Robbe für Beibehaltung der Wehrpflicht

Moderation: Birgit Kolkmann |
Der Wehrbeauftragte des Bundestages, Reinhold Robbe (SPD), hat sich für den Erhalt der Wehrpflicht ausgesprochen. Zugleich betonte Robbe, 50 Jahre nach Gründung der Bundeswehr und angesichts künftiger Herausforderungen müsse spätestens in den nächsten Jahren entschieden werden, wie die Wehrverfassung in Deutschland aussehen solle.
Kolkmann: Vor 50 Jahren wurde aus der so genannten Dienststätte Blank das Bundesministerium für Verteidigung und Namensgeber Theodor Blank der erste Verteidigungsminister der Bundesrepublik. Mit den ersten Freiwilligen nahm diese dann im Herbst 1955 Gestalt an, heute ist die Bundeswehr überall auf der Welt in Kriseneinsätzen präsent mit über 6000 Soldaten vom Hindukusch bis zum Kosovo. Zum Jubiläum hat Verteidigungsminister Struck nun mahnend gesagt, es werde nicht nur bei friedenssichernden Einsätzen bleiben, in Zukunft werde sich Deutschland auch bei Frieden schaffenden Einsätzen engagieren müssen und dabei könnten deutsche Soldaten auch einmal im Kampf fallen. Damit spricht er aus, was jeder ahnt. Wir begrüßen jetzt in Deutschlandradio Kultur den Wehrbeauftragten des deutschen Bundestages, Reinhold Robbe von der SPD. Schönen guten Morgen.

Robbe: Guten Morgen, Frau Kolkmann.

Kolkmann: Wurde es Zeit, den Deutschen diese unangenehme Wahrheit einmal deutlich zu sagen?

Robbe: Ich weiß nicht, ob es Zeit wurde, den Deutschen diese Wahrheit zu sagen beziehungsweise auch auf worst-case-Szenarien hinzuweisen, die selbstverständlich vorkommen können und die für die Soldatinnen und Soldaten, denke ich, zumindest im Unterbewussten auch dazugehören. Aber der Bundesminister hat nun meines Wissens nicht auf irgendwelche konkreten Fälle und Einsätze hingewiesen, die in allernächster Zeit bevorstehen könnten, da darf man die Dinge nicht durcheinanderwerfen.

Kolkmann: Das könnte ja vielleicht schneller kommen, als man denkt. Mit welchen Rahmenbedingungen rechnen Sie bei einem Regierungswechsel?

Robbe: Ich glaube, nein, ich bin eigentlich fest überzeugt davon, dass dem Grunde nach die Sicherheitspolitik und insbesondere das, was sich auf die Bundeswehr auswirkt, sich hier nicht viel verändern wird. Es gibt bestimmte Vorstellungen der jetzigen Opposition, die weichen aber nicht diametral von dem ab, was die jetzige Bundesregierung macht und insofern denke ich, wird es bei einer Kontinuität in der Sicherheitspolitik bleiben.

Kolkmann: Wie sind da die Erwartungen in der Bundeswehr, welche Rückmeldungen bekommen Sie als Ombudsmann, der Sie sind?

Robbe: Die Soldaten wollen sich auch künftig auf die Politik verlassen können. Es ist ganz wichtig, dass das deutsche Parlament, der deutsche Bundestag, wenn es um künftige Einsätze geht, genauso mit einer Stimme spricht, wie das in der Vergangenheit der Fall gewesen ist. Das ist der eine Punkt. Der andere ist - und diese Forderung kann man immer wieder nur doppelt unterschreiben - dass wenn Soldaten in einen Einsatz geschickt werden, auch die nötigen Finanzen zur Verfügung gestellt werden. Das ist auch keine Selbstverständlichkeit wenn wir uns die knappen Staatsfinanzen ansehen und auch die finanziellen Probleme, mit denen wir es im Lande zu tun haben. Für die Bundeswehr, das sage ich ganz deutlich, muss immer genügend Geld vorhanden sein, insbesondere wenn es um den Eigenschutz geht, die Anschaffung von Material, die dem Schutz der Soldaten dient und wenn es einfach um all die Notwendigkeiten geht, die mit der Bundeswehr in Zusammenhang stehen. Das ist nicht immer für jedermann nahvollziehbar und auch im Parlament gibt es da natürlich unterschiedliche Auffassungen und natürlich einen dritten Punkt: die Soldaten, das habe ich auch in den wenigen Tagen gespürt, in denen ich das neue Amt ausübe, wollen Planungssicherheit haben. Das heißt, wenn etwas beschlossen wird und es können auch unangenehme Dinge sein, die Soldaten sind durchaus bereit, auch Unannehmlichkeiten zu verkraften, aber sie wollen Planungssicherheit haben mittelfristig, sie wollen sich darauf einstellen können, für ihre Familien wissen, ob sie dann an einem bestimmten Standort auch für eine gewisse Zeit sein können. Das ist auch ein ganz wesentlicher und wichtiger Punkt.

Kolkmann: Nun haben Sie auch schon kritisiert, dass die Bundeswehr so langsam an ihre äußerste Dehnbarkeit herangekommen ist mit immer mehr Aufgaben im Ausland. Steckt die Bundeswehr nun inzwischen in einer mid life crisis, wo wir dann tatsächlich auch nachdenken müssen, ob wir weiter nur ein Wehrpflichtigenheer haben oder wirklich zu einem Berufsheer übergehen?

Robbe: Nein, sie befindet sich nach meiner festen Überzeugung weder in einer mid life crisis noch sonst in irgendeiner Krise. Sie hat bewiesen, dass sie trotz des langen Reformprozesses und der gewaltigen Transformation, in der sie sich befindet, in der Lage ist, nicht nur ihre Aufgaben zu erfüllen, sondern weit darüber hinaus auch all dem gerecht zu werden, was dann praktisch jeden Tag neu an sie herangetragen wird. Aber wir müssen in der Tat aufpassen, dass bei künftigen Missionen und Einsätzen die Rahmenbedingungen stimmen und dass die Bundeswehr insgesamt nicht überfordert wird. Darin sehe ich auch eine Aufgaben, das heißt, den Finger dann in die Wunde zu legen, wenn ich an irgendeiner Stelle erkenne, dass die Bundeswehr droht, überfordert zu werden oder dass die Soldatinnen und Soldaten nicht das bekommen, was ihnen zusteht.

Kolkmann: Sie selber haben sogar den Wehrdienst verweigert; wären Sie jetzt dafür, dass wirklich jeder hier zum Wehrdienst einberufen wird? Im Augenblick haben wir diese Wehrgerechtigkeit ja nicht.

Robbe: Da muss man ein wenig differenzieren. Wenn es um meine eigene Person geht, dann habe ich in einer ganz bestimmten Zeit Zivildienst geleistet, weil mir damals (Anfang der 70er Jahre) niemand erklären konnte, weshalb ich auf meine Verwandten damals in der DDR in Ostdeutschland hätte schießen müssen im schlimmsten Falle. Ich war aber nie ein Gegner der Wehrpflicht, ganz im Gegenteil, ich bin ein absoluter Anhänger der Wehrpflicht, weil ich einfach sagen muss, sie hat sich in 50 Jahren in der Bundesrepublik bewährt und sie hat unter Beweis gestellt, dass sie diese Bundeswehr auch positiv geprägt hat. Aber als Wehrbeauftragter habe ich da eine neutrale Stellung einzunehmen und mich nicht in die aktuelle Diskussion einzumischen, das will ich auch hinzufügen.

Kolkmann: Das heißt, die Wehrpflicht soll bleiben, auch wenn die Wehrgerechtigkeit im Augenblick nicht mehr gegeben ist?

Robbe: Das ist die spannende Frage, die die Politik beantworten muss. Wir müssen spätestens in den nächsten Jahren darüber entscheiden, wie die künftige Wehrverfassung in Deutschland aussehen soll und da muss ausgewogen werden zwischen dem, was sich den letzten 50 Jahren Bundeswehrgeschichte getan hat und dem, was dann in Zukunft an Anforderungen an die Bundeswehr gestellt wird. Das ist eine spannende Frage, die aber natürlich über die Zukunft der Bundeswehr, über die Struktur, ganz wesentlich entscheiden wird.