Rock auf dem Bosporus
Derzeit rühren die Organisatoren die Werbetrommel für die 13-Millionen-Metropole Istanbul als neue Kulturhauptstadt. Schriftsteller Orhan Pamuk wird sein "Museum der Unschuld" eröffnen und die Band U2 auf der Bosporusbrücke rocken.
"Die inspirierendste Stadt der Welt" lautet das selbstbewusste Motto von Istanbul 2010. Der Kulturkalender des nächsten Jahres ist prall gefüllt mit über 450 Projekten, Konzerten, Ausstellungen und Happenings. Künstler aus ganz Europa werden in Istanbuler Schulen Musik machen, in den Straßen Theater spielen und in den Museen Workshops veranstalten. Es soll sich wieder einmal zeigen: Einen besseren Treffpunkt der Kulturen als Istanbul gibt es nicht. Mit 150 Millionen Euro hat der türkische Staat der Festivalleitung mehr als doppelt so viel Geld zur Verfügung gestellt als vergleichsweise Essen zur Verfügung hat. Doch knapp 70 Prozent des Budgets fließen in die Restaurierung von historischen Moscheen, Medressen und Museen. Beral Madra, in der Organisation von Istanbul 2010 für die bildende Kunst zuständig, kann die Kritik an diesem Missverhältnis verstehen. Aber:
"Die meisten bildenden Künstler dieser Stadt sind mittellos. Es gibt nicht, so wie in Europa, einen großen Markt für bildende Kunst. Die Künstler sind auf Sponsoren angewiesen, es gibt auch keine öffentliche Förderung wie in Europa. Das können wir wenigstens ein Jahr lang ändern. Dafür steht im Budget verhältnismäßig wenig zur Verfügung, aber es ist mehr als es jemals für bildende Kunst in dieser Stadt gegeben hat."
Lange Zeit war es auch in der Türkei kaum jemandem aufgefallen, dass Istanbul im nächsten Jahr neben Essen und dem ungarischen Pécs Europäische Kulturhauptstadt sein wird. Mit einer europaweiten Anzeigenkampagne wollen die Organisatoren nun noch schnell die Werbetrommel für die 13-Millionen-Metropole rühren. Damit sollen auch die vielen Misstöne vergessen gemacht werden, die die Vorbereitungen begleitet haben. Monatelang machte die Festivalleitung fast nur durch Streit, Rücktritte und Korruptionsvorwürfe von sich reden. Die religiös geprägte Regierung geriet wieder und wieder in den Verdacht, ihre Kulturvorstellungen durchsetzen zu wollen.
Tatsächlich findet sich in dem 170 Seiten starken Katalog wenig Lust am Experiment oder gar an der Provokation. Literatur-Nobelpreisträger Orhan Pamuk wird sein "Museum der Unschuld" eröffnen, die Band U2 auf der Bosporusbrücke rocken, und im osmanischen Topkapi-Palast wird ein Bach-Festival erklingen. Eine übergreifende Idee aller Veranstaltungen sucht man vergebens. Dafür können die Besucher an den Veranstaltungsorten die ganze Vielfalt dieser Stadt erleben: Aufgeführt wird nicht nur in den zahlreichen Museen und Theatersälen der Stadt, sondern auch auf dem Wasser, in den historischen Bahnhöfen und in den schiefen Gassen der Altstadt.
Während die Annäherung der Türkei an die EU politisch kaum vorankommt und die Europabegeisterung der Türken auf einem Tiefpunkt ist, soll das Jahr 2010 wenigstens die Kulturschaffenden wieder zusammenbringen. Für die türkischen Künstler ist das sehr wichtig, hat Claudia Hahn-Raabe vom Istanbuler Goethe-Institut beobachtet:
"Weil sie letztendlich wieder verlinkt werden auch mit den anderen Kulturhauptstädten Pécs und Essen. Das heißt, hier entstehen wieder Dialoge: Versuchen zu verstehen, was der andere denkt und wie der andere zu seinen Ansichten kommt, warum er vielleicht schmollt – das ist ja letztendlich der Dialog."
Mit einem großen Fest an beiden Ufern des Bosporus fällt am 16. Januar der offizielle Startschuss für Istanbul 2010. Die Stadt hofft, dass im nächsten Jahr mehr als die jährlich sieben Millionen Touristen Istanbul zu ihrem Reiseziel wählen. Die zahlreichen Projekte in Film, Bühne, Musik und Kunst sollen verstärken, was auch ohne Kulturhauptstadttitel in Istanbul überall zu spüren ist: Diese Stadt ist ein Zusammenspiel der Kulturen und Einflüsse, ein Ort unbändiger Gegenwart und bedeutender Vergangenheit. Die Kuratorin Beral Madra hofft, dass am Ende dieses ereignisreichen Jahres vor allem eines bleibt:
"Wir werden der Kunst ein Jahr lang einen breiten gesellschaftlichen Raum geschaffen haben - und damit Einstellungen und Denkweisen der Menschen beeinflusst haben. Damit hätten wir einen Beitrag zur Demokratie in diesem Land geleistet."
"Die meisten bildenden Künstler dieser Stadt sind mittellos. Es gibt nicht, so wie in Europa, einen großen Markt für bildende Kunst. Die Künstler sind auf Sponsoren angewiesen, es gibt auch keine öffentliche Förderung wie in Europa. Das können wir wenigstens ein Jahr lang ändern. Dafür steht im Budget verhältnismäßig wenig zur Verfügung, aber es ist mehr als es jemals für bildende Kunst in dieser Stadt gegeben hat."
Lange Zeit war es auch in der Türkei kaum jemandem aufgefallen, dass Istanbul im nächsten Jahr neben Essen und dem ungarischen Pécs Europäische Kulturhauptstadt sein wird. Mit einer europaweiten Anzeigenkampagne wollen die Organisatoren nun noch schnell die Werbetrommel für die 13-Millionen-Metropole rühren. Damit sollen auch die vielen Misstöne vergessen gemacht werden, die die Vorbereitungen begleitet haben. Monatelang machte die Festivalleitung fast nur durch Streit, Rücktritte und Korruptionsvorwürfe von sich reden. Die religiös geprägte Regierung geriet wieder und wieder in den Verdacht, ihre Kulturvorstellungen durchsetzen zu wollen.
Tatsächlich findet sich in dem 170 Seiten starken Katalog wenig Lust am Experiment oder gar an der Provokation. Literatur-Nobelpreisträger Orhan Pamuk wird sein "Museum der Unschuld" eröffnen, die Band U2 auf der Bosporusbrücke rocken, und im osmanischen Topkapi-Palast wird ein Bach-Festival erklingen. Eine übergreifende Idee aller Veranstaltungen sucht man vergebens. Dafür können die Besucher an den Veranstaltungsorten die ganze Vielfalt dieser Stadt erleben: Aufgeführt wird nicht nur in den zahlreichen Museen und Theatersälen der Stadt, sondern auch auf dem Wasser, in den historischen Bahnhöfen und in den schiefen Gassen der Altstadt.
Während die Annäherung der Türkei an die EU politisch kaum vorankommt und die Europabegeisterung der Türken auf einem Tiefpunkt ist, soll das Jahr 2010 wenigstens die Kulturschaffenden wieder zusammenbringen. Für die türkischen Künstler ist das sehr wichtig, hat Claudia Hahn-Raabe vom Istanbuler Goethe-Institut beobachtet:
"Weil sie letztendlich wieder verlinkt werden auch mit den anderen Kulturhauptstädten Pécs und Essen. Das heißt, hier entstehen wieder Dialoge: Versuchen zu verstehen, was der andere denkt und wie der andere zu seinen Ansichten kommt, warum er vielleicht schmollt – das ist ja letztendlich der Dialog."
Mit einem großen Fest an beiden Ufern des Bosporus fällt am 16. Januar der offizielle Startschuss für Istanbul 2010. Die Stadt hofft, dass im nächsten Jahr mehr als die jährlich sieben Millionen Touristen Istanbul zu ihrem Reiseziel wählen. Die zahlreichen Projekte in Film, Bühne, Musik und Kunst sollen verstärken, was auch ohne Kulturhauptstadttitel in Istanbul überall zu spüren ist: Diese Stadt ist ein Zusammenspiel der Kulturen und Einflüsse, ein Ort unbändiger Gegenwart und bedeutender Vergangenheit. Die Kuratorin Beral Madra hofft, dass am Ende dieses ereignisreichen Jahres vor allem eines bleibt:
"Wir werden der Kunst ein Jahr lang einen breiten gesellschaftlichen Raum geschaffen haben - und damit Einstellungen und Denkweisen der Menschen beeinflusst haben. Damit hätten wir einen Beitrag zur Demokratie in diesem Land geleistet."