Robert Zollitsch

"Ich habe dem Tod ins Auge gesehen"

Erzbischof Robert Zollitsch mit nachdenklich geschlossenen Augen
Erzbischof Robert Zollitsch gehörte zu den nachdenklichen Kirchenoberen © dpa picture alliance / Boris Roessler
Moderation: Ulrike Timm · 18.04.2017
Tod, Vertreibung und Flucht lernte Robert Zollitsch schon als kleiner Junge kennen. Später prägte er als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz die Katholische Kirche in Deutschland. "Im guten Sinne konservativ" sei er, sagt er von sich selbst.
Es war eine Kindheit mit Flucht und Vertreibung: Der ehemalige Erzbischof von Freiburg, Robert Zollitsch, erlebte als Donauschwabe im ehemaligen Jugoslawien die Verfolgung seiner Volksgruppe durch Titos Partisanen-Armee.
Jahrzehntelang hat der ehemalige Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz Zollitsch über seine schwere Kindheit geschwiegen. Seine Familie gehört zu den so genannten Donauschwaben, weil seine Vorfahren 1763 aus der Oberpfalz im heutigen Serbien angesiedelt wurden.
Robert Zollitsch im Studio von Deutschlandradio Kultur.
Robert Zollitsch im Studio von Deutschlandradio Kultur.© Deutschlandradio / Manuel Czauderna
1938 in dem vorwiegend von Deutschen bewohnten Dorf Filipowa geboren, erlebte Zollitsch gegen Ende des Zweiten Weltkrieges das Grauen der Vertreibung: Im November 1944 töteten Soldaten des späteren jugoslawischen Staatspräsidenten Tito 212 Männer seines Heimatdorfes – darunter seinen Bruder.
Sowohl seine Mutter als auch sein Großvater wurden zur Zwangsarbeit verpflichtet; im April 1945 wurden die verbliebenen Bewohner in ein Internierungslager gebracht. Robert Zollitsch war nicht mal sieben Jahre alt. Um nicht zu verhungern, flohen er und seine Großmutter aus dem Lager.
"Wer sich treiben und gehen lässt, ist der Erste, der verhungert und umkommt, wer aber aktiv ist und Initiative ergreift, der hat eine Chance zu überleben, eine Chance zu gestalten, das ist eine meiner frühen Erfahrungen aus diesem Lager in Gakovo."

Rückkehr in Geburtsort nach 60 Jahren

1946 erreichten sie Deutschland. Sie lebten in Mannheim, Zollitsch studierte in den 60er-Jahren Philosophie und Katholische Theologie und wurde zu einem der führenden Kirchenmänner.
"Für mich war die Erfahrung einen Neuanfang zu haben, ein neues Leben hier in Deutschland beginnen zu können, eine Zukunft zu haben, das war für mich ein Stück auch meiner Gotteserfahrung."
Erst 2005 – 60 Jahre nach der Vertreibung – kehrte er in seinen Geburtsort Filipowa zurück.
Das Geburtshaus von Robert Zollitsch
Das Geburtshaus von Robert Zollitsch© Privat
Seine Kindheitserfahrungen haben ihn zum "Brückenbauer" werden lassen. Für viele Diskussionen sorgten seine vergleichsweise liberalen Positionen. Als er 2008 sein Amt als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz antrat, bezeichnete er den Zölibat als "theologisch nicht notwendig" und forderte mehr Auseinandersetzung der katholischen Kirche mit den neuen gesellschaftlichen Realitäten.

Für die Vielfalt in der Kirche

"Wir müssen diesen Weg der Vielfalt der Dienste – mit Männern, Frauen, Verheirateten, Unverheirateten – wie ich meine, noch ein Stück weiter gehen, weil das für mich eine Bereicherung ist, weil ich dann auch erlebt habe, wenn etwa ein Kind stirbt, eine Gemeindereferentin als Frau oft dieser Mutter viel näher ist, als ich das als Mann sein kann, und das ist eine schöne Ergänzung, die wir auch in unserer Kirche im Augenblick dabei sind auszubauen, und ich habe als Personalreferent 20 Jahre dazu beitragen dürfen."

Missbrauchsfälle: "Eine gewaltige Last"

Das Herz habe ihm geblutet, als er von den Missbrauchsfällen innerhalb der katholischen Kirche erfahren habe.
"Es gibt wohl seit meiner Kindheit nichts mehr, das mir auch so viel schlaflose Nächte bereitet hat wie diese Situation und damit leben zu müssen und vor allem mir vorstellen zu müssen, was für eine Enttäuschung da ist, was mit den Kindern passiert ist, das ist tatsächlich eine gewaltige Last."
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