RIAS Kammerchor/Akademie für Alte Musik

Krieg und Frieden

Der Dirigent Lukasz Borowicz
Der Dirigent Łukasz Borowicz © Justyna Mielniczuk/CAMI
04.10.2015
Eine Friedenssinfonie mitten im Krieg schrieb Paul Wranitzky, um den Frieden mit Frankreich zu bejubeln. Joseph Haydn komponierte fast gleichzeitig seine "Paukenmesse", ein ahnungsvolles Werk, das ausdrückt, der Friede könne doch sehr brüchig sein. Mit diesem kontrastreichen Programm debütiert der polnische Dirigent Łukasz Borowicz an diesem Abend beim RIAS Kammerchor und der Akademie für Alte Musik Berlin.
Des einen Freud ist des anderen Leid - und sehr schnell können politische Geschicke ins Gegenteil umschlagen. Mancher Friede hält nur wenige Monate, so war es häufiger zum Beispiel am Ende des 18. Jahrhunderts. Der tschechische Komponist Paul Wranitzky schrieb in Wien seine "Charakteristische Sinfonie für den Frieden mit der Französischen Republik". Dabei war der Anlass nur ein kurzes Durchatmen auf dem langen Weg des Schlachtens zwischen Napoleon und seinen Gegnern im Rest Europas.
Erstaunlich ist, dass nicht mehr Musik dieser Jahre um 1800 einen direkten Bezug zur Weltlage hat. Ludwig van Beethovens Frust über die Anwandlungen seines ehemaligen Idols Napoleon ist bekannt - und hörbar geworden in seiner dritten Sinfonie. "Wellingtons Sieg" ist andererseits eines der plakativsten Werke Beethovens und Ausdruck seiner Schadenfreude über den herben militärischen Rückschlag für den Diktator Napoleon, den einige Länder bis heute als Befreier verehren.
Doch einige Jahre zuvor, im alten Jahrhundert, vermied es "Papa Haydn" wiederum tunlichst, seine Werke in alltagspolitische Zusammenhänge zu stellen. Seine "Missa in tempore belli" - die Messe in kriegerischer Zeit - ist da eine große Ausnahme. Dass der Komponist gar einige dramatische Elemente in dieses geistliche Hochamt einbaute, hat katholischen Rechtgläubigen nicht gefallen. Dass diese Messe in einer Zeit unklarer Nachrichtenlage entstand, in der sich Friedens- und Kriegsnachrichten abwechselten, konnte Haydn nicht davon abbringen, in optimistischem C-Dur zu enden. Eine höhere Macht würde schon für die Menschen sorgen. Leider war es nicht so, nicht einmal die irdische Macht hatte ein Einsehen. Als der Wiener Hofoperndirektor Paul Wranitzky seine Friedenssehnsucht in musikalische Formen goss, war der Habsburger Kaiser Franz II. so über den in seinen Ohren nach Sympathie mit dem revolutionären Frankreich klingenden Titel erzürnt, dass er die Aufführung des Werkes untersagte. Die weitere Entwicklung sollte ihm Recht geben. Der Frieden ließ sehr lang auf sich warten, und als der (Wiener) Kongress dann tanzte, war den Künstlern kaum noch zum Jubilieren zumute. Haydn und Wranitzky waren inzwischen gestorben, Beethoven hatte sich ins Privatleben zurückgezogen und die Jugend (z.B. Franz Schubert) bekam Ärger mit Metternichs Geheimpolizei.
An diesem Abend debütiert der polnische Dirigent Łukasz Borowicz beim RIAS Kammerchor und der Akademie für Alte Musik Berlin. Deutschlandradio Kultur ist er durch große CD-Produktionszyklen verbunden, die sich den Werken Szymon Laks' und Andrzej Panufniks widmen. Zuletzt war er in unserem Programm als Dirigent des abendfüllenden Requiems von Roman Maciejewski zu erleben. Nun widmet er sich erstmals einem Programm älterer Musik, das in historischer Aufführungspraxis zu erleben ist.
Live aus dem Konzerthaus Berlin
Joseph Haydn
Te Deum C-Dur für Soli, Chor und Orchester Hob XXIIIc:1
Paul Wranitzky
Grande sinfonie caractéristique pour la paix avec la République française c-Moll op. 31
ca. 20.45 Uhr Konzertpause
Joseph Haydn
Missa in tempore belli ("Paukenmesse") C-Dur für Soli, Chor und Orchester Hob XXII:9
Robin Johannsen, Sopran
Stefanie Irányi, Alt
Attilio Glaser, Tenor
Andreas Wolf, Bass
RIAS Kammerchor
Akademie für Alte Musik Berlin
Leitung: Łukasz Borowicz