Roger M. Buergel und die documenta 12
Roger M. Bürgel gilt als ein leidenschaftlicher Verächter großer Kunstspektakel, und nun wird er selber das größte von allen leiten. Die Kasseler documenta ist längst über den Rang der versponnenen Talentschmiede hinausgewachsen, zu der sie in den sechziger und siebziger Jahren geworden ist.
Inzwischen ist sie ein florierendes Wirtschaftsunternehmen, an dem in Kassel viele Einkommen hängen, von der Tourismusbranche über die gesamte Öffentlichkeitsarbeit bis zum Merchandising. Immer noch die documenta zweifellos für sich in Anspruch nehmen, aktuelle Trends der Kunstszene nicht einfach nur wiederzuspiegeln, sondern sie selbst zu setzen oder wenigstens auf Jahre hinaus zu verstärken. Das gilt übrigens auch für den Trend zur offensiven Selbstvermarktung als "deutsches Kulturevent von Weltrang".
Signifikanterweise begann man damit kurz nach der Wiedervereinigung, als ständig wieder von Deutschland als Kulturnation die Rede war. Der Belgier Jan Hoet als damaliger künstlerischer Leiter der documenta 9, spielte den Medien-Tausendsassa, um für seine bombastische Künstlerhitparade zu werben, die zwar von Kritikern als Seifenoper verrissen wurde, zugleich aber beim Publikum einen regelrechten documenta-Boom auslöste. Hoet knackte als erster die 500.000-Besucher Marke.
Die Französin Catherine David, erste Frau an der documenta-Spitze, die selber zu den schärfsten Kritikern Hoets gehört hatte, legte fünf Jahre später zwar eine intellektuell und ästhetisch sehr viel subtilere und einflussreichere documenta X vor, die aber von der Kritik wiederum als "zu wenig sinnlich" verrissen wurde – allein auch Catherine David konnte sich dem Zwang zur wirtschaftlichen Rekordjagd in Kassel nicht völlig verschließen. Am Ende war sie sichtlich stolz, ihren Kritikern die übersprungene 600.000-Besucher-Marke entgegenzuhalten. Und dass der Laden in Kassel mittlerweile von selbst läuft, unabhängig von dem, was gezeigt wird, zeigte eindrücklich die letzte documenta 11 im Jahr 2002 unter der Leitung von Okwui Enwezor, des ersten afrikastämmigen Leiters der Ausstellung. Denn Enwezors Programm war alles andere als leichte Kost, noch theorielastiger, noch kleinteiliger, noch unsinnlicher als das von Catherine David. Doch mittlerweile kann sich offenbar auch die Presse an der schieren Erfolgsgeschichte des Unternehmens documenta begeistern. Die Schau wurde eifrig beworben, natürlich gab es einen neuen Besucherrekord, fast hätte man noch den 700.000. begrüßt.
Und künstlerisch? Vielen fehlt seit Jan Hoets Schau von 1992 das ganz große, mit viel "Oh" und "Ah" bedachte, allen im Gedächtnis bleibende AHA-Kunstwerk, das jeder mit der documenta verbinden kann. 1992 war es der zugegeben schreckliche "Walking Man" von Jonathan Borowski am Kasseler Hauptbahnhof, ein zwanzig Meter hoher, leicht geneigter Aluminiummast, den ein Kunststoffmann empor marschiert, als wolle er den Himmel stürmen. Das ultimative Denkmal zur neudeutschen Einheit, wie viele damals spöttisch meinten. Zahlreiche Firmen bestellten die Skulptur später für ihre Außenselbstdarstellung. Catherine David dagegen hat 1997 versucht, das Steuer herumzureißen, Konzentration auf Inhalte, nicht auf Show. Sie hat das Programm der documenta bis heute beeinflusst: "Back to the Seventies" lautete die Devise: Kunst als globale Kapitalismuskritik Spätestens bei der letzten hochprofitablen Schau 2002 roch das aber bereits penetrant nach Folklore.
Signifikanterweise begann man damit kurz nach der Wiedervereinigung, als ständig wieder von Deutschland als Kulturnation die Rede war. Der Belgier Jan Hoet als damaliger künstlerischer Leiter der documenta 9, spielte den Medien-Tausendsassa, um für seine bombastische Künstlerhitparade zu werben, die zwar von Kritikern als Seifenoper verrissen wurde, zugleich aber beim Publikum einen regelrechten documenta-Boom auslöste. Hoet knackte als erster die 500.000-Besucher Marke.
Die Französin Catherine David, erste Frau an der documenta-Spitze, die selber zu den schärfsten Kritikern Hoets gehört hatte, legte fünf Jahre später zwar eine intellektuell und ästhetisch sehr viel subtilere und einflussreichere documenta X vor, die aber von der Kritik wiederum als "zu wenig sinnlich" verrissen wurde – allein auch Catherine David konnte sich dem Zwang zur wirtschaftlichen Rekordjagd in Kassel nicht völlig verschließen. Am Ende war sie sichtlich stolz, ihren Kritikern die übersprungene 600.000-Besucher-Marke entgegenzuhalten. Und dass der Laden in Kassel mittlerweile von selbst läuft, unabhängig von dem, was gezeigt wird, zeigte eindrücklich die letzte documenta 11 im Jahr 2002 unter der Leitung von Okwui Enwezor, des ersten afrikastämmigen Leiters der Ausstellung. Denn Enwezors Programm war alles andere als leichte Kost, noch theorielastiger, noch kleinteiliger, noch unsinnlicher als das von Catherine David. Doch mittlerweile kann sich offenbar auch die Presse an der schieren Erfolgsgeschichte des Unternehmens documenta begeistern. Die Schau wurde eifrig beworben, natürlich gab es einen neuen Besucherrekord, fast hätte man noch den 700.000. begrüßt.
Und künstlerisch? Vielen fehlt seit Jan Hoets Schau von 1992 das ganz große, mit viel "Oh" und "Ah" bedachte, allen im Gedächtnis bleibende AHA-Kunstwerk, das jeder mit der documenta verbinden kann. 1992 war es der zugegeben schreckliche "Walking Man" von Jonathan Borowski am Kasseler Hauptbahnhof, ein zwanzig Meter hoher, leicht geneigter Aluminiummast, den ein Kunststoffmann empor marschiert, als wolle er den Himmel stürmen. Das ultimative Denkmal zur neudeutschen Einheit, wie viele damals spöttisch meinten. Zahlreiche Firmen bestellten die Skulptur später für ihre Außenselbstdarstellung. Catherine David dagegen hat 1997 versucht, das Steuer herumzureißen, Konzentration auf Inhalte, nicht auf Show. Sie hat das Programm der documenta bis heute beeinflusst: "Back to the Seventies" lautete die Devise: Kunst als globale Kapitalismuskritik Spätestens bei der letzten hochprofitablen Schau 2002 roch das aber bereits penetrant nach Folklore.