Röttgen: Die Zuständigkeiten sind klar

In der Debatte über die Finanzierung zusätzlicher Krippenplätzen hat Norbert Röttgen den Koalitionspartner SPD kritisiert. Die Diskussion sei nicht "zielführend", da sich der Bundestag bereits mit der Zustimmung der Länder darauf geeinigt habe, mehr Krippenplätze für Kinder bis zum dritten Lebensjahr zu schaffen, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.
Jörg Degenhardt: Alte und neue Ratsthemen stehen auf der Tagesordnung, wenn der Koalitionsausschuss heute Abend im Kanzleramt zusammenkommt. Vor einer Stunde haben wir schon über den Bleiberechtsstreit gesprochen. Jetzt soll es um die Familienpolitik, genauer um die Kleinkinderbetreuung gehen. Im Ziel, mehr Plätze für Kinder unter drei Jahren anzubieten, sind sich Union und SPD im Prinzip einig. Wieder einmal gibt es aber Zoff darum, wie das ganze bezahlt werden soll. Die SPD will einen Verzicht auf eine Kindergelderhöhung und bei den Steuervorteilen für Ehepaare will sie auch Geld einsammeln. Dazu sagt die Union nein, aber ein verbindliches Finanzierungskonzept liegt von ihr noch nicht auf dem Tisch. – Norbert Röttgen begrüße ich am Telefon von Deutschlandradio Kultur. Er ist der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Guten Morgen Herr Röttgen.

Norbert Röttgen: Guten Morgen!

Degenhardt: Worüber wollen Sie heute Abend mit der SPD reden, wenn Sie in Ihrer Partei noch keinen Finanzierungsfahrplan haben?

Röttgen: Vielleicht und offensichtlich lohnt es sich, darauf hinzuweisen, dass wir ein Tagesbetreuungsausbaugesetz haben. Das ist sowohl im Bundestag verabschiedet mit Zustimmung der Länder. In dem ist vorgesehen, dass bis zum Jahr 2010 die Betreuung für Kinder unter drei Jahren deutlich ausgeweitet wird um rund 250.000 bis zum Jahre 2010. Dem haben alle zugestimmt auch in der Qualifizierung, dass dies Sache der Länder sei. Das steht in diesem Gesetz drin. Dem haben auch die Länder zugestimmt. Darum sind wir der Auffassung muss es nun gemacht werden. Dafür haben die Länder bereits auch Geld bekommen und darum ist diese Finanzierungsdebatte, die jetzt dort angestoßen wird, dass Eltern an anderer Stelle noch etwas weggenommen werden soll, damit an dieser Stelle etwas geschieht, eigentlich nicht zielführend, sondern es ist bereits verabredet. Die Zuständigkeiten sind klar und jetzt muss Druck gemacht werden, dass es auch geschieht und nicht diesem Ziel weiter Steine in den Weg gelegt werden.

Degenhardt: Wenn die Länder verantwortlich sind, wie kann dann der CSU-Chef und bayerische Ministerpräsident Stoiber vorschlagen, der Bund solle von seinem Anteil am Mehrwertsteueraufkommen etwas abgeben?

Röttgen: Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident hat das ja etwas anders und freundlicher formuliert. Er hat in einem Interview ganz ausdrücklich gesagt, das ist Sache der Länder. Wir machen das auch. Wir bezahlen es auch. Wenn aber der Bund zusätzlich Geld geben will, ist er herzlich eingeladen, uns Geld zu geben. Das ist eine Position, die man verstehen kann, aber wir haben natürlich nicht nur für die Solidität, sondern für die wirkliche Konsolidierung unseres Haushaltes zu sorgen. Zum Geldverschenken haben wir leider auch nicht genug in der Tasche.

Degenhardt: Was halten Sie eigentlich von einem Familiengipfel, an dem sich sowohl der Bund als auch die Länder beteiligen?

Röttgen: So etwas wird es ja geben, nämlich eine Konferenz aller Familienminister. Das halte ich auch für gut und da muss man darüber entscheiden, wie die festgelegten Ziele, die im Gesetz festgelegt sind und über die man nun noch einmal dank Ursula von der Leyen politisch auch Konsens hergestellt hat, umgesetzt werden. Denn es reicht ja nicht, dass ein Konsens im Reden da ist, sondern Taten und Handeln ist gefordert und darum begrüßen wir ganz ausdrücklich, dass eine Konferenz der Familienminister stattfindet, dass man auch mit den Kommunen natürlich ins Gespräch kommen muss, denn die müssen am Ende das ja auch ausführen.

Degenhardt: Vermutlich wird sich die SPD mit diesen Aussagen von Ihnen heute Abend nicht befriedigt zeigen. Sie wird natürlich einfordern, dass Sie konkrete Zahlen auf den Tisch legen, wie denn Frau von der Leyen die versprochenen 500.000 Krippenplätze finanzieren will. Fühlen Sie sich eigentlich von den Demokraten diesbezüglich unter Druck gesetzt?

Röttgen: Noch einmal: wir sind in einem föderalen Staat, in dem es Bundeszuständigkeiten und Länderzuständigkeiten gibt. Der Bundesfinanzminister, den übrigens die SPD stellt, wird selber darauf drängen, hat übrigens darauf gedrängt, dass mit dem Steuergeld, das die einzelnen Ebenen bekommen, die einzelnen Ebenen auch ihre Aufgaben finanzieren müssen. Ich glaube auch nicht, dass ein sozialdemokratischer Finanzminister davon abgehen kann. Und noch mal: es ist ja alles bereits mit Zustimmung der Länder so verabredet worden. Darum glaube ich, wenn man auch diejenigen Politiker, die sich vielleicht mit Kinderbetreuung gar nicht so sehr beschäftigen, mal darauf hinweist, dass das so ist, kann man auch zu einem Ergebnis kommen. Ich bin da ganz sicher, denn alle wollen dieses Ziel erreichen. Es war glaube ich ein untauglicher Versuch, durch eine Steuererhöhungsdebatte auf diesem Gebiet Kompetenz zu gewinnen. Ich glaube das ist fehlgeschlagen und wird nun weiter auch nicht stören.

Degenhardt: Sehen Sie eigentlich auch verfassungsrechtliche Bedenken, Herr Röttgen, die gegen den geplanten Ausbau der Kinderbetreuung sprechen? Der frühere Bundesverfassungsrichter Kirchhof meint, hier würden nur jene Familien begünstigt, die dieses Angebot annähmen. Die Eltern, die mit ihren Kindern zu Hause blieben, gingen leer aus.

Röttgen: Wenn das so wäre, hätte ich auch Bedenken, aber es ist ja nicht so, sondern es geht hier noch darum, dass im Sinne der Wahlfreiheit, die ganz sicherlich auch verfassungsrechtlich geboten ist, selbige durch den Staat herzustellen, für diejenigen, die diese Kinderbetreuung in Anspruch nehmen wollen, überhaupt erst mal ein Angebot geschaffen werden soll. Wenn in Nordrhein-Westfalen unter rot-grüner und sozialdemokratischer Regierungszeit lediglich für 2,5 Prozent ein Platz vorhanden ist, dann kann man ja nicht von Wahlfreiheit sprechen. In den neuen Ländern sieht das übrigens völlig anders aus. Dort ist mehr als zehnmal so viel vorhanden. Es wird also an dieser Stelle für einen bestimmten Bedarf, den Eltern haben, ein Teil der Eltern haben, auch ein Angebot erst mal geschaffen. Andere Eltern bekommen einen privaten Steuerabzugsbetrag für die Kinderbetreuung. Es gibt Kindergeld für alle Eltern. Es gibt Absetzbarkeiten, wenn man Hausgehilfen auch zur Kinderbetreuung anstellt. Also es ist hier schon eine breite Palette vorhanden und darauf legt gerade die CDU auch entscheidenden Wert, dass eine breite Palette vorhanden ist, damit eben eine Bedingung für Wahlfreiheit, die nur die Eltern ausüben können, geschaffen wird.

Degenhardt: Herr Röttgen, die Große Koalition streitet ja nicht nur über die Familienpolitik, sondern auch über das Bleiberecht oder über Mindestlöhne. Ich könnte weitere Punkte nennen. Sind das normale Differenzen, die es nun mal gibt zwischen Union und SPD, die ja in einem Zweckbündnis stecken, oder muss man sich doch berechtigte Sorgen machen um den Bestand der Großen Koalition, zumal sich ja auch die kleine Unionsschwester, die CSU, versucht zu profilieren?

Röttgen: Es sind drei Parteien in dieser Koalition - das stimmt -, zwei Fraktionen im Parlament. Ich glaube, dass es natürlich ist, dass zwischen Parteien bei wichtigen Fragen auch unterschiedliche Auffassungen bestehen. Das ist keine Frage. Ich glaube aber genauso, dass wie bei anderen Fragen auch man dann nach einer Phase der Diskussion auch zu Ergebnissen kommt. Bei der Kinderbetreuung sehen wir das doch. Da wird es Ergebnisse geben. Die sind nicht aufzuhalten. Bei dem Thema Bleiberecht gibt es keinen Dissens in der Großen Koalition. Wir sind uns einig. Nur die Landesinnenminister haben hier noch eine andere Vorstellung.

Degenhardt: Ihre Landesinnenminister.

Röttgen: Viele, ja genau. Einige Landesinnenminister. Wie viele, das wird man dann sehen.

Degenhardt: Ich meine Ihre, die der Union.

Röttgen: Jedenfalls fragen Sie ja nach der Großen Koalition und die Große Koalition ist sich über diese Regelung einig und über die wird nun mit den Ländern gesprochen. Wie dort die Position im Einzelnen ist, wird man einmal sehen. Auch in der Frage des Arbeitsmarktes. Ich meine es gibt kein Feld, wo es so super läuft wie auf dem Arbeitsmarkt. Der Arbeitsmarkt brummt. Wir haben die Bereiche, wo wir soziale Verwerfungen sehen, wie in der Koalitionsvereinbarung festgelegt, durch ganz geringe Löhne in das Entsendegesetz aufgenommen. Das heißt da wird der tarifliche Mindestlohn ausgeweitet. Nun geht es darum, ob wir noch mehr machen als in der Koalitionsvereinbarung vorgesehen. Da wird über Kombilöhne und andere Instrumente gesprochen. Es muss auch mal gesprochen werden und dann wird entschieden. Ich bin sehr sicher, dass diese Entscheidungen dann auch fallen.

Degenhardt: Das war am Telefon von Deutschlandradio Kultur Norbert Röttgen. Er ist der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.