Richard Dawkins: "Das große Buch der Evolution"
© Hoffmann und Campe
Neue Brille für Darwins Evolutionslehre
05:57 Minuten

Richard Dawkins
Übersetzt aus dem Englischen von Sebastian Vogel
Das große Buch der Evolution. Eine neue Sicht auf die Entwicklung des LebensHoffmann und Campe, Hamburg 2025464 Seiten
39,00 Euro
Der Biologe Richard Dawkins legt ein neues Buch über die Entwicklung des Lebens auf der Erde vor. Darin zeigt er, wie Millionen Jahre Evolution das Leben bis heute prägen. Aus dem Bauplan heutiger Lebewesen rekonstruiert er untergegangene Ökosysteme.
Bereits 1976 stellte Richard Dawkins die Gene in den Mittelpunkt der biologischen Evolution. Unter Biologen fand seine Sichtweise viel Anerkennung und Zuspruch. In den Sozialwissenschaften und in der öffentlichen Debatte hagelte es dagegen Kritik, da er die Natur „als egoistisch“ bezeichnete. Dennoch oder gerade deshalb gilt vielen „Das egoistische Gen“ bis heute als eines der wichtigsten Wissenschaftssachbücher im 20. Jahrhundert.
Fast 50 Jahre später betrachtet Richard Dawkins die Evolution unter einem neuen Blickwinkel. Er beschreibt, wie Milliarden Jahre biologische Entwicklung das Leben geprägt haben. Jede Pflanze, jedes Tier und auch wir Menschen tragen ihre jeweilige Vergangenheit in den Genen. Das zeigt sich im Aufbau, im Aussehen und auch im Verhalten. Denn jede Umwelt prägt durch Selektion die Organismen, die in ihr leben.
Evolution als „genetisches Totenbuch“
Genau wie Geologen die Geschichte einer Landschaft aus den Erdschichten ablesen können, lernen Biologen gerade, die Wege der biologischen Evolution aus den Genen der Tiere zu lesen. Das sogenannte Buch des Lebens beschreibt Dawkins als Palimpsest, ein Schriftstück, das immer wieder neu überschrieben wurde. Im Original lautet der Titel seines neuen Buches: „Das genetische Totenbuch“.
Seine Sicht auf die Evolution belegt Dawkins mit vielen Beispielen, sowie passenden Grafiken und eindrücklichen Bildern. So weisen allerlei Tarnfarben oder Täuschungsversuche in der Tierwelt nicht nur darauf hin, wo die Tiere heute leben, sondern auch, wo ihre Vorfahren lebten und wie sie sich an die Umwelt anpassen mussten. Wenn wir Rückenschmerzen haben, liegt das nicht zuletzt daran, dass unsere Wirbelsäule entstand, als unsere Ururur-Ahnen noch auf vier Beinen liefen.
Das Hin und Her der Schildkröten
Der Weg der Evolution verlief selten in klaren Linien. Sie hatte und hat keine Richtung. So gingen die Vorfahren der Schildkröten einst aus dem Meer ans Land. Sie passten sich an das Landleben an, aber später gingen sie aus unbekannten Gründen zurück ins Wasser. Die heutigen Meeresschildkröten blieben dort. Einige jedoch gingen erneut an Land, und aus ihnen entwickelten sich die heutigen Landschildkröten. Zukünftige Biologen werden diese Evolutionsgeschichte im Detail aus den Genen lebender Tiere rekonstruieren können, verspricht Dawkins. Forschungsarbeiten in diese Richtung haben längst begonnen.
Die unendliche Geschichte der Evolution
Das Buch von Richard Dawkins liest sich wie eine Fortsetzung von „Das egoistische Gen“ nach fast 50 Jahren. Es präsentiert alte wie neue Einsichten des Autors zur Evolution des Lebens und regt zum Nachdenken an. Der Autor kann immer noch zugespitzt formulieren, schreibt aber weit weniger polemisch als in früheren Büchern. „Das große Buch der Evolution“ liefert reichlich Diskussionsstoff für Fachleute und Biologie-Interessierte, denn einige Ideen sind nur angerissen und offen für vielfältige Interpretationen. Die Evolution gibt immer noch Anlass zum Staunen und hält vielerlei Überraschungen bereit.




