metallstange in den Boden

Dort ist inzwischen auch die Bodencrew angekommen. Wissenschaftler der Universität Münster und des Leibniz-Instituts für angewandte Geophysik (LIAG) in Hannover haben auf einer großen Wiese am Ufer der Granetalsperre ihre Ausrüstung aufgebaut – zu der auch ein lärmender Bohrhammer gehört.
Raphael Rochlitz vom LIAG versucht gerade, eine lange Metallstange in den harten, steinigen Boden zu rammen – und muss schon nach kurzer Zeit aufgeben:
"Hier in dem Fall kommen wir leider gar nicht tief rein. Das sind jetzt zweieinhalb Meter gewesen, die wir maximal geschafft haben mit dem Bohrhammer. Das ist alles recht trocken und massiv hier – in Norddeutschland sieht das ganz anders aus, da kann man mit Leichtigkeit fünf Meter erreichen, da braucht man eine Stange und kriegt genauso viel hin wie hier mit drei Stunden Arbeit – das kann sehr unterschiedlich sein."
Ein Hubschrauber mit Messsonde fliegt über ein Waldstück.
In einer Höhe von 60 bis 70 Metern soll die Messsonde über dem Boden bewegt werden.© Picture Alliance / dpa / Sven Pförtner
Raphael Rochlitz versucht es noch an anderen Stellen, und hat dort auch mehr Erfolg. Etwa zwei Kilometer entfernt sind bereits solche Stangen eingerammt worden – zwischen diesen beiden Polen soll später der Strom im Untergrund fließen, erläutert Projektleiter Michael Becken von der Uni Münster. Ohne diese Arbeiten am Boden würde das System nicht funktionieren.
"Am Boden speisen wir einen Wechselstrom ein, und dieser Wechselstrom induziert ein magnetisches Feld – das hängt von den Eigenschaften des Untergrunds ab, also speziell der elektrischen Leitfähigkeit, die uns interessiert.", erläutert Becken. "Dieses Magnetfeld messen wir dann im Hubschrauber-Schleppkörper während des Überfluges."

Die Sonde in der Luft misst die Leitfähigkeit

Jede Menge Daten sammelt die an dem Hubschrauber hängende Sonde auf diese Weise – allerdings verraten die nicht auf den ersten Blick, was sich da möglicherweise im Untergrund befindet. "Wir sehen wirklich nur die elektrischen Eigenschaften – es gibt unterschiedliche Leitfähigkeits-Mechanismen, in Erzen sind das metallische Leitfähigkeiten, im Grundwasser ist es Salz, ionische Leitfähigkeit. Wir können nicht sagen von unseren Messungen, was genau es ist, wir können nur sagen, dort ist es leitfähig."
Aus diesen Messungen wird anschließend ein dreidimensionales Modell der Leitfähigkeit des Untergrunds berechnet, und dann sind andere Wissenschaftler am Zug, die diese Daten auswerten sollen.
Annika Steuer zum Beispiel von der BGR freut sich schon auf einen ganzen Berg solcher Daten. "Das wird dann wirklich spannend – der Abgleich mit der Geologie, mit Bohrdaten, die vielleicht vorhanden sind. Das ist für mich dann die interessantere Arbeit – als Wissenschaftlerin im Nachgang der Messkampagne beschäftigt man sich dann wirklich Monate noch mit den Daten."

Auswertungsphase mit Bergen von Daten

Genau das geschieht gerade – die Daten der ersten Messflüge werden ausgewertet, im März soll es voraussichtlich weitere Flüge am Harzrand geben. Vor Ende der regulären Projektlaufzeit im Jahr 2022 über mögliche Erzvorkommen in dem Gebiet zu spekulieren, wäre nicht seriös, meint Projektleiter Michael Becken.
Immerhin: Schon jetzt zeigen die Daten deutlich, dass es in der Region am Rammelsberg bei Goslar sogenannte Leitfähigkeitsanomalien im Boden gibt.
Was das allerdings mit Blick auf mögliche Rohstoffvorkommen bedeutet – auch Annika Steuer von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe ist da eher zurückhaltend.
"Im Harz wurden ja schon viele Erkundungen gemacht und da wird nicht mehr viel sein", sagt Steuer. "Also am Rammelsberg – der ist ausgeerzt. Klar, hier gab es noch mal Investoren in den vergangenen Jahren, die gedacht haben, da ist vielleicht dieser Erzzwilling, aber es wurde nichts gefunden."
Vielleicht gebe es an anderen Stellen noch Vorkommen, es könne auch sein, dass man vielleicht in größerer Tiefe noch etwas finde. "Aber ob das Ganze dann wirtschaftlich abbaubar ist, ist wieder eine andere Frage."
Für Projektleiter Michael Becken von der Uni Münster stehen diese Fragen aber gar nicht so sehr im Vordergrund. Man habe in dem Projekt bereits viel gelernt, betont er – und eine Methode für die Rohstofferkundung entwickelt, die auch international Aufmerksamkeit erregt habe. "Das wird weltweit beobachtet, was wir hier tun, das ist ein System, das es so woanders nicht gibt, und das Interesse ist vielerorts groß."
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