Jacob Ross: "Die Knochenleser"

Dieses Ermittlerduo macht Lust auf mehr

03:08 Minuten
Das Buchcover des Krimis von Jacob Ross, "Die Knochenleser". Jacob Ross und "Die Knochenlesen" steht auf einem meist schwarzem Bild, das oben ein Motiv zeigt, dass an einen Palmenzwei oder ein Knochengerüst erinnert.
© Suhrkamp

Jacob Ross

Übersetzt von Karin Diemerling

Die Knochenleser Suhrkamp, Berlin 2022

373 Seiten

15,95 Euro

Von Sonja Hartl · 06.05.2022
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„Die Knochenleser“ spielt auf der fiktiven Karibik-Insel Camoha. Autor Jacob Ross ist auf den Kleinen Antillen aufgewachsen und schildert in dem faszinierenden Krimi eine Welt voll Korruption, politischer Verstrickungen und Gewalt gegen Frauen.
Michael Digson, genannt Digger, ist ein kluger, junger Mann, aber ihm fehlt das nötige Geld für die Universität. Deshalb sitzt er am Anfang von Jacob Ross‘ großartigem Kriminalroman „Die Knochenleser“ unbeteiligt auf dem Marktplatz von San Andrews auf der Karibikinsel Camoha herum und sinniert über die Perspektivlosigkeit seines Lebens.
Als er sich in eine Schlägerei einmischt, gerät er ins Visier des Polizisten Chilman. Er erkennt Digsons Potenzial und sorgt dafür, dass Digson aka Digger Teil einer neuen Polizeieinheit wird.
Die Insel Camoha ist fiktiv, aber Jacob Ross wurde auf Grenada geboren und kennt die Gegebenheiten auf den Kleinen Antillen, denen er atmosphärisch dichte Szenen und faszinierende Einblicke abgewinnt. Dazu gehören auch die verschiedenen Sprechweisen und Akzente, die auch die deutsche Übersetzung zu übertragen versucht: aus Mister wird Missa, aus Forensik wird Verrennsich.

Scharf beobachtet, episodisch erzählt

Diggers Ermittlungen in Vermisstenfällen führen ihn immer tiefer in die Geheimnisse, das Schweigen und die Lügennetze der verschiedenen Gemeinschaften auf der Insel hinein. Das ist spannend und bisweilen erschütternd zu lesen, vor allem aber sehr scharf beobachtet.
Ohnehin besticht dieses Buch mit präzisen und wohlgesetzten Verweisen und Bemerkungen. Diese reichen von Seitenhieben auf die Geschichte Grenadas bis hin zu einer Hommage an John Coltrane.

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Ross verstößt zudem glücklicherweise gegen das langweilige Serienmuster, nach dem der Protagonist erst einmal seinen Platz finden muss: Diggers Entwicklung zum Forensiker ist zügig vollzogen, ein ganzes Auslandsjahr unterbricht zwar klug die Handlung, nimmt aber keine ganze Druckseite in Anspruch.
Mit diesem episodischen Erzählen erzeugt Ross einen ganz eigenen Erzählrhythmus – und einen Roman, der ein ungemein dichtes Handlungs- und Motivgeflecht hat.

Hinreißend-komplexe Frauenfiguren

Präzise beschrieben sind auch die vielen Arten von Gewalt gegen Frauen in der patriarchalen Gesellschaft der Karibik, in der zum Beispiel erwachsene Männer Mädchen im Teenageralter überfallen und sie sich zur „Geliebten“ nehmen. Wie sich das auswirkt, ist an einer der vielen, hinreißend-komplexen Frauenfiguren in diesem Roman sehr eindrücklich zu sehen.
Zu diesen Frauenfiguren gehört auch Miss Stanislaus, Diggers neue Kollegin, die unwahrscheinlich eigen ist und über eine herausragende Menschenkenntnis verfügt. Mit ihr und Digger hat ein neues Ermittlerduo die Krimi-Landschaft betreten, von dem es hoffentlich bald mehr zu lesen gibt.
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