Röttgen: Fischer muss zurücktreten
Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion, Norbert Röttgen, hat Außenminister Joschka Fischer zum Rücktritt aufgefordert. Es reiche nicht aus, dass der Minister die Verantwortung für den Visa-Missbrauch übernehme, die politische Konsequenz aber nicht ziehe.
Kolkmann: In der ersten live im Fernsehen übertragenen Aussage eines Ministers vor einem Untersuchungsausschuss nahm Fischer gestern alle Schuld auf sich. Mehr als zwei Stunden sprach er zu Beginn der Sitzung, und den ganzen Tag ging anschließend die Befragung weiter bis halb elf abends. Wie immer sahen sich alle politischen Lager bestätigt. Wie aber hat sich Fischer geschlagen? Wir begrüßen am Telefon den Parlamentarischen Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Norbert Röttgen. Herr Röttgen, konnte Fischer in bewährter Manier beim Publikum vor den Fernsehschirmen Punkte machen?
Röttgen: Das muss natürlich das Publikum entscheiden. Ich war zum Teil Teil des Publikums. Wenn man Joschka Fischer etwas länger kennt, finde ich, hat man schon einen anderen Fischer kennen gelernt, der über weite Strecken nervös war, der auch unsicher war. Insofern zeigt es, dass das von innen heraus kommt. Es war nicht der bekannte, schlagfertige, arrogante Fischer. Den hat es auch streckenweise gegeben, aber es ist eben auch ein angeschlagener Außenminister, den man dort gesehen hat, der geschwommen hat, wenn es ganz konkret wurde, der dann sagte, ich weiß nichts, ich habe Erinnerungslücken, und von dem man den Eindruck hatte, er besteht darauf, dass er in entscheidenden Punkten sein Haus nicht im Griff hat.
Kolkmann: Aber überwiegend zeigte er sich doch sehr souverän.
Röttgen: Wie gesagt, das muss das Publikum jeweils entscheiden. Ich finde es nicht souverän, darauf zu bestehen, dass man in entscheidenden Punkten, wenn man eine Politik initiiert hat, nicht wusste, was die Folgen waren. Ich fand, er war immer dann, wenn es ganz konkret wurde, auch unsicher. Er hat geschwommen. Also ich fand, es war diese Mischung, es war nicht der alte bekannte Fischer, sondern es ist einer, der auch innerlich nervös ist, auch mit sich, glaube ich, nicht wirklich im Reinen ist.
Kolkmann: Nun zeigte sich die Koalition oder die Vertreter der Koalition nach der Sitzung im Ausschuss zufrieden. Analog dazu, ist die Opposition unzufrieden?
Röttgen: Man muss da nüchtern bewerten, was die Ergebnisse sind. Erstens hat Fischer erstmalig seit Monaten, seit Jahren die Urheberschaft anerkannt für den Erlass, der bis dahin immer Volmer-Erlass als Alibi sozusagen genannt worden ist. Dann ist eine Alternative herausgekommen. Bei den Folgen, die ja massiv waren, was illegale Einwanderung anbelangt, über Jahre gedauert haben, hat er ausdrücklich immer gesagt, ich habe Erinnerungslücken. Es hat die Warnungen gegeben, Bundesinnenminister, Botschafter, BKA, und er besteht darauf, entweder nicht zu wissen, dass sie ihn erreicht haben, oder sagt, ich erinnere mich nicht. Entweder sind dies gewollte Erinnerungslücken, weil der dann Konsequenzen für sein Ministeramt ziehen müsste, wenn er es gewusst hätte, oder es trifft ihn ein massives Organisationsverschulden - das ist übrigens juristisch absolut anerkannt. Er hat die Verantwortung dafür, dass er sein Haus im Griff hat. Er kann sich als verantwortlicher Minister nicht daraus zurückziehen.
Kolkmann: Das tut er ja auch nicht. Er hat die Verantwortung voll übernommen.
Röttgen: Er hat aber nicht die Verantwortung dafür übernommen, dass er sein Haus so organisieren muss, dass ihn die Folgen seiner Politik auch erreichen in der Kenntnis, damit er handeln kann. Sie sagen, er hat die Verantwortung übernommen. Ich sage, er hat die Verantwortung, er muss sie gar nicht übernehmen, aber er hat sie doch gleichzeitig entwertet, indem er zu dem Kernelement von Verantwortung Folgenlosigkeit gemacht hat.
Kolkmann: Es sind aber doch Konsequenzen gezogen worden im Ministerium, denn der Zustand als solcher ist abgestellt worden.
Röttgen: Aber politische Verantwortung bedeutet nicht nur, wenn jahrelang etwas schiefgelaufen ist, dass man dann sagt, okay, jetzt mache ich es besser, nachdem ich es endlich gemerkt habe, sondern politische Verantwortung heißt doch - und da stimmen Sie mir ja zu und auch er stimmt zu -, er muss sein Haus so organisieren, dass nicht über Jahre Fehlentwicklungen massiv laufen können, dann muss er für sich sagen, dann ist mein Verleib in dem Amt nicht mehr möglich, das ist gerade der Ausdruck und die Auffassung von politischer Verantwortung, auch das Amt zu verlassen, weil man sagt, ich bin der Verantwortung, die ich habe, nicht gerecht geworden, und das kann ich nur ausdrücken, indem ich das Amt verlasse.
Kolkmann: Sie erneuern also die Rücktrittsforderungen, die die Opposition ja schon früher erhoben hat, gestern allerdings Eckart von Klaeden nach der Ausschusssitzung ganz deutlich nicht mehr.
Röttgen: Ja, das war die Erwartung. Unsere und meine Erwartung ist nicht gewesen, dass Herr Fischer zurücktritt, aber ich bin der Auffassung, dass, wenn man die Urheberschaft für eine solche Politik der illegalen Einwanderung über Jahre anerkennt, dann gleichzeitig sagt, ich erinnere mich persönlich nicht mehr, jedenfalls steht fest, dass auf die Folgen massiv hingewiesen worden ist durch unterschiedliche Instanzen, dass dieses massive Organisationsverschulden zu dieser Konsequenz führen muss, wenn politische Verantwortung noch einen Sinn haben soll und nicht zu einer gängigen politischen Floskel mit Folgenlosigkeit werden soll.
Kolkmann: Das ist das eine, die Forderung, die Konsequenz, die daraus gezogen wird, ist wiederum Sache der Bundesregierung. Lassen Sie uns doch mal über die Rolle der Opposition im Ausschuss und vor allem über die der Union sprechen. Da gibt es zum Teil auch Kommentare, die sich sehr kritisch mit der Position des Ausschussvorsitzenden auseinandersetzen. Beispielsweise schreibt die Leipziger Volkszeitung, dass dies ein sehr voreingenommener Ausschussvorsitzende sei, wie er sich präsentiere, und das müsse Angela Merkel mit größerem Entsetzen erfüllen als die offenbar schweren Versäumnisse in der Praxis der Visa-Politik. Wie finden Sie das?
Röttgen: Das ist doch ein wirklich ganz parteiischer Kommentar. Man mag ja - das ist ja das Recht jedes Journalisten - den Ausschussvorsitzenden kritisieren, aber durch die Leitung des Ausschusses von Herrn Uhl ist noch kein Mensch zu Schaden gekommen. Es ist nicht zu massenhafter illegaler Schwarzarbeit, Zwangsprostitution gekommen.
Kolkmann: Moment, Sie sagen massenhafte illegale Schwarzarbeit. Können Sie das mal beziffern?
Röttgen: Nein, das kann man nicht beziffern.
Kolkmann: Das ist auch das Problem, keiner kann dies beziffern.
Röttgen: Dann frage ich Sie, können Sie Schwarzarbeit in Deutschland beziffern?
Kolkmann: Das kann man schon eher beziffern als das, was durch den Visa-Missbrauch entstanden ist.
Röttgen: Nein, beziffern können Sie es nicht, weil es beides Phänomene sind, sowohl die organisierte Kriminalität als auch die Zwangsprostitution und Schwarzarbeit, die sich gerade der Bezifferung, der statistischen Erfassung entziehen. Man ist ja gerade im Dunkeln. Sie sind ja gerade hier, ohne erfasst zu sein. Aber man kann daraus schließen, wenn Touristenvisa innerhalb von zwei Minuten geprüft und erledigt werden, wenn dies millionenfach geschieht und auch hunderttausendfach ansteigt, dass der Anteil derjenigen, die hier am Ende Schwarzarbeit leisten oder ausgenutzt werden, steigt, dann ist eine Schätzung möglich. Übrigens ging es im Kölner Schleuserprozess um mehrere tausend Schleusungen in einem einzigen Fall der Verurteilung. Gestern hat, glaube ich, ein Landgericht in Westfalen ebenfalls über Schleusungen entschieden, aber die Einzelfälle offenbaren Tausende von Straftaten.
Kolkmann: Vielen Dank für das Gespräch.
Röttgen: Das muss natürlich das Publikum entscheiden. Ich war zum Teil Teil des Publikums. Wenn man Joschka Fischer etwas länger kennt, finde ich, hat man schon einen anderen Fischer kennen gelernt, der über weite Strecken nervös war, der auch unsicher war. Insofern zeigt es, dass das von innen heraus kommt. Es war nicht der bekannte, schlagfertige, arrogante Fischer. Den hat es auch streckenweise gegeben, aber es ist eben auch ein angeschlagener Außenminister, den man dort gesehen hat, der geschwommen hat, wenn es ganz konkret wurde, der dann sagte, ich weiß nichts, ich habe Erinnerungslücken, und von dem man den Eindruck hatte, er besteht darauf, dass er in entscheidenden Punkten sein Haus nicht im Griff hat.
Kolkmann: Aber überwiegend zeigte er sich doch sehr souverän.
Röttgen: Wie gesagt, das muss das Publikum jeweils entscheiden. Ich finde es nicht souverän, darauf zu bestehen, dass man in entscheidenden Punkten, wenn man eine Politik initiiert hat, nicht wusste, was die Folgen waren. Ich fand, er war immer dann, wenn es ganz konkret wurde, auch unsicher. Er hat geschwommen. Also ich fand, es war diese Mischung, es war nicht der alte bekannte Fischer, sondern es ist einer, der auch innerlich nervös ist, auch mit sich, glaube ich, nicht wirklich im Reinen ist.
Kolkmann: Nun zeigte sich die Koalition oder die Vertreter der Koalition nach der Sitzung im Ausschuss zufrieden. Analog dazu, ist die Opposition unzufrieden?
Röttgen: Man muss da nüchtern bewerten, was die Ergebnisse sind. Erstens hat Fischer erstmalig seit Monaten, seit Jahren die Urheberschaft anerkannt für den Erlass, der bis dahin immer Volmer-Erlass als Alibi sozusagen genannt worden ist. Dann ist eine Alternative herausgekommen. Bei den Folgen, die ja massiv waren, was illegale Einwanderung anbelangt, über Jahre gedauert haben, hat er ausdrücklich immer gesagt, ich habe Erinnerungslücken. Es hat die Warnungen gegeben, Bundesinnenminister, Botschafter, BKA, und er besteht darauf, entweder nicht zu wissen, dass sie ihn erreicht haben, oder sagt, ich erinnere mich nicht. Entweder sind dies gewollte Erinnerungslücken, weil der dann Konsequenzen für sein Ministeramt ziehen müsste, wenn er es gewusst hätte, oder es trifft ihn ein massives Organisationsverschulden - das ist übrigens juristisch absolut anerkannt. Er hat die Verantwortung dafür, dass er sein Haus im Griff hat. Er kann sich als verantwortlicher Minister nicht daraus zurückziehen.
Kolkmann: Das tut er ja auch nicht. Er hat die Verantwortung voll übernommen.
Röttgen: Er hat aber nicht die Verantwortung dafür übernommen, dass er sein Haus so organisieren muss, dass ihn die Folgen seiner Politik auch erreichen in der Kenntnis, damit er handeln kann. Sie sagen, er hat die Verantwortung übernommen. Ich sage, er hat die Verantwortung, er muss sie gar nicht übernehmen, aber er hat sie doch gleichzeitig entwertet, indem er zu dem Kernelement von Verantwortung Folgenlosigkeit gemacht hat.
Kolkmann: Es sind aber doch Konsequenzen gezogen worden im Ministerium, denn der Zustand als solcher ist abgestellt worden.
Röttgen: Aber politische Verantwortung bedeutet nicht nur, wenn jahrelang etwas schiefgelaufen ist, dass man dann sagt, okay, jetzt mache ich es besser, nachdem ich es endlich gemerkt habe, sondern politische Verantwortung heißt doch - und da stimmen Sie mir ja zu und auch er stimmt zu -, er muss sein Haus so organisieren, dass nicht über Jahre Fehlentwicklungen massiv laufen können, dann muss er für sich sagen, dann ist mein Verleib in dem Amt nicht mehr möglich, das ist gerade der Ausdruck und die Auffassung von politischer Verantwortung, auch das Amt zu verlassen, weil man sagt, ich bin der Verantwortung, die ich habe, nicht gerecht geworden, und das kann ich nur ausdrücken, indem ich das Amt verlasse.
Kolkmann: Sie erneuern also die Rücktrittsforderungen, die die Opposition ja schon früher erhoben hat, gestern allerdings Eckart von Klaeden nach der Ausschusssitzung ganz deutlich nicht mehr.
Röttgen: Ja, das war die Erwartung. Unsere und meine Erwartung ist nicht gewesen, dass Herr Fischer zurücktritt, aber ich bin der Auffassung, dass, wenn man die Urheberschaft für eine solche Politik der illegalen Einwanderung über Jahre anerkennt, dann gleichzeitig sagt, ich erinnere mich persönlich nicht mehr, jedenfalls steht fest, dass auf die Folgen massiv hingewiesen worden ist durch unterschiedliche Instanzen, dass dieses massive Organisationsverschulden zu dieser Konsequenz führen muss, wenn politische Verantwortung noch einen Sinn haben soll und nicht zu einer gängigen politischen Floskel mit Folgenlosigkeit werden soll.
Kolkmann: Das ist das eine, die Forderung, die Konsequenz, die daraus gezogen wird, ist wiederum Sache der Bundesregierung. Lassen Sie uns doch mal über die Rolle der Opposition im Ausschuss und vor allem über die der Union sprechen. Da gibt es zum Teil auch Kommentare, die sich sehr kritisch mit der Position des Ausschussvorsitzenden auseinandersetzen. Beispielsweise schreibt die Leipziger Volkszeitung, dass dies ein sehr voreingenommener Ausschussvorsitzende sei, wie er sich präsentiere, und das müsse Angela Merkel mit größerem Entsetzen erfüllen als die offenbar schweren Versäumnisse in der Praxis der Visa-Politik. Wie finden Sie das?
Röttgen: Das ist doch ein wirklich ganz parteiischer Kommentar. Man mag ja - das ist ja das Recht jedes Journalisten - den Ausschussvorsitzenden kritisieren, aber durch die Leitung des Ausschusses von Herrn Uhl ist noch kein Mensch zu Schaden gekommen. Es ist nicht zu massenhafter illegaler Schwarzarbeit, Zwangsprostitution gekommen.
Kolkmann: Moment, Sie sagen massenhafte illegale Schwarzarbeit. Können Sie das mal beziffern?
Röttgen: Nein, das kann man nicht beziffern.
Kolkmann: Das ist auch das Problem, keiner kann dies beziffern.
Röttgen: Dann frage ich Sie, können Sie Schwarzarbeit in Deutschland beziffern?
Kolkmann: Das kann man schon eher beziffern als das, was durch den Visa-Missbrauch entstanden ist.
Röttgen: Nein, beziffern können Sie es nicht, weil es beides Phänomene sind, sowohl die organisierte Kriminalität als auch die Zwangsprostitution und Schwarzarbeit, die sich gerade der Bezifferung, der statistischen Erfassung entziehen. Man ist ja gerade im Dunkeln. Sie sind ja gerade hier, ohne erfasst zu sein. Aber man kann daraus schließen, wenn Touristenvisa innerhalb von zwei Minuten geprüft und erledigt werden, wenn dies millionenfach geschieht und auch hunderttausendfach ansteigt, dass der Anteil derjenigen, die hier am Ende Schwarzarbeit leisten oder ausgenutzt werden, steigt, dann ist eine Schätzung möglich. Übrigens ging es im Kölner Schleuserprozess um mehrere tausend Schleusungen in einem einzigen Fall der Verurteilung. Gestern hat, glaube ich, ein Landgericht in Westfalen ebenfalls über Schleusungen entschieden, aber die Einzelfälle offenbaren Tausende von Straftaten.
Kolkmann: Vielen Dank für das Gespräch.