Robers: "Gelbe Karte" für Clement ausreichend

Moderation: Hanns Ostermann |
Der Leiter des Innenressorts der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung", Norbert Robers, sieht in dem Ausschluss des SPD-Politikers Wolfgang Clement eine falsche Entscheidung der Partei. "Die rote Karte, also ihn sofort vom Platz zu stellen, halte ich für unangemessen", sagte Robers.
Hanns Ostermann: Aus dem Sport und dem Fußball kennt man das: Wer mit dem Rücken zur Wand steht, der hat es besonders schwer. Den Sozialdemokraten in Deutschland geht es alles andere als gut. Die CDU löste sie als mitgliederstärkste Partei ab. Das Verhältnis zur Linkspartei sorgte für monatelangen Zoff weit über Hessen hinaus. Dann gab es die Schwierigkeiten mit Kurt Beck, der diese Probleme oder das in Hessen nicht lösen konnte, die Ausrichtung, die strategische Ausrichtung der Partei. Und jetzt auch noch der Fall Clement. Schlimmer geht es fast nimmer. Von ruhiger Arbeit kann da kaum die Rede sein, zumal der frühere Bundeswirtschaftsminister nach seinem Rauswurf natürlich in die nächste Instanz gehen wird. Alle Zeitungen beschäftigen sich heute mit diesem Thema. Auch die "Westdeutsche Allgemeine Zeitung", die "WAZ" in Essen. Dort ist Norbert Robers Leiter des Innenressorts. Guten Morgen, Herr Robers.

Norbert Robers: Guten Morgen, Herr Ostermann.

Ostermann: Sie argumentieren, das entnehme ich Ihrem Internet, Sie argumentieren, die gelbe Karte, also der Verweis, hätte reichen müssen. Aber was war das, was Clement vor der hessischen Wahl gemacht hat? War das nicht in hohem Maße unsolidarisch, man könnte im Sport sagen, eine Blutgrätsche?

Robers: Ja, es war unsolidarisch, ja, es kam einem, wie ich auch selber geschrieben habe, einem Foul gleich. Jetzt kann man sich darüber sicherlich unterhalten, ob es ein normales Foul war oder ein grobes Foul. Ich würde sagen, es war ein Foul, für das die gelbe Karte ausreichend ist. Die rote Karte, also ihn sofort vom Platz zu stellen, halte ich doch für unangemessen.

Ostermann: Und ich sage, es war eine Blutgrätsche, verglichen jetzt was Hessen betrifft. Da arbeitet sich die Spitzenkandidatin der Sozialdemokraten langsam hoch und genau in dem Moment, wo sie wieder Hoffnung hat, da kommt der einstige Superminister und grätscht dazwischen sozusagen.

Robers: Deswegen meine auch ich, dass es sich um eine gelbe Karte handelt. Ein Platzverweis setzt voraus, dass er schon einige Male diese Art von Foul auch begangen hat. Das kann ich nicht erkennen. Ich kann schon erkennen, dass Clement immer ein, wie soll ich mal sagen, Querkopf war, auch jemand, der einen eigenen Standpunkt vertreten hat, der nicht immer glasklar zur SPD gepasst hat. Nur, das gab es auch in anderen Facetten, das gab es auch von anderen Flügeln in der SPD, und da hat man auch nicht sofort gelbe Karten verteilt. Insofern, eine gelbe sollte man ihm zugestehen. Was ich schon verstehen kann, ist, dass die SPD darauf Wert legt, dass Clement nicht in dieser Art weitermacht, also unmittelbar vor Wahlen praktisch indirekt zur Wahl des politischen Gegners aufzurufen. Deswegen glaube ich schon, dass es Wolfgang Clement gut anstünde, jetzt zu sagen, dass er sich auch zumindest in Maßen in die Parteisolidarität wieder einfügt.

Ostermann: Glauben Sie, dass das ein eckiger Mann, er war früher Journalist, in seinem früheren Leben, bevor er Politiker wurde, glauben Sie, dass dieser eckige Mann dazu in der Lage ist?

Robers: Ich hatte den Eindruck nach der Sitzung vor etwa drei Wochen, als man sich ja mit seinem Anwalt Otto Schily auch noch mal zusammengesetzt hat, dass er da mittlerweile schon etwas Einsicht gezeigt hat. Das fällt ihm sicherlich schwerer als dem ein oder anderen in der SPD, er ist jemand, der sicherlich schwerer einzubinden ist als vielleicht ein anderes Parteimitglied. Aber ich glaube, ihm war schon klar geworden, dass es der Partei nicht darum ging, ihm das Wort zu verbieten, sondern ihn vor allem darauf hinzuweisen, dass der Zeitpunkt, vor allem der Zeitpunkt, dermaßen unglücklich war, dass man schon darauf Wert legt, dass sich so etwas nicht wiederholt, dass man eine Woche vor einer Landtagswahl, bei der man sich wirklich berechtigte Hoffnungen gemacht hat, Roland Koch in Hessen abzulösen, dass sich das nicht wiederholt. Und da glaube ich, oder glaubte ich herauszuhören und auch glaubte ich herauszulesen aus seinen Kommentaren, dass er da durchaus bereit wäre, einen kleinen Schritt auf die SPD zuzugehen.

Ostermann: Herr Robers, wie groß ist jetzt die Gefahr, dass sich die SPD selbst zerlegt?

Robers: Die SPD ist eine sehr traditionelle Partei, hat eine Geschichte von rund 150 Jahren. Flügelkämpfe hat es in der SPD, wenn man sich da mal zurück entsinnt, immer gegeben. Natürlich ist die Phase, in der die Partei im Moment steckt, extrem schwierig, weil vieles zusammenkommt. Es sind die Flügelkämpfe, es sind ungeklärte Personalfragen, es sind aber auch vor allem ungeklärte innerliche Fragen. Die Partei weiß im Prinzip, um es mal so zu formulieren, nicht mehr, wo rechts und links ist. Und natürlich spiegelt sich das auch in den Umfrageergebnissen wider. Und wenn man da drunter einen Strich zieht, glaube ich, dass die Unruhe eher steigen wird und das wird sich sicherlich noch im Laufe des nächsten Jahres mutmaßlich verschärfen. Dann stehen wichtige Landtagswahlen an, die Bundestagswahlen natürlich, aber auch so wirklich entscheidende oder vorentscheidende Landtagswahlen, wie beispielsweise im Saarland, wo alle sehr gespannt hinschauen, wie man da mit der Linkspartei umgeht. Und jede dieser Regungen, egal wie sie ausgehen wird, ob pro oder gegen Linkspartei, wird diesen Streit noch mal verschärfen. Die Partei ist eine sehr streitbare Partei, aber das geht auch mittlerweile weit über das Maß hinaus, das man tolerieren kann und auch akzeptieren kann. Insofern glaube ich, dieser Flügelkampf wird sich deutlich verschärfen in den nächsten zwölf Monaten.

Ostermann: Ist das ein Aspekt Ihrer heutigen Berichterstattung? Ich möchte darauf hinaus, wie beleuchten Sie dieses Thema heute in der Ausgabe der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung"?

Robers: Das ist ein Aspekt. Das sehen Sie genau richtig. Wir haben natürlich eine nachrichtliche Zusammenfassung von den Ereignissen gestern, haben vor allem aber auch abgebildet, wie sich genau diese Flügelkämpfe jetzt wieder manifestieren. Es gibt Leute wie Erhard Eppler, die sagen, das ist genau richtig dieser Rauswurf. Es gibt die, die bis zur Parteispitze hinauf reichen, bis zu Steinmeier, Beck, aber auch Gabriel, die sagen, das geht deutlich über das Ziel hinaus. Das ist der eine Aspekt, also die nachrichtliche Zusammenfassung. Wir haben auch eine, wie wir sie gestern genannt haben, die Bochumer Bande vorgestellt, die Bochumer Rebellen. Also jener Ortsverein, der das nun maßgeblich forciert hat dieses Verfahren. Was sind das für Leute? Wo kommen die her? Sind die wirklich mit Herzblut bei der Sache oder sind die nur störrisch?

Ostermann: Das ist eine spannende Frage, denn die haben ja etwas auf den Weg gebracht, was in der Tat man irgendwann auch mal als parteischädigend bezeichnen könnte, jedenfalls die Zerreißprobe deutet darauf hin. Welches Echo haben Sie eigentlich, im Internet haben Sie pro und kontra schon dargestellt, welche Reaktionen haben Sie von Lesern, also von Leuten, die vielleicht mit den Sozialdemokraten nicht so Hand in Hand gehen?

Robers: Wir haben die Möglichkeit, sofort unsere Texte, natürlich auch tagsüber, sofern sie noch nicht publiziert sind, ins Internet zu stellen und kriegen dann mal mehr oder mal weniger Reaktionen. Und gestern war wirklich ein Tag, wo wir gemerkt haben, das Internet läuft sofort über. Das heißt, das Thema hat die Leute tatsächlich elektrisiert. Und um es grob zusammenzufassen: Natürlich spiegelt sich da auch die Spaltung der SPD wider. Es gibt einige glühende Anhänger von Wolfgang Clement, die vor allem darauf hinweisen, dass die SPD diese Art von Meinung aushalten muss. Es gibt aber auch andere, die sagen, das hat er sich verdient. Nun gehört er aus der Partei ausgeschlossen. Wenn ich einen Strich drunter ziehen müsste, würde ich sagen, dass es aber doch ein Übergewicht derjenigen gibt, die sagen, "Nein, das muss die Partei aushalten". Er hat, um in meinem Bild zu bleiben, die gelbe Karte verdient, aber damit sollten wir es auch bewenden lassen.

Ostermann: Norbert Robers, er leitet das Ressort Innenpolitik bei der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung". Danke für das Gespräch, Herr Robers. Die "WAZ" erscheint in Essen. Dort ist Deutschlandradio Kultur auf der UKW-Frequenz 88,3 und im digitalen Radio DAB zu hören.