Rice bei Merkel

Von Sabine Adler |
Wie auf das gespannte Drahtseil im Zirkus richteten sich heute alle Blicke auf die zwei Frauen. Von beiden Enden bewegten die sich aufeinander zu. Merkel zeigte, wie sie sich an Washington wieder anzunähern gedenkt, Rice, wie sie Zweifel am amerikanischen Antiterrorkampf beiseite räumt.
Die Kanzlerin balancierte geschickt. Angst vor einem Absturz hatte sie nicht, denn als kluge Frau baute sie vor und zog vorab Netz und doppelten Boden ein. Indem sie entschied, dass der jetzige Außenminister Frank Walter Steinmeier alles, was er im Fall el Masri weiß, dem Parlamentarischen Kontrollgremium mitteilen soll.

Damit wirft sie den Minister keineswegs den Löwen zum Fraß vor, sondern gibt ihm die Chance, seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Denn, wenn überhaupt, ist es Steinmeier als ehemaliger Kanzleramtschef und Geheimdienstkoordinator, der in ihrer neuen Regierung die alte Ägide vertritt.

Damit hält sich Merkel selbst die unliebsame CIA-Affäre vom Leib, schafft Transparenz, wenn auch nur für einen auserwählten Kreis und kommt zugleich dem Bedürfnis der amerikanischen Partner entgegen, sensible Informationen nicht in eine breite Öffentlichkeit zu treten. Zusätzlich sichert sie sich für die Wechselfälle ihrer Regierungszeit ab, sollte in Zukunft ähnlich Unangenehmes zwischen ihrem Kabinett und dem Weißen Haus auftauchen. Ein kluger Schachzug einer geschickten Dompteuse. Chapeau.

Doch ganz aus dem Schneider sind die Kanzlerin und auch ihr Außenminister noch nicht. Denn da wäre noch das Informationsbedürfnis der Wähler, der Parlamentarier, der Presse zu berücksichtigen.

Das Parlamentarische Kontrollgremium besteht nämlich gerade mal aus neun Bundestagsabgeordneten, die zwar die Geheimdienste kontrollieren sollen, die dem Bund unterstehen, also das Bundesamt für Verfassungsschutz, den Bundesnachrichtendienst und den Militärischen Abschirmdienst, doch reden dürfen sie über die in dem Kontrollgremium gewonnenen Erkenntnisse nicht. Sie sind zur Verschwiegenheit, selbst ihren Abgeordnetenkollegen gegenüber verpflichtet.

Damit kann man der Bundeskanzlerin zwar nicht vorwerfen, die El Masri-Affäre unter den Teppich zu kehren, doch für die Aufklärung der Öffentlichkeit reicht das noch nicht. Die will mehr wissen, auch was die CIA-Flüge betrifft.

Ob es Angela Merkel gefällt oder nicht, werden sich der Innen-, Menschenrechts- und außenpolitische Ausschuss und wenn es sein muss, möglicherweise auch ein von der Opposition eingeforderter Untersuchungsausschuss mit der Entführung und den geheimen Transporten von Terrorverdächtigen beschäftigen.

Was hat stattgefunden, wurde gegen Völkerrecht und das internationale Folterverbot verstoßen? Wenn ja, müssten die Kanzlerin und auch Condoleeza Rice die ersten sein, die das interessiert.

Antiterrorkampf, so hatten sie heute beide mehrfach betont, darf nur im Rahmen des Gesetzes erfolgen. Denn wir wollen unsere gemeinsamen Werte verteidigen, nicht diskreditieren.