Richters Erben

Moderation: Jan Brachmann · 30.03.2008
Die russische Klavierschule - was immer der Einzelne auch darunter verstand - war scheinbar eines jener Kulturgüter, die direkt vom Zarenreich in die Sowjetunion weitergereicht wurden: eine Tradition des Tastenspiels, die nie allein die Technik oder nur die emotionale Vertiefung meinte, sondern das eine aus dem anderen heraus entwickelte. Emil Gilels und Swjatoslaw Richter waren die Leuchttürme dieser Richtung - aber vielleicht nur dadurch, dass sie früher als andere Sowjetkünstler auch international konzertieren durften.
Nach dem Ende der UdSSR ist die weltweite Repräsentanz russischer Pianisten hingegen das geringste Problem. Die Frage ist nur, ob mit den politisch-gesellschaftlichen Umbrüchen nicht gleichzeitig auch die alten kulturellen Traditionslinien abgebrochen sind. Jan Brachmann analysiert das Spiel mehrerer Pianisten der mittleren und jüngeren Generation, unter anderem den elegant-durchsichtigen Boris Berezovsky, den querköpfigen Tiefenanalytiker Michail Pletnjow und den lyrischen Philosophen Grigorij Sokolow: allesamt Erben der alten Qualitäten der russischen Klavierschule, die sie – so das Resümee des Autors, das Zehntausende Hörer in CDs und Live-Auftritten bestätigt finden können - im gleichen Maße bewahren, weiterentwickeln und differenzieren.