Roger M. Buergel und die nächste Documenta
Es ist alter Brauch: Wenn die jeweiligen Herrscher der Documenta vorab Audienz gewähren, kommt das Publikum in Scharen, will dabei gewesen sein bei der Entstehung dieses "Weltwunders" der zeitgenössischen Kunst. Und mancher Publizist fällt vor dem Thron auf die Knie und ruft: "Sir, bitte nennen Sie Namen!"
Genau das aber tun diese Herrscher nicht. Jan Hoet zeigte nächtelang Dias, ohne sich auf bestimmte Künstler festzulegen, Catherine David raunte geheimnisvoll, und Okwui Enwezor sprach lieber über die Diskussionsplattformen im Vorfeld seiner Documenta. Auch Roger M. Buergel, der neue Potentat, geht mächtig in die Breite, wenn der Abend lang ist und der Saal wie in Hannover gut gefüllt. Vor allem blickt er mithilfe vieler Projektionen in die Historie, trägt seine Bewunderung für die 1. Documenta 1955 vor und erläutert den Beginn der Erfolgsgeschichte:
"Es war eine Ausstellung für eine fragmentierte deutsche Öffentlichkeit - in einem Bau der Aufklärung, einer Ruine. Dem deutschen Publikum wurde die Gelegenheit gegeben, zusammenzufinden, sich zu ereignen. Man begründete einen eigenen Raum, fand eine Identität - aber eben nicht auf dem Boden einer Ideologie, nicht durch Religion oder Politik, sondern durch die Erfahrung zeitgenössischer Kunst. "
Eine zivilisatorische Großtat war es damals, so Buergel.
"Vorwärts in die Vergangenheit!" könnte seine Devise lauten, die Besinnung auf die Documenta - Anfänge soll die Brücke in die Zukunft sein. Denn damals gelang es, die Kunstwerke bei aller äußeren Armut höchst geschickt zu placieren: ein Picasso hing auf einer schwarzen Plastikplane, - so wurde der synthetische Charakter dieses Gemäldes betont. Wieder ein anderes Bild war wie ein Objekt in den Raum gestellt und kam dem Besucher förmlich entgegen. Das Publikum wurde auf diese Weise ästhetisch umgarnt, eingefangen, um das zu ermöglichen, worauf es Buergel zufolge bei der Vermittlung von Kunst ankommt: dass etwas beim Betrachter in Bewegung kommt, das Dargestellte mit seiner eigenen Vorstellung verschmilzt.
Indem sie diesen Austausch zwischen Individuum und Kunst verwirklicht, wird die Ausstellung zu einem eigenständigen Medium.
Das alles mag manchem als etwas abgehoben erscheinen, aber es sind Überlegungen auf dem Weg zur Documenta 12, deren Charakter Buergel im Gespräch so zusammenfasst.
"Ich glaube, dass es eine Bildungsveranstaltung großen Stils ist. Bildung bedeutet aber nicht, dass dem Publikum Wissen eingetrichtert wird - es bildet sich vielmehr selbst. Die Documenta ist so eine Alternative zur seichten Information, mit der wir gewöhnlich abgespeist werden. Zweitens soll diese Ausstellung eine Öffentlichkeit, ein Publikum herausbilden, aus sonst passiven Betrachtern, die hier zum Teil der Komposition werden. "
Viele konkrete Details musste man am Rande des Vortrags erfragen: z.B. dass das Fridericianum als Schauplatz im Inneren verändert wird, andererseits sich die Documenta-Halle als unbrauchbar für Kunstausstellungen erwiesen hat. An dem Plan, ein Einkaufszentrum im Herzen der Stadt leer räumen zu lassen und zur Kunstpräsentation zu nutzen, hält Buergel fest.
Lateinamerika und postsowjetische Staaten werden bei der Auswahl der Künstler eine besondere Rolle spielen. Dass die Malerei wieder stärker zu ihrem Recht kommt gegenüber Video und anderen modernen Medien, ist für Buergel aber nicht ganz so wichtig.
"Das Material, mit dem jemand arbeitet, interessiert mich nicht in erster Linie. Ich glaube, dass die große Mediendiskussion vorüber ist. Im Mittelpunkt stehen heute Fragen der Vermittlung von Kunst, von Bedeutung ist die Schnittstelle zum Publikum. "
Über das mögliche Ge- oder Misslingen dieser Documenta12 lässt sich nach diesem Abend wenig sagen. Aber Roger M. Buergel wird seinen Weg gehen und will sich von den beeindruckenden Besucherzahlen der Documenta 11 nicht unter Druck setzen lassen. Die Documenta überlebt seiner Meinung nicht als Event an sich, sondern allein durch inhaltliches Profil:
"Ich meine, dass die Documenta sehr stark davon lebt, ob die jeweiligen Leiterinnen und Leiter bereit sind, sie neu zu erfinden, sie als singuläres Ereignis zu entwickeln und eben nicht als gegebenes Format zu betrachten.
Bei der Documenta hat man - anders als bei der Biennale - das Privileg, genau zu recherchieren und Fragestellungen über Jahre nachzugehen. Solange sich die Documenta diese Souveränität leistet, wird es sie geben - muss es sie auch geben. "
"Es war eine Ausstellung für eine fragmentierte deutsche Öffentlichkeit - in einem Bau der Aufklärung, einer Ruine. Dem deutschen Publikum wurde die Gelegenheit gegeben, zusammenzufinden, sich zu ereignen. Man begründete einen eigenen Raum, fand eine Identität - aber eben nicht auf dem Boden einer Ideologie, nicht durch Religion oder Politik, sondern durch die Erfahrung zeitgenössischer Kunst. "
Eine zivilisatorische Großtat war es damals, so Buergel.
"Vorwärts in die Vergangenheit!" könnte seine Devise lauten, die Besinnung auf die Documenta - Anfänge soll die Brücke in die Zukunft sein. Denn damals gelang es, die Kunstwerke bei aller äußeren Armut höchst geschickt zu placieren: ein Picasso hing auf einer schwarzen Plastikplane, - so wurde der synthetische Charakter dieses Gemäldes betont. Wieder ein anderes Bild war wie ein Objekt in den Raum gestellt und kam dem Besucher förmlich entgegen. Das Publikum wurde auf diese Weise ästhetisch umgarnt, eingefangen, um das zu ermöglichen, worauf es Buergel zufolge bei der Vermittlung von Kunst ankommt: dass etwas beim Betrachter in Bewegung kommt, das Dargestellte mit seiner eigenen Vorstellung verschmilzt.
Indem sie diesen Austausch zwischen Individuum und Kunst verwirklicht, wird die Ausstellung zu einem eigenständigen Medium.
Das alles mag manchem als etwas abgehoben erscheinen, aber es sind Überlegungen auf dem Weg zur Documenta 12, deren Charakter Buergel im Gespräch so zusammenfasst.
"Ich glaube, dass es eine Bildungsveranstaltung großen Stils ist. Bildung bedeutet aber nicht, dass dem Publikum Wissen eingetrichtert wird - es bildet sich vielmehr selbst. Die Documenta ist so eine Alternative zur seichten Information, mit der wir gewöhnlich abgespeist werden. Zweitens soll diese Ausstellung eine Öffentlichkeit, ein Publikum herausbilden, aus sonst passiven Betrachtern, die hier zum Teil der Komposition werden. "
Viele konkrete Details musste man am Rande des Vortrags erfragen: z.B. dass das Fridericianum als Schauplatz im Inneren verändert wird, andererseits sich die Documenta-Halle als unbrauchbar für Kunstausstellungen erwiesen hat. An dem Plan, ein Einkaufszentrum im Herzen der Stadt leer räumen zu lassen und zur Kunstpräsentation zu nutzen, hält Buergel fest.
Lateinamerika und postsowjetische Staaten werden bei der Auswahl der Künstler eine besondere Rolle spielen. Dass die Malerei wieder stärker zu ihrem Recht kommt gegenüber Video und anderen modernen Medien, ist für Buergel aber nicht ganz so wichtig.
"Das Material, mit dem jemand arbeitet, interessiert mich nicht in erster Linie. Ich glaube, dass die große Mediendiskussion vorüber ist. Im Mittelpunkt stehen heute Fragen der Vermittlung von Kunst, von Bedeutung ist die Schnittstelle zum Publikum. "
Über das mögliche Ge- oder Misslingen dieser Documenta12 lässt sich nach diesem Abend wenig sagen. Aber Roger M. Buergel wird seinen Weg gehen und will sich von den beeindruckenden Besucherzahlen der Documenta 11 nicht unter Druck setzen lassen. Die Documenta überlebt seiner Meinung nicht als Event an sich, sondern allein durch inhaltliches Profil:
"Ich meine, dass die Documenta sehr stark davon lebt, ob die jeweiligen Leiterinnen und Leiter bereit sind, sie neu zu erfinden, sie als singuläres Ereignis zu entwickeln und eben nicht als gegebenes Format zu betrachten.
Bei der Documenta hat man - anders als bei der Biennale - das Privileg, genau zu recherchieren und Fragestellungen über Jahre nachzugehen. Solange sich die Documenta diese Souveränität leistet, wird es sie geben - muss es sie auch geben. "