Riccardo Chaillys erste Spielzeit in Leipzig

Von Claus Fischer |
In Leipzig beginnt eine neue musikalische Ära. Im Rahmen einer Pressekonferenz stellte der designierte Gewandhauskapellmeister Riccardo Chailly das Programm seiner ersten Saison vor, die im September beginnt. Der gebürtige Mailänder zählt zu den profiliertesten Dirigenten weltweit, ist bekannt für seine musikalische Perfektion und leidenschaftliche Interpretationen. Seit 1988 leitete er das Concertgebouw-Orchester Amsterdam, seit 1990 war er gleichzeitig Musikdirektor des Orchestra Sinfonica di Milano Giuseppe Verdi.
Die Chemie zwischen Maestro und Orchester stimmt, das wurde bereits beim ersten Gastkonzert Riccardo Chaillys in Leipzig vor drei Jahren deutlich. Die Musiker des ältesten bürgerlichen Sinfonieorchesters in Deutschland sind bis heute entflammt vom Temperament des weltbekannten italienischen Dirigenten.

Chailly: "Der Feuer ist geblieben, wir können zusammen musizieren!"

Bevor der neue Gewandhauskapellmeister die Konzerte seiner ersten Spielzeit vorstellte, bedankte er sich bei seinem Vorgänger Herbert Blomstedt für die geleistete Arbeit …

"Ich krieg von Maestro Blomstedt ein Orchester in Topshape, Spitzenform. Selbstverständlich wir haben verschiedene Ideen, verschiedene Persönlichkeiten, verschiedene Repertoires, das ist logisch. Aber der Punkt 1 ist immer für die Zukunft, dieses Orchester immer zu verbessern."

24 Konzerte wird Riccardo Chailly in seiner ersten Saison dirigieren, bei der Auswahl der gespielten Werke legt er Wert auf eine gesunde Balance zwischen Althergebrachtem und Ungewohntem.

"Ich hasse die Worte "Tradition von selbst", weil für mich die Worte hat viel mit Museum zu tun und mit aller Liebe und Passion für Museum, wir sind Menschen und lebendige Musiker, nicht? Mein Wunsch ist, ohne Schocks aber mit hier und da wenigen Provokationen etwas neu nach Leipzig zu bringen und wir können, wenn wir reisen, auch zeigen die neue Identität unsere Repertoire …"

Fünf Uraufführungen unter anderem von zeitgenössischen Komponisten wie Wolfgang Rihm und Bernd Franke, vier europäische und zwei deutsche Erstaufführungen zeigen deutlich, welche Richtung der neue Gewandhauskapellmeister stärker verfolgen will. Präsentiert werden die zeitgenössischen Werke in so genannten Entdecker-Konzerten, eine Neuheit für Leipzig! Wichtig sind Riccardo Chailly auch die "Klassiker der Moderne" wie zum Beispiel der Franzose Edgar Varese. Im Juni 2006 wird er dessen monumentales Klanggemälde Arcana mit dem Gewandhausorchester aufführen.

"Ich glaube es ist Zeit, auch in Leipzig ein bisschen in diese Richtung zu musizieren. "Arcana" ist eine unglaubliche Partitur für die Zukunft und hat Generationen beeinflusst."

Die Innovationsbereitschaft Ricardo Chaillys ist auch im Bereich des traditionellen Repertoires deutlich zu spüren. Herausgegriffen aus dem Programm seiner ersten Saison sei zum Beispiel ein Gedenkkonzert zum 150. Todestag des großen Gewandhauskapellmeisters Artur Nikisch im September unter anderem mit Anton Bruckners 5 Sinfonie. Nikisch war es, der als erster sämtliche Sinfonien Bruckners im Gewandhaus aufführte. Eine Tradition, die Riccardo Chailly bewusst wiederaufnimmt.

"In Zukunft wir wollen entwickeln gesamte Zykle, zum Beispiel Beethovenzyklen, Brahms, Bruckner, usw. das ist eine der vielen neuen Ideen für unsere Saison."

Derartige Pläne sind natürlich nur mit entsprechenden Finanzmitteln zu verwirklichen. Die Stadt Leipzig gewährt den höchsten Etat für das Gewandhaus seit der Wende, ein deutliches Zeichen aus dem Rathaus, dass man in Sachen Musik in Zukunft in der ersten Liga zu spielen beabsichtigt. Dies hat selbstverständlich auch Auswirkungen auf Verpflichtung von Gastdirigenten in der neuen Saison.

"Alte Generation, große Namen wie Maestro Barschai oder Previn, aber auch jüngere Menschen. Meine Lösung vis-a-vis Gastdirigenten ist "Ohne Grenzen" aber mit einer Bedingung: Das beste Talent als möglich. Wir hassen, was langweilig ist!"

Neben seinen Verpflichtungen am Gewandhaus wird Riccardo Chailly auch die musikalische Leitung der Oper übernehmen, ist damit also seit der Ära Vaclav Neumann vor über 30 Jahren der erste Generalmusikdirektor in Leipzig. Debütieren wird der Mailänder im November ganz passend - mit Verdis Maskenball.