Ringen um Wahrhaftigkeit vor pfefferminzgrünen Wänden
Der französische Maler Théodore Géricault gilt als ein großer und kompromissloser Realist. Eine Schau in der Schirn Kunsthalle in Frankfurt zeigt nun einen Querschnitt seines Werkes – und die heutigen Ereignisse lassen seine Malerei unerwartet aktuell werden.
Kühle pfefferminzgrüne Wände und Stoffbespannungen sind der Hintergrund für Géricaults Ringen um Wahrhaftigkeit, für seine drastischen Bilder und Zeichnungen von abgeschlagenen Köpfen, von abgetrennten Gliedmaßen, von verendeten Pferden, seine Porträts von Wahnsinnigen. Teilweise fühlt man sich in ein medizinisch-anatomisches Kabinett versetzt. Medizin, Naturwissenschaft, Malerei reichen sich hier die Hand. Kurator Gregor Wedekind präsentiert einen ungewohnten Géricault: einen Maler im Schulterschluss mit der Wissenschaft.
„Also die Suche, wenn man so will, nach dem, was das menschliche Leben ausmacht, was ihm Anstoß gibt, was die Energie auslöst, den Spannungsbogen in das menschliche Dasein reinbringt, diese Suche verbindet Géricault mit der Suche der Wissenschaftler nach diesem inneren, auslösenden Punkt in der menschlichen Existenz.“
„Also die Suche, wenn man so will, nach dem, was das menschliche Leben ausmacht, was ihm Anstoß gibt, was die Energie auslöst, den Spannungsbogen in das menschliche Dasein reinbringt, diese Suche verbindet Géricault mit der Suche der Wissenschaftler nach diesem inneren, auslösenden Punkt in der menschlichen Existenz.“
Wie weit dürfen Bilder gehen?
Géricaults berühmtestes Bild, „Das Floß der Medusa“, sucht man vergebens. Das Meisterwerk von fünf mal sieben Metern hängt im Louvre, wird nicht mehr ausgeliehen. Allerdings sind einige Zeichnungen und Studien in Frankfurt zu sehen. Mit dem Bild der auf einem Floß ihrem Schicksal überlassenen Soldaten und Matrosen der französischen Fregatte Medusa, vor der afrikanischen Küste havariert, hatte der Maler im Pariser Salon von 1819 einen Skandal verursacht. Nackte sterbende Körper, Gesten der Verzweiflung, aufkeimende Hoffnung auf Rettung – Géricault hatte lange Studien getrieben, um dieses Schreckensbild eines von Verzweifelten überfüllten Floßes malen zu können.
„Einen Freund, der eine schwere Lebererkrankung und eine Gelbsucht hatte, den hat er begeistert begrüßt und hat gesagt: Du siehst wunderschön aus. Und der musste ihm dann Modell sitzen, weil er tatsächlich das Aussehen der Krankheit und des Todes gesucht hat, er hat sich entsprechend auch Gliedmaßen aus einem Krankenhaus kommen lassen und all das, um tatsächlich diesen sterbenden, diesen verdurstenden, von der Sonne und vom Seewasser und von allem gequälten Körpern dieser Schiffbrüchigen in irgendeiner Form Bild werden zu lassen.“
Wie weit dürfen Bilder gehen? Das untersucht die Frankfurter Ausstellung mit 62 Werken des 1791 geborenen Théodore Géricaults und ebenso vielen Bildern von Zeitgenossen. Das physische und das psychische Leiden des Menschen steht im Mittelpunkt und macht den Maler, auch angesichts der Ereignisse vor Lampedusa, unerwartet aktuell. Géricaults „Köpfe“, Porträts von Afrikanern, von Dichterfreunden, von kleinen Jungen, aber auch die abgeschlagenen Köpfe von Verbrechern und Kriminellen zeigen einen unsentimentalen, genauen Blick. Ihm geht es nie um Schematisierung, sondern um Schönheit und Schrecken der Wirklichkeit. Mittendrin der „Kopf eines weißen Pferdes“ aus dem Louvre: überaus menschlich und intensiv.
„Und diese Begeisterung für Pferde, die sehr früh bei ihm auftritt, hat eben auch etwas mit der großen Liebe zu diesen Tieren zu tun, die das edelste Tier darstellten und für Géricault tatsächlich Kreaturen waren, die ihm sehr nahe waren, was man eben an solchen Studienköpfen sehen kann, das Pferd bekommt eine psychologische Dimension, es bekommt eine Bewusstseinsdimension zugestanden…“
„Einen Freund, der eine schwere Lebererkrankung und eine Gelbsucht hatte, den hat er begeistert begrüßt und hat gesagt: Du siehst wunderschön aus. Und der musste ihm dann Modell sitzen, weil er tatsächlich das Aussehen der Krankheit und des Todes gesucht hat, er hat sich entsprechend auch Gliedmaßen aus einem Krankenhaus kommen lassen und all das, um tatsächlich diesen sterbenden, diesen verdurstenden, von der Sonne und vom Seewasser und von allem gequälten Körpern dieser Schiffbrüchigen in irgendeiner Form Bild werden zu lassen.“
Wie weit dürfen Bilder gehen? Das untersucht die Frankfurter Ausstellung mit 62 Werken des 1791 geborenen Théodore Géricaults und ebenso vielen Bildern von Zeitgenossen. Das physische und das psychische Leiden des Menschen steht im Mittelpunkt und macht den Maler, auch angesichts der Ereignisse vor Lampedusa, unerwartet aktuell. Géricaults „Köpfe“, Porträts von Afrikanern, von Dichterfreunden, von kleinen Jungen, aber auch die abgeschlagenen Köpfe von Verbrechern und Kriminellen zeigen einen unsentimentalen, genauen Blick. Ihm geht es nie um Schematisierung, sondern um Schönheit und Schrecken der Wirklichkeit. Mittendrin der „Kopf eines weißen Pferdes“ aus dem Louvre: überaus menschlich und intensiv.
„Und diese Begeisterung für Pferde, die sehr früh bei ihm auftritt, hat eben auch etwas mit der großen Liebe zu diesen Tieren zu tun, die das edelste Tier darstellten und für Géricault tatsächlich Kreaturen waren, die ihm sehr nahe waren, was man eben an solchen Studienköpfen sehen kann, das Pferd bekommt eine psychologische Dimension, es bekommt eine Bewusstseinsdimension zugestanden…“
Dokumentarischer Blick auf das Leiden der Menschen
Die Ausstellung über diesen Maler, der mit 32 Jahren an einem Tumor der Wirbelsäule starb, endet mit vier gemalten Studien von Geisteskranken, die 1863 in Baden-Baden, auf dem Dachboden, im Koffer eines französischen Arztes gefunden wurden. Man begegnet angespannten Gesichtszügen, starren und leeren Blicken, rot geränderten Augen, Farben wie Schwefelgelb und Grün in den Gesichtern. Doch das sind keine Karikaturen oder Sensationsstücke, sondern ergreifende und beunruhigende Bildnisse.
„Er gibt ihnen sozusagen die Würde des ganzen Porträts und das ist sicherlich vor allem ein sympathisches, ein emphatisches Interesse an diesen Menschen, die in ihrer individuellen Existenz gezeigt werden und wo es nicht darum geht, die einzuordnen und damit auch wegzuordnen, insofern ist das der radikale Moment dieser Bilder in der europäischen Bildgeschichte.“
Géricault gilt als Begründer der französischen romantischen Schule. Die Frankfurter Ausstellung aber zeigt etwas Anderes. Seine Nähe zur Naturwissenschaft, zur Medizin, zur Aufklärung. Zeigt seinen dokumentarischen Blick auf das Leiden der Menschen, zeigt sein politisches Bewusstsein, zeigt einen Maler, der uns ganz nah ist: einen großen und kompromisslosen Realisten.
„Er gibt ihnen sozusagen die Würde des ganzen Porträts und das ist sicherlich vor allem ein sympathisches, ein emphatisches Interesse an diesen Menschen, die in ihrer individuellen Existenz gezeigt werden und wo es nicht darum geht, die einzuordnen und damit auch wegzuordnen, insofern ist das der radikale Moment dieser Bilder in der europäischen Bildgeschichte.“
Géricault gilt als Begründer der französischen romantischen Schule. Die Frankfurter Ausstellung aber zeigt etwas Anderes. Seine Nähe zur Naturwissenschaft, zur Medizin, zur Aufklärung. Zeigt seinen dokumentarischen Blick auf das Leiden der Menschen, zeigt sein politisches Bewusstsein, zeigt einen Maler, der uns ganz nah ist: einen großen und kompromisslosen Realisten.