Röttgen lehnt vorgezogene Neuwahlen ab
Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion, Norbert Röttgen, hat sich dafür ausgesprochen, die Koalition mit der SPD bis zum Ende der Legislaturperiode fortzusetzen. Man könne der SPD keinen Vorwurf daraus machen, jetzt einen Kanzlerkandidaten zu benennen.
Jörg Degenhardt: Auch bei den Sozialdemokraten wurde es gestern laut. Da ging die Post ab. Ein Jahr vor der Bundestagswahl versucht die zerstrittene SPD mit Franz Müntefering als neuem Parteichef und mit Frank-Walter Steinmeier als Kanzlerkandidat einen Befreiungsschlag. Die Parteispitze nominierte den Außenminister gestern in Werder bei Potsdam einstimmig als Herausforderer von Angela Merkel. Überraschend legte Kurt Beck den Vorsitz nieder. Er sieht sich als Opfer einer Intrige.
Was bedeutet der Personalwechsel an der SPD-Spitze für die Große Koalition in Berlin? Dazu jetzt Fragen an den Parlamentarischen Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, an Norbert Röttgen. Guten Morgen, Herr Röttgen.
Norbert Röttgen: Guten Morgen!
Degenhardt: Zunächst: wie haben Sie das Geschehen gestern verfolgt, mit Bedauern für Beck oder doch eher mit Erleichterung, dass da endlich eine Klärung herbeigeführt wurde an der Spitze der SPD?
Röttgen: Was mich offen gestanden am meisten berührt hat, war die Würdelosigkeit dieses Vorganges. Ich habe Herrn Beck nicht für einen geeigneten Kanzlerkandidaten gehalten. Ich finde aber nicht, dass man dann einen so wegjagen muss und das im Grunde im Wege eines Putsches machen muss.
Degenhardt: Zu den Konsequenzen der gestrigen Ereignisse. Sehen Sie denn die letzten Tage für das Regierungsbündnis mit den Sozialdemokraten gekommen, oder ist es doch nicht so heftig?
Röttgen: Na ja, die letzten Tage sind so das letzte Jahr. Das ist noch da. Eine Große Koalition soll nicht und nach unserem Willen ganz sicher nicht fortgesetzt werden. Aber eine Große Koalition hat besondere Aufgaben, die sie erfüllen muss. Alle paar Jahrzehnte – es ist ja erst die zweite, die wir haben – haben wir in Deutschland eine, die Fundamente wieder reparieren, herstellen muss. Das haben wir auch in wichtigen Bereichen gemacht und es steht auch noch etwas an. Die SPD ist geschwächt. Sie ist seit gestern, glaube ich, noch mal schwächer, weil sie jetzt mit sich selber beschäftigt ist. Die Kämpfe sind noch nicht zu Ende. Ich glaube, es schmerzt auch noch sehr. Aber wir sind als CDU, als Union ein stabiler, der stabile Pfeiler und ich glaube, auch die SPD will jetzt nicht vorzeitig raus.
Degenhardt: Aber wäre es nicht ehrlicher dem Wähler gegenüber, jetzt, so wie es der FDP-Chef Guido Westerwelle gefordert hat, auf Neuwahlen zu setzen?
Röttgen: Nein. Das ist das Interesse der FDP, aber das ist erstens schon nicht unsere Verfassungslage. Die Legislaturperiode steht nicht zur Disposition der Parteien. Sie haben nicht das Recht, dann die Legislaturperiode zu beenden, wenn es ihnen recht ist, wenn es opportun ist, und auch wenn es opportun für eine aus der Opposition ist. Zweitens ist es unverantwortlich gegenüber dem Wähler, der ja für vier Jahre gewählt hat, und wir haben die Pflicht, Probleme zu lösen, und wir haben auch noch ein klares Aufgabenprogramm vor uns, das wir auch erledigen werden. Das kennen wir auch und das ist unsere Aufgabe. Dafür sind wir da, nicht um Parteiränke in einzelnen Parteien auszufechten, sondern um die bekannten Probleme des Landes ein Stück weit jedenfalls einer weiteren Lösung zuzuführen.
Degenhardt: Das klingt ja ganz gut, Herr Röttgen, aber Kanzlerin und Kanzlerkandidat auf einer Regierungsbank, wie soll da noch ein verlässliches Handeln möglich sein, wenn jeder schon heimlich Wahlkampf macht, indem er etwa die Fehler des anderen genüsslich auskostet?
Röttgen: Jetzt muss man mal sagen, wir haben ja eine Kanzlerin und damit hat die Union eine natürlich Kanzlerkandidatin. Ich finde, wir können jetzt nicht der SPD vorwerfen, dass sie sich herausnimmt, auch ihren Spitzenkandidaten zu benennen. Es ist im Grunde ein professionelles Verhalten von Politik, dass man miteinander regieren kann, obwohl man weiß, dass man dann vielleicht ein halbes Jahr vor dem Wahltermin auch in den Wahlkampf übergeht. Aber bis dahin haben wir das Bewusstsein, in Staatsämtern zu sein und auch die daraus abzuleitenden Aufgaben zu erledigen. Das ist, glaube ich, schlichtes professionelles Verhalten.
Degenhardt: Aber Steinmeier könne möglicherweise wie sein Amtsvorgänger zu einem "Getriebenen seiner eigenen Partei werden". Das hat Peter Ramsauer, der CSU-Landesgruppenchef, in unserem Schwesterprogramm, im Deutschlandfunk, vermutet.
Röttgen: Das stimmt ja. Das ist die Zerrissenheit der SPD. Herr Steinmeier ist auch ein geschwächter Mann, denn man muss ja mal sehen, dass die SPD ihm die Kanzlerschaft zutraut, aber nicht den Parteivorsitz. Was bedeutet das eigentlich fürs Land? Das ist die Position, in der exakt Gerhard Schröder gescheitert war, als er den Parteivorsitz abgeben musste. Das war der Anfang vom Ende von Gerhard Schröder und das ist die Startposition von Herrn Steinmeier. Die SPD hat keine Frage entschieden. Sie ist in einer Identitätskrise. Sie orientiert sich inhaltlich nach links. Das neue Personal passt jetzt nicht dazu. Die Partei macht aber selbständig was sie will. Auch in der Bundespräsidentenfrage Frau Schwan war ja Steinmeier überhaupt nicht dafür, Frau Schwan aufzustellen. Trotzdem macht die Partei es anders. Sie macht es auch im Verhältnis zur Linkspartei auf Länderebene. Herr Steinmeier ist in Wahrheit ein König ohne Truppen und das wird noch ein großes Problem für ihn werden, weil er in ganz andere Richtungen ziehen will, als die Partei es macht.
Degenhardt: Und vor allem, Herr Steinmeier hat sich bisher einen Namen als Außenpolitiker gemacht. Wissen Sie, wofür er innenpolitisch steht?
Röttgen: Ja. Er hat sich, glaube ich, als Politiker bislang noch nicht so einen Namen gemacht. Er hat ja eine Sozialisation in der Bürokratie. Und ob er ein Politiker ist, das werden wir noch mal abwarten. Bislang konnte man das so noch nicht sehen. Herr Steinmeier ist eher einer, der exekutiert, und keiner, der politisch konzeptionell die Richtung vorgibt und in der Lage ist, dafür auch schon in der eigenen Partei Überzeugungen und Mehrheiten zu schaffen, geschweige denn in der gesamten Bevölkerung. Das ist ein völlig neues Terrain für ihn.
Degenhardt: Der Personalwechsel an der Spitze der SPD und die Folgen für die Koalition, für die Große Koalition in Berlin. Das waren Fragen an Norbert Röttgen, den Parlamentarischen Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Vielen Dank, Herr Röttgen!
Röttgen: Ich bedanke mich.
Das gesamte Gespräch mit Norbert Röttgen können Sie bis zum 8. Februar 2009 in unserem Audio-on-Demand-Angebot nachhören. MP3-Audio
Was bedeutet der Personalwechsel an der SPD-Spitze für die Große Koalition in Berlin? Dazu jetzt Fragen an den Parlamentarischen Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, an Norbert Röttgen. Guten Morgen, Herr Röttgen.
Norbert Röttgen: Guten Morgen!
Degenhardt: Zunächst: wie haben Sie das Geschehen gestern verfolgt, mit Bedauern für Beck oder doch eher mit Erleichterung, dass da endlich eine Klärung herbeigeführt wurde an der Spitze der SPD?
Röttgen: Was mich offen gestanden am meisten berührt hat, war die Würdelosigkeit dieses Vorganges. Ich habe Herrn Beck nicht für einen geeigneten Kanzlerkandidaten gehalten. Ich finde aber nicht, dass man dann einen so wegjagen muss und das im Grunde im Wege eines Putsches machen muss.
Degenhardt: Zu den Konsequenzen der gestrigen Ereignisse. Sehen Sie denn die letzten Tage für das Regierungsbündnis mit den Sozialdemokraten gekommen, oder ist es doch nicht so heftig?
Röttgen: Na ja, die letzten Tage sind so das letzte Jahr. Das ist noch da. Eine Große Koalition soll nicht und nach unserem Willen ganz sicher nicht fortgesetzt werden. Aber eine Große Koalition hat besondere Aufgaben, die sie erfüllen muss. Alle paar Jahrzehnte – es ist ja erst die zweite, die wir haben – haben wir in Deutschland eine, die Fundamente wieder reparieren, herstellen muss. Das haben wir auch in wichtigen Bereichen gemacht und es steht auch noch etwas an. Die SPD ist geschwächt. Sie ist seit gestern, glaube ich, noch mal schwächer, weil sie jetzt mit sich selber beschäftigt ist. Die Kämpfe sind noch nicht zu Ende. Ich glaube, es schmerzt auch noch sehr. Aber wir sind als CDU, als Union ein stabiler, der stabile Pfeiler und ich glaube, auch die SPD will jetzt nicht vorzeitig raus.
Degenhardt: Aber wäre es nicht ehrlicher dem Wähler gegenüber, jetzt, so wie es der FDP-Chef Guido Westerwelle gefordert hat, auf Neuwahlen zu setzen?
Röttgen: Nein. Das ist das Interesse der FDP, aber das ist erstens schon nicht unsere Verfassungslage. Die Legislaturperiode steht nicht zur Disposition der Parteien. Sie haben nicht das Recht, dann die Legislaturperiode zu beenden, wenn es ihnen recht ist, wenn es opportun ist, und auch wenn es opportun für eine aus der Opposition ist. Zweitens ist es unverantwortlich gegenüber dem Wähler, der ja für vier Jahre gewählt hat, und wir haben die Pflicht, Probleme zu lösen, und wir haben auch noch ein klares Aufgabenprogramm vor uns, das wir auch erledigen werden. Das kennen wir auch und das ist unsere Aufgabe. Dafür sind wir da, nicht um Parteiränke in einzelnen Parteien auszufechten, sondern um die bekannten Probleme des Landes ein Stück weit jedenfalls einer weiteren Lösung zuzuführen.
Degenhardt: Das klingt ja ganz gut, Herr Röttgen, aber Kanzlerin und Kanzlerkandidat auf einer Regierungsbank, wie soll da noch ein verlässliches Handeln möglich sein, wenn jeder schon heimlich Wahlkampf macht, indem er etwa die Fehler des anderen genüsslich auskostet?
Röttgen: Jetzt muss man mal sagen, wir haben ja eine Kanzlerin und damit hat die Union eine natürlich Kanzlerkandidatin. Ich finde, wir können jetzt nicht der SPD vorwerfen, dass sie sich herausnimmt, auch ihren Spitzenkandidaten zu benennen. Es ist im Grunde ein professionelles Verhalten von Politik, dass man miteinander regieren kann, obwohl man weiß, dass man dann vielleicht ein halbes Jahr vor dem Wahltermin auch in den Wahlkampf übergeht. Aber bis dahin haben wir das Bewusstsein, in Staatsämtern zu sein und auch die daraus abzuleitenden Aufgaben zu erledigen. Das ist, glaube ich, schlichtes professionelles Verhalten.
Degenhardt: Aber Steinmeier könne möglicherweise wie sein Amtsvorgänger zu einem "Getriebenen seiner eigenen Partei werden". Das hat Peter Ramsauer, der CSU-Landesgruppenchef, in unserem Schwesterprogramm, im Deutschlandfunk, vermutet.
Röttgen: Das stimmt ja. Das ist die Zerrissenheit der SPD. Herr Steinmeier ist auch ein geschwächter Mann, denn man muss ja mal sehen, dass die SPD ihm die Kanzlerschaft zutraut, aber nicht den Parteivorsitz. Was bedeutet das eigentlich fürs Land? Das ist die Position, in der exakt Gerhard Schröder gescheitert war, als er den Parteivorsitz abgeben musste. Das war der Anfang vom Ende von Gerhard Schröder und das ist die Startposition von Herrn Steinmeier. Die SPD hat keine Frage entschieden. Sie ist in einer Identitätskrise. Sie orientiert sich inhaltlich nach links. Das neue Personal passt jetzt nicht dazu. Die Partei macht aber selbständig was sie will. Auch in der Bundespräsidentenfrage Frau Schwan war ja Steinmeier überhaupt nicht dafür, Frau Schwan aufzustellen. Trotzdem macht die Partei es anders. Sie macht es auch im Verhältnis zur Linkspartei auf Länderebene. Herr Steinmeier ist in Wahrheit ein König ohne Truppen und das wird noch ein großes Problem für ihn werden, weil er in ganz andere Richtungen ziehen will, als die Partei es macht.
Degenhardt: Und vor allem, Herr Steinmeier hat sich bisher einen Namen als Außenpolitiker gemacht. Wissen Sie, wofür er innenpolitisch steht?
Röttgen: Ja. Er hat sich, glaube ich, als Politiker bislang noch nicht so einen Namen gemacht. Er hat ja eine Sozialisation in der Bürokratie. Und ob er ein Politiker ist, das werden wir noch mal abwarten. Bislang konnte man das so noch nicht sehen. Herr Steinmeier ist eher einer, der exekutiert, und keiner, der politisch konzeptionell die Richtung vorgibt und in der Lage ist, dafür auch schon in der eigenen Partei Überzeugungen und Mehrheiten zu schaffen, geschweige denn in der gesamten Bevölkerung. Das ist ein völlig neues Terrain für ihn.
Degenhardt: Der Personalwechsel an der Spitze der SPD und die Folgen für die Koalition, für die Große Koalition in Berlin. Das waren Fragen an Norbert Röttgen, den Parlamentarischen Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Vielen Dank, Herr Röttgen!
Röttgen: Ich bedanke mich.
Das gesamte Gespräch mit Norbert Röttgen können Sie bis zum 8. Februar 2009 in unserem Audio-on-Demand-Angebot nachhören. MP3-Audio