Rhythm is it in Duisburg

Von Philipp Krohn · 01.08.2008
Duisburg-Hochfeld ist einer der ärmsten Stadtteile in Nordrhein-Westfalen. Mit dem Fördergeld von mehr als einer halben Million Euro hat der Arbeiter Samariter Bund seit rund zwei Jahren ein eindrucksvolles Projekt auf die Beine gestellt: Um die Kinderarmut wirksam zu bekämpfen - das heißt die Kinder aus dem Problemstadtteil in ihrem Selbstwertgefühl zu stärken - hat er mit einer Gruppe von Pädagogen seit Beginn inzwischen das dritte Musical einstudiert.
Dies wurde extra für diesen Zweck geschrieben. Das Pilot-Projekt wird von der Uni Duisburg-Essen ausgewertet und soll in einen Handlungs-Leitfaden für ähnlich angelegte Vorhaben münden.

Ein Dutzend Kinder rennt über den Hof vor dem Stadtteilzentrum "Alte Feuerwache". Sie werfen Bälle, toben, rufen. Alle Kinder haben eine Rolle beim Musical "Der Held der See". Acht bis zehn Jahre sind sie alt. Nur noch eine halbe Stunde bis zum Auftritt. Ein Plakat mit der Aufschrift "Arbeit!" wirbt für die nächste Theateraufführung für Erwachsene. Wie passend: Denn Arbeit ist knapp in Duisburg-Hochfeld, einem der ärmsten Stadtteile in Nordrhein-Westfalen.

Aufgeregt tummeln sie sich in einem kleinen Raum neben der Bühne. Drei Frauen zeichnen ihnen mit blauen und orangen Wachsfarben Ornamente ins Gesicht. In himmelblauen Quallen-Kostümen – professionell geschneidert mit glitzernden Stoffen – drängen einige Kinder nach vorn. Zuerst aber sind die orangen Kraken dran, denn die singen und müssen deshalb Mikrofone angehängt bekommen. Anastasia ist zehn Jahre alt und eine von ihnen.

Anastasia: "Unsere Klasse hatte das in der dritten Klasse als Pflichtprogramm. Und dann hat mir das Spaß gemacht, dann habe ich bei den weiteren zweien auch mitgemacht. Also ich singe, ich bin keine Hauptrolle oder so. Ich bin so eine normale Sängerin, also Krake. Und die ganze Gruppe schwimmt gegen den Strom, äh mit dem Strom. Also die kleine Krake schwimmt gegen den Strom, um seinen Freund zu retten."

Gleich haben die Kraken ihren ersten Einsatz auf der Bühne. Einige sind aufgeregt, andere ganz routiniert. Sie haben schon bei den beiden Aufführungen der letzten zwei Jahre mitgewirkt. Um die Anspannung abzubauen, spielen sie ein Abklatschspiel. Anastasia heißt mit Nachnamen Katesini. Ihre Eltern stammen aus Griechenland und leben in Hochfeld. Der Auftritt in der Feuerwache ist etwas Besonderes für sie.

Anastasia: "Die kommen hier hin, gucken sich das an. Und die sind stolz auf mich. Ich glaub’, jedes Elternteil würde stolz auf sein Kind sein."

Hochfeld hat viele Probleme. Trotzdem ist es ein liebenswertes Viertel: viel Grün, schöne Altbauten – manche davon etwas heruntergekommen. Es gibt verkehrsberuhigte Straßen. Ein Stadtteil mit besonderem Erneuerungsbedarf, so heißt es in der Verwaltungssprache, wenn viele arbeitslos sind und von Transfers leben, wenn Bildungsprobleme und ein hoher Anteil von Zuwanderern zusammen kommen. In Hochfeld hat fast jeder Vierte einen Migrationshintergrund. Alle paar Minuten sieht man eine Frau mit Kopftuch über die Straße laufen. Auch von den 30 Kindern, die das Musical aufführen, hat ein großer Teil ausländische Eltern. Fast 25 Prozent der Erwerbsfähigen haben hier keinen Job. In keinem anderen Stadtteil in Duisburg ist die Arbeitslosenquote so hoch.

Die "Alte Feuerwache" ist voll besetzt. Rund 150 Erwachsene haben einen Sitzplatz gefunden. Vor der Bühne knien noch einmal so viele Schüler der Grundschule, die mit Spannung die ersten Takte des Musicals erwarten. Nicht alle sind von zuhause gewohnt, sich mit Kultur zu beschäftigen, sagt Schulrektorin Karin Stefan:

"Ich denke, die haben in der Regel im Freizeitbereich wenig die Möglichkeit und die Gelegenheit, an musischen und an kulturellen Aktionen teilzunehmen. Die Kinder gehen in der Regel nicht mit den Eltern ins Museum oder lernen Theaterstücke kennen und erhalten also dadurch die Chance, im musischen Bereich unheimliche Fortschritte zu machen, das überhaupt kennenzulernen."

Aus dem Publikum sucht Manfred Kleinschmidt den Blickkontakt mit seiner Tochter. Lena sitzt hoch konzentriert vor ihrem Xylophon. Beim Intro muss sie gleich die Melodie vorgeben. Erst durch die Musical-Gruppe sind Kleinschmidt und seine Frau darauf gekommen, sie mit Musik in Berührung zu bringen.

Kleinschmidt: "Der Lehrer Katerkamp hat wohl festgestellt, dass sie Töne sehr gut nachspielen kann, da steckt also Talent in ihr. Und dann hat er mit ihr und fünf anderen beim letzten Musical die Eröffnungsmelodie gespielt und dann bei diesem Mal gefragt, ob sie wieder dabei sein möchten. Und da hatte sie Interesse. Jetzt haben sie ein halbes Jahr schön dafür geübt. Ich habe ihr auch ein Xylophon gekauft, dass sie zuhause noch üben darf und jetzt ist sie wieder dabei und freut sich darauf."

Mit staunenden Augen schauen die rund 150 Grundschüler vom Saal aus auf die Bühne. Vier Kinder in glänzenden blauen Umhängen klopfen rhythmisch auf ihre Schlaginstrumente. Sie tragen Taucherbrillen – schließlich spielt die Handlung des Musicals auf dem Meeresboden. Lena Kleinschmidt trifft die Töne genau, nachdem sie zuhause viel üben konnte:

"Meine Tochter hat dadurch so ein bisschen ihr musikalisches Talent entdeckt. Und der Lehrer hat auch gesagt, dass sollte man weiter fördern. Sie möchte jetzt auch noch ein anderes Instrument lernen, was ich also sehr befürworte, weil ich es nie gemacht habe. Und wir werden mal sehen, wie das dann ausgeht."

Die Probleme von Duisburg-Hochfeld sind typisch für einen sozialen Brennpunkt: Die vielen Arbeitslosen, Sozialhilfeempfänger und Menschen mit niedrigen Einkommen korrespondieren zu den Personen ohne Schulabschluss und dem hohen Ausländeranteil. Wer in Deutschland unter Armut leidet, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit alleinerziehend oder arbeitslos oder hat einen Migrationshintergrund. Bei nicht wenigen kommen alle drei Merkmale zusammen. Trotzdem machen sich die Einwohner von Hochfeld das Leben so schön wie möglich: Die türkische Gemeinde feiert gerade ihr Kermesfest. Unter Zelten haben sie Tücher, Grills und Buchstände aufgebaut. Der Duft von frisch gebratenem Dönerfleisch zieht durch die Straße.

In der Feuerwache haben inzwischen Quallen und Kraken die Bühne betreten. Leichtfüßig tänzeln sie über die Bühne und ahmen Schwimmbewegungen nach. Die Musicalhandlung hat sich die Pädagogin Anja Hoppermann ausgedacht. Sie ist eine der Betreuerinnen des Projekts.

Anja Hoppermann: "Es heißt ja "Held der See", und der Held der See ist eine kleine Krake, die sich durchsetzt gegen die anderen Kraken und gegen den Strom schwimmt, um seinen Freund zu retten: eine kleine Qualle – und am Ende auch gefeiert werden will dafür."

Vier verschiedene Gruppen haben an dem Projekt mitgewirkt: die unterschiedlichen Talente der Kinder sollten zur Geltung kommen. Eine Klangbaugruppe stellte eigene Instrumente her, die Gesangsgruppe studierte die Lieder ein, die der bekannte Kindermusik-Komponist Felix Janosa komponiert hat. Für die Kostüme und Requisiten und die Choreographie gab es jeweils eigene Betreuer. Mit diesem breiten Angebot, glaubt Anja Hoppermann, konnte sie die Grundschüler erreichen:

"Wir versuchen mit Kulturpädagogik, den Kindern zu zeigen, dass man, wenn man sich bemüht, eine ganze Menge erreichen kann. Armut wird ja oft vererbt, das heißt, wenn die Kinder sehen, die Eltern leben in Armut, dann haben die oft das Gefühl, dass sie auch da enden werden, dass sie nichts dagegen tun können, um dagegen anzugehen."

Die Idee zu dem berührenden Musicalprojekt hat eine Gruppe von Wissenschaftlern an der Universität Duisburg-Essen geboren. Nachdem vor drei Jahren immer mehr öffentlich über die wachsende Kinderarmut berichtet wurde, stellten sie sich die Frage, wie sie das Phänomen als Wissenschaftler erforschen konnten. Michael Stricker war an den Diskussionen beteiligt:

Stricker: "Ziel war es eben, ein Projekt zu initiieren, bei dem wir nicht nur aus wissenschaftlicher Sicht das sehen, sondern uns zunächst einmal am grünen Tisch überlegt haben, was können wir gegen Armut, gegen Situationen, die mit Armut verbunden sind, machen. Und wir haben dann die Stiftung Wohlfahrtspflege eben gebeten, das Projekt wissenschaftlich zu evaluieren – also zu gucken, bringt das etwas, was wir machen. Und uns andererseits am grünen Tisch überlegt haben, wie kann man Kinder, die in schwierigen Lebenssituationen leben, wie kann man diese Kinder einfangen und wie kann man ein Programm machen, das sinnvoll ist."

Stricker arbeitete als Sozialwissenschaftler an dem Uni-Lehrstuhl, an dem das Projekt ausgedacht wurde. Der schlanke Mittvierziger, randlose Brille, schütteres Haar, lächelt freundlich, als er über seinen Werdegang berichtet. Seine Doktorarbeit hat er über das Thema "Ehrenamt als soziales Kapital" geschrieben. Gleichzeitig engagiert er sich seit Jahren im Arbeiter Samariter Bund, dessen Präsident in Nordrhein-Westfalen er ist. In dieser Funktion konnte er der Stiftung Wohlfahrtspflege für die zwei Projekte in Duisburg und in Bottrop rund 600.000 Euro abschwatzen – genug Geld, um den Pädagogen eine längerfristige Perspektive zu bieten.

Stricker: "Das ist ja häufig bei diesen Projektfinanzierungen so, dass sie einen kürzeren Zeitraum finanziert kriegen. Und das war hier schon auch ganz wesentlich, dass wir einen längeren Zeitraum Finanzierungssicherheit hatten und von daher auch immer mal wieder etwas ausprobieren konnten – auch letztendlich Arbeitsverträge mit Mitarbeitern länger als über ein Jahr zu schließen. Das war hier ganz wesentlich, dass unsere Mitarbeiter eine gewisse Sicherheit für sich selber hatten."

In seinem aktuellen Sozialbericht musste sich die Stadt Duisburg ein schlechtes Zeugnis ausstellen. Unter den 16 größten Städten in Deutschland hatte keine bis 2005 einen so großen Zuwachs an Transferempfängern zu verzeichnen. Ende 2005 waren über 18 Prozent der erwerbstätigen Bevölkerung auf Transfereinkommen angewiesen. Auch hier hält Duisburg die Spitzenposition: In keiner anderen der 16 größten deutschen Städte leben so viele Menschen von Arbeitslosengeld I oder II, von Sozialgeld oder sind auf die Grundsicherung für Ältere angewiesen. Bei den Kindern ist die Quote der Transferempfänger sogar noch höher: Ein Viertel der unter 15Jährigen ist auf die Leistungen aus Sozialversicherungen und Steuermitteln angewiesen. Die Grundschule an der Friedenstraße scheint prädestiniert für ein Projekt gegen Kinderarmut. Hochfeld ist einer von den drei Stadtteilen mit besonderem Erneuerungsbedarf, die im Bundesprogramm "Soziale Stadt" gefördert werden.

Nach einer mühevollen Unterwasserreise hat die Krake ihren Freund, die Qualle, aus den Fängen der Alge befreit. Erschöpft, aber glücklich kehrt sie zu ihren Artgenossen zurück. Milian Gsell, acht Jahre, nicht größer als einen Meter 30, steht in der letzten Szene als Hauptdarsteller im Mittelpunkt. In dem Lied "Held der See" huldigen ihm die anderen Kraken für seinen Mut. Sängerinnen, Tänzer und Musiker umringen ihn, als er in dem Titelsong seinen wichtigsten Auftritt hat.

Stricker: "Wir sind auf die Musical-Idee gekommen, weil wir uns überlegt haben, dass das etwas sein muss, wo wir alle Kinder einbinden. Also Kinder, die gern tanzen, die gern singen, aber auch die, die vielleicht Spaß haben, die Kulissen zu bauen. Und dadurch dass uns die Stiftung Wohlfahrtspflege auch wirtschaftlich ganz gut ausgestattet hat, konnten wir eben auch ein Projekt machen, das nicht ärmlich aussieht. Das war von vornherein ein ganz wesentliches Element, dass wir gesagt haben, wenn wir ein Projekt in einem benachteiligten Stadtteil machen, dann darf das an sich nicht arm aussehen."

Im Publikumsraum steht der Sozialwissenschaftler Henning van den Brink und klatscht begeistert Beifall. Der junge Uni-Absolvent beobachtet die Arbeit in der Musicalgruppe seit dem Start vor fast drei Jahren. Für die Uni Duisburg-Essen prüft er ihre Erfolge.

Van den Brink: "Die Kinder saugen das Programm auf wie trockene Schwämme – natürlich manche mehr, manche weniger. Manche bringen natürlich von zuhause mehr kulturelle Grunderfahrung mit als andere. Die ziehen dann die anderen mit. Von daher ist das gar nicht so tragisch."

Nachdem der Schlussakkord verklungen ist und die letzte Zugabe gesungen, leert sich allmählich der Saal der Feuerwache. Während die anderen nach draußen in Richtung Kuchenbar strömen, bleibt der kleine Milian zurück. Etwas aufgeregt, aber schon recht selbstsicher gibt er sein erstes Interview. Die Journalistin der Westfälischen Allgemeinen will wissen, ob er Kraken mag, was Milian dazu nutzt, über seine Lieblingstiere zu sinnieren. Und er erzählt noch einmal, wie er zu der Gruppe dazu gestoßen ist.

Milian: "Ich habe mich beim Musical angemeldet. Wir haben da so einen Zettel bekommen in der Schule, habe ich mich einfach für Gesang eingetragen. Und weil ich eine der schönsten Stimmen war, habe ich eben die Hauptrolle gekriegt. Die haben für mich abgestimmt. Ich habe nicht damit gerechnet. Spaß hat es mir schon sehr doll gemacht, und wir haben uns auch alle sehr Mühe gegeben."

Eine Krake, die sich dem Rat der anderen entgegenstellt und gegen den Strom schwimmt? Auch Milian hat über die Botschaft des Musicals nachgedacht.

Milian: "Also ich glaube, es ist so, dass man anderen helfen sollte, sollte das auch lehren. Und dass man nicht sofort "Nein, ich schaff das nicht" sagen sollte."

Verglichen mit Stadtteilen wie Marzahn in Berlin oder Billstedt in Hamburg, ist Duisburg-Hochfeld kein Viertel, das auf den ersten Blick sichtbar ein Prekariat beherbergt. Die Armut ist etwas versteckter. Auf der Hauptstraße hat gerade ein Ein-Euro-Shop zugemacht, der sich nicht halten konnte. Ansonsten überwiegen im Einzelhandel aber Angebote an Personen mit geringem Einkommen. In einer Seitenstraße ist auf dem Schild einer Rechtsanwaltskanzlei zu lesen, dass sie sich auf Insolvenzrecht, Schuldnerberatung und Sozialrecht spezialisiert hat – auch dies ein Hinweis auf die finanziellen Nöte Vieler hier im Quartier. "Arbeit!" so wirbt das Werbeplakat für die nächste Theaterproduktion in der Feuerwache.

Einige Straßen weiter stellt das Büro Streetwork Hochfeld einen Kontakt für Betroffene zur Bundesagentur für Arbeit her. Nebenan steht ein großer Lieferwagen der Duisburger Tafel. Das Angebot an sozialen Hilfen ist reichhaltig. Die Stiftung Wohlfahrtspflege stellt im Land jedes Jahr 20 Millionen Euro für Projekte zur Verfügung. Das Geld stammt aus den Erlösen von vier Spielbanken in Nordrhein-Westfalen. Davon werden aber auch Projekte für Behinderte und ältere Menschen finanziert. 13,5 Millionen Euro gehen außerdem direkt aus dem Landeshaushalt in den Fonds "Kein Kind ohne Mahlzeit", von dem Mittagessen in Ganztagsschulen bezahlt werden. Auf diese Einrichtungen sollen zusätzlich bis 2010 175 Millionen Euro verteilt werden.

Ein Kulturprojekt wie die Musicalgruppe an der Grundschule Friedenstraße ist für den Stadtteil Hochfeld einmalig. Während die Kinder von ihren Eltern mit dem Wagen abgeholt werden, denkt Michael Stricker vom Arbeiter Samariter Bund noch einmal über die wichtigsten Erkenntnisse aus den vergangenen Jahren nach:

"Kinder, die von Armut betroffen sind, da ist es nicht nur die Frage, dass sie in armen Verhältnissen leben, sondern dass sie aus der Spirale nicht herauskommen, dass sie keine Wertschätzung erfahren. Und das bekommen sie hier hautnah mit. Also sie wurden auch in den vorherigen Musicalreihen für Weihnachtsfeiern engagiert. Sie haben jetzt bei der Paritätischen Wohlfahrtsvereinigung vor 6-700 Mitgliedern Ausschnitte des Musicals gezeigt. Die Akteure, die hier mitwirken, erfahren einfach eine sehr sehr hohe Wertschätzung. Und das bringt sie aus dieser Spirale heraus, und sie gewinnen wieder mehr Vertrauen."

Niemand erwartet Wunder von der kulturpädagogischen Arbeit in Hochfeld. Aber als eine Möglichkeit, Kindern im Ganztagsunterricht etwas fürs Leben mitzugeben, sieht es Henning van den Brink vom soziologischen Institut der Universität sehr wohl. Sie gewinnen an Selbstvertrauen, schulen ihr Sprachvermögen und trainieren Eigenschaften, die sonst wenig gefördert werden.

Van den Brink: "Manche Kinder, die von dem Projekt sehr profitieren, die auch im Unterricht selbstbewusster werden, die ihre Scheu ablegen, die sich auch innerhalb der Gruppe besser positionieren können. Und dann gibt es natürlich einzelne Kinder, die dann schon mal anfangen, so leichte Rockstarallüren zu entwickeln. Die müssen natürlich gebremst werden. Aber insgesamt sind die Kinder sehr motiviert. Das ist auch die Hauptwirkung, die hier von Anfang an erzielt werden sollte, dass die Kinder sich motivieren, dass sie immer wieder bei den Proben dabei waren, obwohl es ja keine Pflichtveranstaltung war, sondern eine freiwillige Veranstaltung. Lernen auf ein Ziel hinzuarbeiten, nicht auf dem Weg das Handtuch Werfen, wenn es mal nicht klappt: Und dieses Ziel haben wir bei 95 Prozent der Kinder erreicht."

Die Belohnung für die Kinder besteht nicht nur im Applaus des Publikums. Unter professioneller Anleitung haben sie die Lieder außerdem für eine CD eingesungen. Henning van den Brink glaubt, dass durch die Arbeit über die kulturellen Kompetenzen hinaus weitere Fähigkeiten gefördert werden, die den Kindern dauerhaft nutzen können.

Van den Brink: "Die Eigenschaften wie Teamfähigkeit, Kommunikationsfähigkeit, Problemlösungskompetenzen sind ja alles die Sachen, die auch von Arbeitgeberseite gefragt sind und in zunehmendem Maße auch mehr. Aber darum geht es uns nicht ausschließlich, sondern uns geht es darum, dass die Kinder Persönlichkeiten entwickeln, dass sie lernen, sich selbst Sachen zu erarbeiten, dass sie lernen, sich selbst zu motivieren und die Balance kriegen, zwischen sich selbst durchzusetzen und auch auf andere Rücksicht zu nehmen. Also das, was man im allgemeinen so unter sozialer Kompetenz versteht."

Der Parkplatz vor der Feuerwache hat sich geleert. Während Eltern und Kinder nach Hause gehen, feiert die türkische Gemeinde in Hochfeld weiter ihr Kermesfest. Frauen stöbern nach Seidentüchern, Männer unterhalten sich mit Fleischspießen in der Hand über ihren Arbeitstag. Die Musik vom Festplatz dringt bis zur Eisdiele knapp 200 Meter weiter. Hier sitzt der kleine Milian, eben noch der Held der See, und verspeist mit seiner Familie zur Belohnung erst einmal einen großen Eisbecher. An ihm, so meint Schuldirektorin Karin Stefan, lässt sich der Erfolg des Projekts ablesen:

"Wir haben es jetzt an dem Milian gesehen, dem Hauptdarsteller, das ist sonst ein recht zurückhaltendes, schüchternes Kind. Und wie man es da beobachten konnte: Die Kinder leben da einfach auf."