"Pfusch" von Herbert Fritsch

Volksbühnen-Gefühl in aller Reinheit

Eine Szene aus "Pfusch" von Herbert Fritsch an der Berliner Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, aufgenommen einen Tag vor der Uraufführung am 24.11.2016
Eine Szene aus "Pfusch" von Herbert Fritsch an der Berliner Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz © picture alliance / dpa / Bernd Wüstneck / Claudia Esch-Kenkel
Von André Mumot |
Abstrakt, grimmig, formalistisch: Herbert Fritsch inszeniert zum letzten Mal für Frank Castorfs Volksbühne in Berlin. "Pfusch" ist kein leichter Komödienspaß, sondern ein irritierendes Schaustück, das den Zuschauer staunend nach Hause gehen lässt.
"Servus" sagen sie nicht zum Abschied, aber am Ende kommt jedes einzelne Mitglied des Ensembles nach vorn, winkt und stößt auf jeweils ganz eigene Art ein "Tschüss" aus – kokett oder barsch oder ganz sanft und traurig. Und auch Herbert Fritsch selbst taucht aus der Kulisse auf – im Kostüm und mit Rettungsring um den Hals, deutet kurz eine Rolle an und verabschiedet sich so nicht nur als Regisseur, sondern auch als Volksbühnenschauspieler.

"Pfusch" ist von Pfusch meilenweit entfernt

Das ist ein großer, rührender Moment, jetzt, da die alte Volksbühne verschwinden wird, da sie kurz davorsteht, in ihre internationalisierte Dercon-Phase zu gehen. Und eigentlich möchte man ihn lange auskosten, lange und begeistert applaudieren, aber – auch das ist inszeniert – viel zu bald senkt sich mit dröhnendem Donnerhall der Eiserne Vorhang und sagt sehr eindeutig: "Jetzt ist Schluss, Leute!"
Fritschs letzte Volksbühnen-Inszenierung ist ohnehin kein leichtfüßiger Komödienspaß geworden, stattdessen nahezu abstraktes, grimmig formalistisches Theater. "Pfusch" nennt sie sich, ist aber von Pfusch meilenweit entfernt. Geradezu beängstigend perfekt choreografiert der Meister der überdrehten Groteske sein Team, das erst einmal in altmodischen Damenkostümen steckt, in Abendkleidern und Babydolls, und eine gefühlte Ewigkeit eine gigantische Metallröhre über die Bühne schiebt, sie bestgeigt, ihr ausweicht, in ihr verschwindet. Dann wird auf zehn Klavieren gespielt, und ein an den frühen Steve Reich gemahnender, aggressiver Minimal-Music-Sound dröhnt durch den Saal, zu dem das Ensemble gespenstisch grimassiert. Überwältigend ist das, und zugleich ziemlich ungemütlich.

Ein Wasser, das Balken hat

Fritsch folgt, wie er selbst angekündigt hat, der eigenen Lust und keiner stimmigen Dramaturgie. Erst am Ende lässt er sich auf einige konventionellere Slapstickmomente rund um den Bau eines Schwimmbeckens ein, das mit blauen Schaumstoffquadraten gefüllt wird. Dieses Wasser hat Balken, und die virtuosen Darsteller bleiben hoffnungslos darin stecken. Große Pfeile senken sich aus dem Schnürboden herab, und nichts scheint einfach, nichts unbeschwert zu sein.
Manchmal stockt einem als Zuschauer der Atem angesichts der formvollendeten Körper- und Schauspielerkunst, manchmal kommt man aus dem Kichern nicht mehr heraus, und manchmal wartet man bloß genervt darauf, dass es in der sperrigen Revue irgendwie weitergeht. Das ist es: Das klassische Volksbühnen-Publikumsgefühl, noch einmal in aller Reinheit erlebt, erlitten, geliebt, gefeiert. Noch einmal winken, leise "Tschüss" sagen. Und staunend nach Hause gehen.

Pfusch
Von Herbert Fritsch
Regie: Herbert Fritsch
Volksbühne Berlin

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