Richtig barock

Von Katalin Fischer |
Kurfürst Johann Wilhelm von der Pfalz (1658-1716) liebte die Pracht und sammelte mit Begeisterung Gemälde. Der Großteil dieser Sammlung gelangte in zwei Etappen, 1799 und 1806, nach München und ist bis heute der Kernbestand der Alten Pinakothek. Nun widmet das Haus unter dem Titel "Kurfürst Johann Wilhelms Bilder" dem Herrscher eine einzigartige Schau, die auf barocke Art präsentiert wird.
Wenn schon Barock, denn schon Barock! Und bitte üppig! Man begnügt sich nicht mit solitär platzierten Bildern, nein, 260 kleine Solitärs werden dicht an dicht zusammengefügt.

So wollte es Kurfürst Johann Wilhelm von der Pfalz, der in seinem Düsseldorfer Schloss einen einzigartigen Sammlerfleiß entfaltete. Nebst einer bescheidenen Bilderwand in seinem Schlafzimmer besaß er eine Galerie mit Werken von Weltruhm, dazu noch hunderte von kleinformatigen Meisterwerken.

Die Alte Pinakothek in München wagt sich nun, nach fast 300 Jahren, an eine Ausstellung der kurfürstlichen Gemäldesammlung in barocker Originalhängung. Herzstück der Schau sind zwei Gemäldekabinette: an vier Wänden, jeweils vier Meter hoch, schillernd grün und leuchtend rot mit Seide bespannt, wird ein dichtes Mosaik, ein perfekt gefügtes Gesamtkunstwerk kleinformatiger Feinmalerei präsentiert.

Genau so pflegten Fürst und Fürstin zu schwelgen, auf Italienisch, Flämisch und Holländisch, im Frühbarock und zeitgenössisch, im XXL-Format. Ein nie gesehenes Unterfangen, sagt Pinakothekchef Reinhold Baumstark.

"Also so etwas hat noch keiner gewagt, also diesen Sprung zurück in die Betrachtergewohnheit des frühen 18. Jahrhunderts, das hat keiner gewagt, weil es natürlich auch sehr mühsam ist. Wir haben wochenlang, monatelang an dieser Rekonstruktion gearbeitet, zunächst mit dem Computer, wie viel Zentimeter Abstand brauche ich hier und dort, all das ist vom Computer errechnet worden, diese Mühen soweit ich das weiß, hat bislang noch keiner auf sich genommen."

Er liebte die Kunst, der vollblütige Wittelsbacher, der die letzte Prinzessin aus dem Hause der kunstsinnigen Medici geehelicht hatte. Mit ihr demonstrierte er Macht und Reichtum; er protzte mit seinen Schätzen, die nicht zuletzt auch der effektvollen Selbstdarstellung dienten.

"Im Grunde genommen haben das alle großen Fürsten getan, der große Unterscheid zu Johann Wilhelm von der Pfalz ist, dass hier ein absoluter Kenner und geradezu ein besessener Sammler am Werk war, der alle seine Konkurrenten und alle seine Standesgenossen weit überholt hat. Was er in Düsseldorf gesammelt hat, war um 1700 die wichtigste Sammlung in Europa neben der königlichen Sammlung in Madrid."

Gut zwei Drittel der Sammlung sind seit der Überführung nach München um 1800 in der Alten Pinakothek beheimatet, dennoch mussten für die Rekonstruktion der Kabinette auch Leihgaben aus Paris, Florenz, London und anderen Städten geholt werden. Glanzstücke sind u. a. Werke von Adriaen van Ostade, Jan Brueghel d. Ä. und Adriaen van der Werff, dem "premier peintre", dem ersten Hof- und Lieblingsmaler des Kurfürsten. Die Kuratoren Reinhold Baumstark und Markus Dekiert ließen alle Bilder eigens neu rahmen; statt des barocken Goldes wurden sie einheitlich in schlichtes Schwarz gekleidet - sonst hätte sich das Puzzle nicht zusammenfügen lassen.

Die Anordnung, möglichst symmetrisch um eine zentrale Achse, folgt historischen Dokumenten. Wo sich hie und da eine Lücke auftut, deuten zeitgenössische Zeichnungen das fehlende Werk an.

"Die Rekonstruktion ist punktgenau, ist absolut präzise, weil es Zeichnungen gibt, die wir auch hier in der Ausstellung zeigen, aus Paris, als Leihgaben, großformatige Zeichnungen, wo jede Wand und auf jeder Wand jedes Bild gezeichnet ist. Der Betrachter sieht hier in unserer Ausstellung die Zeichnungen, tritt dann vor die Wände und sagt, Donnerwetter, das habe ich zunächst als Dokument gesehen, und hier ist die Realität."

Die kurfürstliche Sammlung zieht sich durch das gesamte Haus. Die großformatige Prominenz, Rubens, Rafael, Rembrandt, musste dabei ihren angestammten Platz im Obergeschoss nicht verlassen.

"Das sind ja die Bilder, die seit 1836 den Ruhm und den Rang der Alten Pinakothek ausmachen, das große Jüngste Gericht von Rubens, das ja das Zentrum unseres Hauses ist, Klenze hat ja das ganze Gebäude drumherum gebaut."

Bei den Vorarbeiten zur Ausstellung zeigte sich, dass mehr als sechzig Gemälde aus dem ursprünglichen Düsseldorfer Bestand verschollen sind. Einige waren es schon vor der Überführung nach München, andere sind irgendwann im Lauf der Zeit verkauft, gestohlen, geplündert, eingetauscht worden.

"Leider sind einige Bilder, vor allem in den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts verkauft worden, eine sehr törichte Maßnahme, und einige wichtige dieser Verkäufe haben wir jetzt für drei Monate wieder zurückgeholt nach München, darunter dieses wundervolle Bild von Mieris, das jetzt im Getty-Museum in Los Angeles seinen Platz gefunden hat, ein ganz kostbares, wunderbares Bild, das der Kurfürst auch sehr geliebt hat, es ist die Darstellung einer Frau, die ohnmächtig geworden ist, das ist die Ohnmacht derer, die erfahren hat, dass sie schwanger ist, und so ist das Ganze von einer kleinen häuslichen Dramatik erfüllt, aber wundervoll gemalt, wie Seide und Samt und Pelz nun in ihrer Qualität wiedergegeben sind."

"Die kranke Frau" von Frans van Mieris. Diese Vielfalt, die Stillleben mit üppigen Blumenarrangements, ländliche Idyllen, ausdrucksvolle Bauerngesichter, mythologische Motive mit viel glattrosa Frauenfleisch, Landschaften von arkadischer Unschuld, ist ein Augenschmaus. Eines der Highlights im Puzzle ist "Die Flucht aus Ägypten" des Frankfurter Malers Adam Elsheimer.

"Das Besondere an diesem Bild, es ist buchstäblich das erste Werk, das nun die Gestirne, den Mond und vor allem die Milchstraße in einer ganz realistischen Weise zeigt, es ist gemalt mit der Beobachtung des Teleskopen. Im Jahr 1609, im gleichen Jahr, in dem Galileo Galilei zum ersten Mal durch ein Fernrohr geblickt hat, im gleichen Jahr blickt auch Elsheimer durch ein Teleskop und malt dieses wundervolle Bild."